Frühstart-Rente: Verstecktes Potenzial für Millionen – aber ein großer Haken bleibt
Die Frühstart-Rente soll die private Altersvorsorge stärken und damit Millionen Menschen im Alter entlasten. Eine Analyse sieht weiteres Potenzial.
Berlin – Die sogenannte Frühstart-Rente soll die private Altersvorsorge stärken und als weitere Säule neben der angeschlagenen gesetzlichen Rente festigen. Neben diesem „offensichtlichen Potenzial für eine Stabilisierung der Rentenaussichten ergeben sich aus dem Ansatz versteckte Chancen“, heißt es nun in einer neuen Analyse des Zentrums für neue Sozialpolitik. Doch der Thinktank formuliert eine Einschränkung: „Vorausgesetzt, er wird konsequent weitergedacht.“
Renten-Plan adressiert zwei Probleme der Altersvorsorge
Bei der Frühstart-Rente wollen CDU, CSU und SPD für jedes Kind vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr, das eine Schule besucht, pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot einzahlen. Ab dem 18. Lebensjahr können die Sparer dann privat in das Depot einzahlen – bis zu einem jährlichen, noch zu definierenden Höchstbetrag. Bis zum Rentenbeginn sollen die Erträge des Depots steuerfrei sein. Eine Auszahlung ist erst bei Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze möglich.
Die Frühstart-Rente adressiere damit zwei Realitäten der Altersvorsorge, erklären die Fachleute des Zentrums für neue Sozialpolitik. Einerseits werde die bestehende Rentenlücke mit der gesetzlichen Rentenversicherung allein nicht zu schließen sein. Damit seien Bürgerinnen und Bürger zunehmend gefordert, sich ergänzend für das Alter abzusichern, wobei bestehende staatlich geförderte Produkte wie die Rürup- und Riester-Rente helfen sollen – aber deutlich in der Kritik stehen. Dazu „gelten langfristige und regelmäßige Kapitalmarktinvestitionen als sinnvolle Ergänzung staatlicher Rentenleistungen, da sie diversifiziert angelegt höhere Renditechancen erzielen als klassische Sparprodukte wie Tagesgeld oder Festgeld“, heißt es in der Analyse.
Frühstart-Rente birgt „wichtiges Potenzial“: Mehr Finanzbildung für junge Menschen
Das Zentrum für neue Sozialpolitik sieht „ein wichtiges Potenzial“ der Frühstart-Rente jedoch an anderer Stelle: „Als kapitalmarktgestütztes Instrument soll sie jungen Menschen möglichst früh den Wert des Sparens vermitteln und Berührungsängste vor den Kapitalmärkten abbauen.“ Durch das Rentenvorsorgedepot könnten die Jugendlichen also an die Optionen zur Geldanlage herangeführt werden.
Die Fachleute kritisieren gleichzeitig, dass die bisherige Ausgestaltung der Rentenvorsorge an dieser Stelle zu kurz greife. „In ihrer aktuellen Form enthält sie keine expliziten Finanzbildungskomponenten“, heißt es in der Analyse. Und das, „obwohl Staaten wie Österreich schon länger über nationale Rahmenwerke mit ganzheitlich gedachten Finanzbildungsstrategien voranschreiten und demonstrieren, wie sinnvoll ein solches Vorgehen ist“. In Deutschland lasse eine bundesweite Bildungsstrategie „noch auf sich warten“.
Um den Lerneffekt zu begünstigen, könnte die Bundesregierung laut der Denkfabrik größere Entscheidungsspielräume bei der Verwaltung und Verwendung schaffen. Das sei besonders effektiv, wenn es in Phasen zutreffe, wenn Menschen unmittelbar mit finanziellen Entscheidungen konfrontiert sind. Im Rahmen der Frühstart-Rente könnte das laut der Analyse bei der Übertragung der staatlich geförderten Geldanlage an junge Erwachsene zur Volljährigkeit passieren.
Renten-Plan kann für mehr soziale Teilhabe am Finanzmarkt sorgen
Dann gestehen die Fachleute der Frühstart-Rente das Potenzial zu, für mehr Teilhabe benachteiligter Gruppen zu sorgen, wenn sie auf diese ausgerichtet wird. Denn Defizite in der Finanzbildung seien auch ein Ausdruck sozialer Ungleichheit. Wohlhabendere Haushalte investierten regelmäßig am Kapitalmarkt, anderen blieben „diese Chancen oft verschlossen“, heißt es.
Dabei stellt das Zentrum jedoch in Frage, ob der von der Regierung um Friedrich Merz geplante Zuschuss von monatlich zehn Euro ausreiche, um die finanzielle Teilhabe sicherzustellen. „Um auch jene Gruppen nachhaltig zu erreichen, die keinen intuitiven Zugang zu Kapitalmarktinvestitionen haben, bedarf es einer genauen Überprüfung der Höhe der Förderung“, so die Empfehlung. „Die Frühstart-Rente schafft beispielsweise keinen Ausgleich für ungleiche Startbedingungen“, lautet das bisherige Urteil. Es gelte zu klären, wie verhindert werden kann, dass sich bestehende Ungleichheiten weiter verstärken und auch Wohlhabende von Mitnahmeeffekten profitieren.
Wirkung des Vorsorgedepots für Ausgleich der geringen gesetzlichen Rente fraglich
Zuvor hat es von anderer Stelle Kritik an der Wirkung der Frühstart-Rente gegeben. „Die Wirkung ist aufgrund der Größenordnung des individuellen Sparbetrags für Versicherte sehr bescheiden“, hatte etwa Anja Piel, Vorständin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) erklärt. „Bei zehn Euro Monatsbeitrag kommt selbst bei 60 Jahren Ansparen bestenfalls eine Rente von rund 30 Euro brutto heraus.“ Damit wäre es kein ausreichender Ausgleich zu einer geringen gesetzlichen Rente.