Vertrauensfrage, Haushalt, Neuwahlen: Wie es nach dem Ampel-Knall weitergeht
Die Ampel-Koalition hat so gut wie ausgedient, Kanzler Scholz will die Vertrauensfrage stellen. Was sind die Folgen und wie geht es nun weiter?
Berlin – Die zerstrittene Ampel-Koalition ist am Ende. Nach einem dramatischen Treffen der Koalitionsspitzen am Mittwochabend (6. November) entlässt Kanzler Olaf Scholz (SPD) Finanzminister Christian Lindner (FDP). Hintergrund ist ein erbitterter Streit um die Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Im März soll es nun zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Mehr dazu lesen Sie in unserem Live-Ticker.
Scholz rechnete am Abend in fast beispielloser Art mit Lindner ab. Es gebe keine Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit. Er habe Angebote für ein Paket gemacht, um den Standort zu stärken und den Haushalt 2025 zu beschließen. Lindner habe die Vorschläge abgelehnt. Den FDP-Chef bezeichnet er als „kleinkariert“. Er und die FDP habe zu oft sein „Vertrauen gebrochen“ und habe nur seine Klientel im Blick, sagte der Kanzler. Die ganze Scholz-Rede im Wortlaut finden Sie hier.
Vertrauensfrage und Neuwahlen – der Scholz-Plan nach dem Ampel-Aus
Scholz will wichtige Gesetze, die keinen Aufschub dulden, noch bis Jahresende zur Abstimmung im Bundestag stellen. Er nannte etwa den Abbau der sogenannten kalten Progression, damit die Bürger mehr Netto vom Brutto hätten, die Stabilisierung der Rente sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie. Er werde das Gespräch mit CDU-Chef Friedrich Merz suchen.
Am 15. Januar will Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellen – in der Erwartung, dass das Parlament ihm gerade nicht das Vertrauen ausspricht, er also keine Mehrheit bekommt. In diesem Fall kann der Kanzler den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Scholz sagte, der Bundestag könne den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimachen. Diese könnten spätestens Ende März stattfinden.

Die große Frage ist nun, was aus dem Bundeshaushalt 2025 passiert. Dafür gibt es keine Ampel-Mehrheit mehr. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Union von CDU und CSU nun den verbliebenen Regierungsparteien SPD und Grüne zu einer Mehrheit verhilft. Wird kein Haushalt beschlossen, würde ab Januar eine sogenannte vorläufige Haushaltsführung gelten. Dann sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. In der Praxis kann das Finanzministerium den Ministerien aber bewilligen, pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs zu nutzen.
Ende der Ampel-Koalition: Was sind die Gründe für das Aus?
Lindner schlug in einem Papier zu einer „Wirtschaftswende“ eine zum Teil völlige Neuausrichtung der Wirtschafts- und Klimapolitik vor. In dem Papier wird etwa als Sofortmaßnahme die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener gefordert, ein sofortiger Stopp aller neuen Regulierungen sowie ein Kurswechsel in der Klimapolitik. Nationale Klimaziele sollten durch europäische ersetzt werden. Das stieß auf zum Teil erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen.
Meine news
Scholz sagte, Lindner habe ultimativ und öffentlich eine grundlegend andere Politik gefordert – eine milliardenschwere Steuersenkung für wenige Spitzenverdiener und zugleich Rentenkürzungen für alle Rentnerinnen und Rentner. „Das ist nicht anständig“, sagte der Kanzler.
Umstritten war ebenso, wie Milliardenlücken im Haushalt 2025 geschlossen werden sollen. Scholz schlug mit Blick auch auf die Folgen des Ukraine-Kriegs eine Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse vor. Die FDP lehnte das ab.
Was bedeutet das Ampel-Aus für Deutschlands Rolle in der Welt?
Der Sieg von Donald Trump bei der US-Wahl bedeutet enorme Herausforderungen für Deutschland und Europa – zum Beispiel in Fragen der Sicherheitspolitik, der Handelspolitik und der Klimapolitik. Dramatisch könnte es bei der westlichen Unterstützung der Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg werden. Gerade in dieser wichtigen Phase fällt Deutschland als „Stabilitätsanker“ aus. Auch vor dem Hintergrund der weltpolitischen Krisen hatte Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) gewarnt: „Dies ist die schlechteste Zeit, dass die Regierung scheitert.“
Der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, schrieb auf der Plattform X vom vielleicht schwierigsten Moment in der Geschichte der Bundesrepublik. „Zur inneren Strukturkrise kommen nun massive außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen, auf die wir nicht vorbereitet sind.“ Deutschland müsse kurzfristig massiv in europäische Verteidigungskapazitäten investieren und mit Frankreich und anderen willigen Partnern vorangehen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat bereits mehr Geld für die Bundeswehr gefordert und verweist auf die schnelle Aufrüstung Russlands unter Wladimir Putin. „Die russische Industrie produziert in drei Monaten mehr Waffen und Munition als die gesamte Europäische Union in einem Jahr. Und wir müssen damit rechnen, dass Putin willens und bereit ist, seine Streitkräfte auch zu nutzen“, sagte Pistorius der dpa.
Was bedeutet das Ende der Ampel-Koalition für die Wirtschaft?
Das Ampel-Aus ist auch ein Rückschlag für die deutsche Wirtschaft. Für 2024 wird das zweite Rezessionsjahr in Folge erwartet. Deutschland hinkt anderen großen Wirtschaftsnationen hinterher. Bei Unternehmen und auch privaten Haushalten herrscht Unsicherheit. Firmen halten sich mit Investitionen zurück, Bürgerinnen und Bürger legen ihr Geld auf die hohe Kante. Das dürfte sich nun erst einmal nicht ändern.
Wirtschaftsverbände hatten die Ampel zu umfassenden Reformen aufgefordert - und zwar schnell. Die wichtigsten Punkte: die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise müssten sinken, Bürokratie abgebaut und die teils marode Infrastruktur auf Vordermann gebracht werden.
Nach dem Scheitern der Ampel droht eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Auch im kommenden Jahr könnte die Konjunktur nicht in Fahrt kommen. Alles keine guten Aussichten. (nak/dpa)