Trotz Trump-Zölle gibt es Lichtblicke für die Wirtschaft: „Kann eigentlich nur noch bergauf gehen“
Aktien aus Europa haben angesichts der galoppierenden US-Börsen einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, sagt Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte & Strategie bei der Deka-Bank. Er rät jetzt zu heimischen Wertpapieren.
Herr Schallmayer, US-Präsident Donald Trump droht auch den Europäern weiter mit Zöllen, die Börsenkurse in Europa steigen trotzdem. Wie passt das zusammen?
Die Zolldrohungen sind bisher weitgehend bekannt und eingepreist. Gleichzeitig hat Donald Trump eine hervorragende US-Konjunktur geerbt. Das stützt die Kurse an den Börsen, auch außerhalb der USA. Die Zölle stellen immer ein potenzielles Aufregerthema dar. Der Markt geht dennoch schnell zum Alltagsgeschäft über.
Trumps Zölle auf alle EU-Waren wären Belastung für beide Wirtschaftsräume
Würde das auch so bleiben, wenn tatsächlich hohe US-Zölle auf alle EU-Waren auf uns zukommen würden?
Dann wäre die Marktreaktion vermutlich heftiger, denn flächendeckende Zölle sind eine Belastung für beide Wirtschaftsräume. Das ist jedoch Theorie. Bisher hat Trump immer zurückgezogen und einen Deal gesucht und auch die zuletzt getätigten Aussagen sprechen für punktuelle Zölle. Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung. Insgesamt ist das Umfeld für Aktien aus Europa gar nicht so schlecht.

Weshalb?
Die Weltkonjunktur läuft, was Europas Exporteuren hilft. Und die EZB hat die Zinsen gerade gesenkt und wird es wohl noch zweimal tun. Gleichzeitig war gerade die Stimmung in Deutschland lange so schlecht, dass globale Investoren einen Bogen um Aktien aus Deutschland und Europa gemacht haben. Es kann wirtschaftlich eigentlich nur noch bergauf gehen. Das ist dann ein guter Mix für steigende Kurse.
Wirklich?
Ja. Und auch beim Blick in die USA kommen im Moment auch Zweifel an den großen US-Techriesen auf. Deren Kurse sind enorm hoch, die Aktien teuer, gleichzeitig setzt China die Branche mit KI-Programmen wie DeepSeek unter Druck. Deshalb werden einige Investoren nach Alternativen suchen und sich breiter aufstellen. Das bringt Europa zurück ins Spiel, das lange unter dem Radar flog. Hier sind die Aktien noch relativ günstig und es gibt schöne Dividenden.
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Europas Industrie kann in einigen Bereichen punkten
Naja, die Autobauer und Chemiekonzerne im Dax haben ihre Dividenden zusammengestrichen.
Dafür haben viele andere Firmen wie Telekom, Allianz, die Deutsche Bank oder Fresenius ihre Dividenden erhöht. Unter dem Strich sind wir mit 52,2 Milliarden an Dividenden im Dax nicht weit vom letztjährigen Allzeithoch von 55 Milliarden entfernt.
Und was ist mit der Dominanz alter Industrien auf dem Kontinent?
Was die Wirtschaftsstruktur angeht, hat Europa viel mehr zu bieten, als man gemeinhin denkt. Klar gibt es die alten Industrien, doch die sollte man nicht abschreiben. Daneben ist Europa aber auch bei Zukunftsthemen wie Pharma und Medizin, Konsum oder Elektrifizierung stark. Schauen Sie nur in die großen Indizes: da sind Firmen wie SAP, Siemens, ASML, Allianz, LVMH, Sanofi, Schneider Electric und so weiter. Auch bei nachhaltiger Industrie ist Europa spitze.
Interessiert das angesichts des Rechtsrucks in den USA und in Europa noch?
Natürlich, das Thema wird trotz des US-Präsidenten eine gute Zukunft haben – auch, wenn man dann vielleicht in den USA nicht mehr davon spricht, Ressourcen und CO₂ einzusparen, sondern Kosten, Material und Energie. Unter dem Strich ist das das Gleiche. Kosten- und Energieeffizienz wird etwa bei den vielen Rechenzentren eine große Rolle spielen, die in den USA gebaut werden. Da kommt man an den Europäern als Technologielieferanten nicht vorbei.
„Die Bewertungsschere ist groß“ – lohnen sich Europa-Aktien mehr?
Welche Branchen und Länder finden Sie in Europa noch interessant?
Insgesamt sind Nebenwerte sehr aussichtsreich, weil sie unterbewertet sind. Der deutsche MDax hat in den vergangenen drei Jahren etwa 20 Prozent Minus gemacht, der Dax in der gleichen Zeit 40 Prozent Plus. Das liegt zum einen daran, dass ihr Geschäft nicht ganz so global ist wie das der Dax-Konzerne und sie deswegen mehr unter der deutschen Wirtschaftskrise litten. Dennoch: Ihre Gewinne sind heute deutlich höher als vor der Corona-Pandemie, die Aktienkurse sind es aber nicht. Zum anderen sind kleinere Unternehmen mehr auf Kredite angewiesen, weshalb sie die Zinserhöhungen der Vergangenheit mit größeren Kosten verbunden haben. Mit den wieder sinkenden Zinsen lässt der Druck jetzt nach.
Sie raten also dazu, jetzt lieber Europa-Aktien und Nebenwerte als US-Aktien und Techriesen zu kaufen?
Aus unserer Sicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt, antizyklisch einzusteigen. Die Bewertungsschere ist groß, der Nachholbedarf bei europäischen Aktien und dort vor allem bei Nebenwerten hoch. Wann genau die Stimmung dreht, ist schwer zu sagen. Bisher fehlt noch ein finaler Auslöser. Viel braucht es dafür nicht. Somit sollten Anlegerinnen und Anleger darüber nachdenken, die Positionierung in den USA und dort insbesondere in den schwergewichtigen Technologietiteln etwas zu reduzieren und im Gegenzug Positionen in europäischen Aktien aufzubauen.