Kim Jong-un eskaliert weiter: Nordkorea will Verbindung zum Süden „vollständig kappen“

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Kim Jong-un will alle Verkehrsverbindungen zum Süden abschneiden. Nordkoreas Diktator sende mit dem Schritt zwei Botschaften, sagt ein Experte.

Der vielleicht einsamste Bahnhof der Welt liegt in Südkorea, nur ein paar hundert Meter entfernt von der Grenze zum Norden. Das Gebäude ist knapp 25 Jahre alt, sieht bei einem Besuch Ende Juli aber aus, als hätte man es erst gestern errichtet. Alles wirkt neu hier, die frisch gewischten Steinböden glänzen, die Toiletten sind makellos sauber.

In der lichtdurchfluteten Bahnhofshalle weist eine Anzeigentafel den Weg zum Bahnsteig, von dem die Züge in Richtung Pjöngjang abfahren. Doch ein Zug hält hier schon lange nicht mehr, zuletzt überquerte im November 2008 ein Güterzug die Grenze zwischen den beiden Ländern, die sich noch immer im Kriegszustand befinden. Der Bahnhof Dorasan ist heute trauriges Symbol für eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt hat: Eigentlich sollte die Schienenverbindung zwischen Süd- und Nordkorea die beiden Staaten nicht nur wirtschaftlich enger zusammenbringen, sondern auch politisch.

Kim Jong-un will Nordkorea „vollständig vom Gebiet Südkoreas trennen“

Momentan aber ist das so unwahrscheinlich wie lange nicht mehr. Ende 2023 erteilte Nordkoreas Diktator Kim Jong-un einer Wiedervereinigung eine Absage, den südlichen Nachbarn bezeichnete er in einer Rede vor dem Abnickparlament des Landes als „Hauptfeind“. Nun ließ er via Staatsmedien verkünden, die Grenze zum Süden vollständig abriegeln zu wollen. Es ist der vorläufige Höhepunkt in einer Eskalationskette, die kein Ende zu finden scheint.

Wie die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Mittwoch schreibt, habe der Generalstab der nordkoreanischen Armee entschieden, das eigene Staatsgebiet „vollständig vom Gebiet Südkoreas zu trennen“. Noch am selben Tag werde man Straßen- und Schienenverbindungen Richtung Süden „vollständig kappen und die betreffenden Gebiete auf unserer Seite mit starken Verteidigungsstrukturen befestigen“. Begründet wird der drastische Schritt mit der „ständigen Verschärfung der Kriegsgefahr im Gebiet entlang der Südgrenze Nordkoreas“. Der Generalstab habe am Morgen die im Süden der Grenze stationierten US-Truppen über die Maßnahmen informiert, um „Fehleinschätzungen“ vorzubeugen, heißt es in der Meldung weiter.

„Nordkorea bringt seinen Unmut über die antagonistische Politik Seouls zum Ausdruck“

Der Nordkorea-Experte Ramon Pacheco Pardo vom Londoner King‘s College glaubt, dass das Kim-Regime mit der erneuten Eskalation zwei Botschaften senden wolle. „Zunächst, dass der Norden ein vom Süden getrenntes Land ist und nicht die Absicht hat, sich um Versöhnung und friedliche Wiedervereinigung zu bemühen“, sagte er zu IPPEN.MEDIA. Zudem richte sich das Regime direkt an die Regierung um Südkoreas Präsidenten Yoon Suk-yeol: „Pjöngjang bringt so seinen Unmut über die seiner Meinung nach antagonistische Politik Seouls zum Ausdruck.“

Kim Jong-un und mehrere Soldaten
Kim Jong-un bei der Inspektion einer Ausbildungsbasis der Spezialeinheiten der Koreanischen Volksarmee im Westen des Landes Anfang Oktober. © KCNA/AFP

Yoon hat seit seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren den Ton gegenüber dem Norden deutlich verschärft und die Zusammenarbeit mit den USA und anderen Verbündeten gestärkt. So ist seit August auch Deutschland an der Überwachung der Grenze zwischen den beiden koreanischen Staaten beteiligt. Gleichzeitig provoziert Nordkorea seit Monaten mit immer neuen Raketentests, zudem verlegte das Militär des Landes Zehntausende Landminen entlang des Grenzgebiets und schickt seit Monaten Müllballons in Richtung Süden. Sollten „feindliche Kräfte“ Nordkorea angreifen, werde sein Land mit Atomwaffen zurückschlagen, erklärte Kim Ende letzter Woche.

Frieden auf der koreanischen Halbinsel rückt in weite Ferne

Ob das nordkoreanische Regime wie angekündigt schon am Mittwoch mit den Arbeiten im Grenzgebiet begonnen hat, war zunächst unklar. Das südkoreanische Militär erklärte am Morgen, man habe noch keine ungewöhnlichen Aktivitäten entlang der Grenze feststellen können. „Unser Militär wird keine Aktion Nordkoreas übersehen, die darauf abzielt, den Status quo einseitig zu verändern, und wir warnen deutlich davor, dass die Verantwortung für alle daraus resultierenden Situationen bei Nordkorea liegt“, teilte der südkoreanische Generalstab mit.

Eine Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel, die nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei Staaten geteilt wurde, erscheint derzeit in weiter Ferne. In einem hochsymbolischen Akt ließ Kim Jong-un Anfang des Jahres ein Wiedervereinigungs-Monument in der Hauptstadt Pjöngjang abreißen, und auch im Süden schwindet die Hoffnung auf eine Annäherung an den Norden. So gaben in einer im Juli durchgeführten Umfrage 35 Prozent der befragten Südkoreaner an, eine Wiedervereinigung mit dem Norden sei „nicht notwendig“. Es war der höchste Wert seit Beginn der regelmäßigen Umfragen im Jahr 2007. Vom Bahnhof Dorasan dürfte wohl noch lange Zeit kein Zug in Richtung Pjöngjang abfahren.

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