Kim Jong-un so stark wie nie: Eskaliert der Propaganda-Krieg zwischen Nordkorea und dem Süden?

  • Sven Hauberg
    VonSven Hauberg
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Das Kim-Regime droht dem Süden mit einer „furchtbaren Katastrophe“ und rüstet massiv auf. Dank einer neuen Allianz fühlt sich Nordkorea unverwundbar.

Wer den Glauben ans Gute im Menschen nicht verlieren will, sollte die Homepage der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA tunlichst meiden. Seit jeher verbreitet die Seite Propaganda übelster Sorte und zielt dabei immer wieder auch tief unter die Gürtellinie. Seit ein paar Tagen sind Nordkoreas Staatspropagandisten einmal mehr in Höchstform. Da bezeichnet das nordkoreanische Außenministerium die USA als den „größten Menschenrechtsverletzer der Welt“, und das Verteidigungsministerium des abgeschotteten Landes droht, den Süden der koreanischen Halbinsel „gnadenlos in eine schreckliche Katastrophe“ zu stürzen.

Besonders umtriebig zeigte sich zuletzt auch Kim Yo-jong, die mächtige Schwester von Diktator Kim Jong-un. Zweimal meldete sich die 37-Jährige, die ihr Biograf als „mächtigste Frau der Welt“ bezeichnet, am vergangenen Wochenende zu Wort. Am Samstag drohte Kim zunächst den „Militärgangstern“ in Seoul ebenfalls mit einer „furchtbaren Katastrophe“, am Tag darauf ätzte sie: „Solcher Abschaum gehört auf eine Müllkippe.“

Nordkorea meldet Propaganda-Drohnen über Pjöngjang

Auch wenn Nordkorea immer einen Grund findet, um sich provoziert zu fühlen – oder im Zweifelsfalls gar keinen benötigt: Auslöser diesmal war eine Entwicklung, die man – zumindest von Pjöngjang aus betrachtet – tatsächlich als Eskalation betrachten kann. Bereits am Freitag (11. Oktober) hatte das Kim-Regime nämlich behauptet, mehrfach südkoreanische Drohnen über der eigenen Hauptstadt entdeckt zu haben. Die Fluggeräte hätten Flugblätter abgeworfen, die das Regime kritisierten. Um die Anschuldigungen zu untermauern, veröffentlichten nordkoreanische Staatsmedien Fotos, auf denen die Drohnen am Himmel über Pjöngjang sowie abgeworfene Flugblätter zu sehen sein sollen.

Nordkorea – Kim Jong-uns abgeschottete Diktatur

Menschen an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Die Skyline von Pjöngjang
Kim Jong-un auf einem Pferd
Sowjetische Soldaten in Pjöngjang
Nordkorea – Kim Jong-uns abgeschottete Diktatur

Der südkoreanische Verteidigungsminister Kim Yong-hyun wies die Anschuldigungen aus Pjöngjang zunächst zurück. Später relativierte der südkoreanische Generalstab die Aussage aber und erklärte, man könne „nicht bestätigen, ob die nordkoreanischen Anschuldigungen wahr sind oder nicht“. Gänzlich unwahrscheinlich ist es indes nicht, dass tatsächlich südkoreanische Drohnen die Grenze zum Norden überquert haben und in Richtung Pjöngjang geflogen sind. Denn schon seit Jahren versuchen Aktivisten aus dem Süden, das Kim-Regime mit Flugblatt-Aktionen zu destabilisieren. Bislang wurden die Propaganda-Zettel an großen Luftballons befestigt, die von der Grenzregion aus in Richtung Norden segelten. Drohnen hätten eine gänzlich neue Qualität.

Nordkorea glaubt nicht mehr an eine Wiedervereinigung

Als Reaktion auf die Aktivisten-Ballons begann der Norden Ende Mai, seinerseits Ballons in den Süden zu schicken – nicht mit Propagandamaterial allerdings, sondern mit Müll und bisweilen sogar Fäkalien. Tausende der Flugobjekte sind seitdem in Südkorea niedergegangen, mehrfach musste der Hauptstadtflughafen in Seoul wegen der Ballons seinen Betrieb vorübergehend einstellen. Die südkoreanische Regierung ist den Müll-Attacken weitgehend hilflos ausgeliefert, weil sie aus Angst vor Missverständnissen bislang davon absieht, die Ballons bereits im Grenzgebiet abzuschießen.

Auch war es Südkorea nicht gelungen, die Aktionen der Aktivisten zu stoppen, ein entsprechendes Gesetz wurde vom Verfassungsgericht des Landes mit Verweis auf die Meinungsfreiheit kassiert. Dass der südkoreanische Staat nun hinter den Drohnen-Flügen steckt, erscheint vor diesem Hintergrund äußerst unwahrscheinlich. Kim Yo-jong machte am Wochenende dennoch die Regierung von Präsident Yoon Suk-yeol für die Propaganda-Attacken verantwortlich.

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un bei einer Militärübung.

Mit der Drohnenposse ist ein weiterer Schauplatz im Konflikt zwischen den beiden koreanischen Staaten hinzugekommen. Besonders brisant ist, dass Nordkorea das Ziel einer friedlichen Wiedervereinigung offenbar aufgegeben hat. Ende 2023 erklärte Kim Jong-un den Nachbarstaat zum „Hauptfeind“, vergangene Woche dann kündigte er an, alle noch bestehenden Straßen- und Schienenverbindungen zum Süden kappen zu wollen. Am Montag hieß es vom südkoreanischen Militär, das Kim-Regime stehe offenbar kurz davor, einige Straßenabschnitte zu sprengen.

Regelmäßig lässt Kim Jong-un zudem ballistische Raketen und andere Waffen testen, obwohl ihm das durch UN-Sanktionen verboten ist. Auch einen siebten Atomtest könnte der Diktator Beobachtern zufolge jederzeit anordnen: Vor wenigen Wochen ließ sich Kim erstmals beim Besuch einer Anlage zur Urananreicherung fotografieren – bislang hatte das Regime die Existenz solcher Einrichtungen meist geleugnet.

Allianz mit Putin gibt Kim Jong-un neues Selbstvertrauen

Kim scheint sich so stark zu fühlen wie lange nicht mehr, was nicht zuletzt an der neuen Nähe zu Russland liegt. Mit Wladimir Putin hat er einen engen Verbündeten an seiner Seite, der sein Regime nicht nur mit Treibstoff, Lebensmitteln und Know-how für sein Waffenprogramm versorgt; Putins Unterstützung für Kim wertet das international isolierte Regime vor allem diplomatisch auf, zudem sicherte der Kreml-Herrscher Kim in einem Sicherheitspakt seine Unterstützung im Kriegsfall zu. Zum Dank schickt Kim offenbar Tausende Soldaten sowie große Mengen an Munition an die Front im Ukraine-Krieg. Man darf sich Kim Jong-un als jemanden vorstellen, der in diesen Tagen vor Kraft kaum laufen kann.

China, Nordkoreas großer Nachbar, schaut dem Treiben in Pjöngjang derweil tatenlos zu. Mit Befriedigung beobachtet man in der chinesischen Regierung, wie Kims Dauerprovokationen die Aufmerksamkeit der USA binden. Das Außenministerium in Peking ruft zwar regelmäßig „alle Beteiligten“ dazu auf, die Lage nicht zu eskalieren. Sanktionen gegen das Kim-Regime trägt Peking allerdings schon länger nicht mehr mit. All das trägt dazu bei, dass Kim vor Selbstbewusstsein nur so strotzt. Für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel sind das keine guten Nachrichten.

Rubriklistenbild: © KCNA/AFP