Schlachtfeld 2.0: Wie Kiew im Ukraine-Krieg menschliche Soldaten durch Roboter ersetzt
Die Ukraine kündigt eine neue Offensive gegen Putin an: Tausende Drohnen sollen in diesem Jahr Russen aus ihren Stellungen jagen – mit cleveren Ideen.
Kiew – „Sie blieben im Schlamm stecken und konnten sich vor Drohnen nicht verstecken. Die Roboterhunde der Ukraine versagten schnell – und die nächste Welle von Maschinen steht bereits bevor“, schreibt Jewhenija Martynjuk. Die Autorin der Euromaidan Press zielt darauf ab, humanoide Roboter gegen Wladimir Putins Invasionsarmee einzusetzen – für den Ukraine-Krieg sei das nur ein „Hype“. Nichtsdestotrotz feilen die Verteidiger weiter an einer Roboter-Armee.
„Die ausschließlich aus Robotern bestehende Angriffstruppe der Ukraine hat gerade ihre erste Schlacht gewonnen“, titelte das Magazin Forbes Ende vergangenen Jahres. Eine Brigade der ukrainischen Nationalgarde hatte wohl einen Angriff „orchestriert“, wie Forbes-Autor David Axe geschrieben hat. Im Bezirk Charkiw sollen dazu sowohl fliegende als auch bodengestützte Roboter eingesetzt worden sein, um russische Stellungen auszuheben.
Ukraine-Krieg: Verteidiger planen, im Verlauf dieses Jahres 15.000 Kampfroboter an der Front einzusetzen
Offenbar soll dieser vermeintliche Erfolg ausgebaut werden; laut dem ukrainischen Medium Economichna Prawda plane die Ukraine im Verlauf dieses Jahres, 15.000 Kampfroboter an der Front einzusetzen – das Magazin beruft sich auf Gleb Kanevsky, den Direktor der Beschaffungsabteilung des Verteidigungsministeriums. „Eines Tages wird dieses Ereignis als eine der ersten vollständig robotergestützten Operationen in die Geschichte eingehen“, schreibt die Economichna Prawda über den robotergestützen Angriff im Dezember. John Allen spricht davon, dass „der Hyperkrieg kommen wird“. In einem Interview mit dem Italian Institute for International Political Studies (ISPI) sagte der US-General und politische Analyst, dieser werde „ein Krieg mit einer Geschwindigkeit sein, die wir Menschen uns nicht mehr vorstellen können“.
„Selbst im zivilen Kontext ist die autonome Bodennavigation noch immer ungelöst; selbstfahrende Autos kämpfen trotz jahrelanger Investitionen und definierter Verkehrsregeln immer noch mit Grenzfällen auf asphaltierten Straßen.“
Wie die Economichna Prawda berichtet, hätte Kanevskyi verkündet, dass die Ukraine im zweiten Halbjahr 2024 Unmanned Ground Vehicles (UGV), also Bodendrohnen, im Wert von 2,5 Millionen US-Dollar bestellt habe. Im ersten Quartal dieses Jahres soll der Wert der Einkäufe 150 Millionen US-Dollar betragen haben – eine hundertfache Steigerung. Offenbar soll die Robotisierung der Ukraine von der Gesamtgesellschaft getragen werden, wie die Economichna Prawda andeutet – die Entwicklung dieses neuen Waffentyps solle auf allen Ebenen stattfinden: „im Kampfeinsatz, in Werkstätten an der Front, in Werkstätten von Rüstungsunternehmen, in Freiwilligenzentralen und in Regierungsbüros. Das Hauptziel besteht darin, Menschen in den gefährlichsten Bereichen der Front durch Roboter zu ersetzen.“
Für die Zukunft arbeite die Ukraine an einem Schlachtfeld, in dem ein Mensch mehrere Bodenroboter steuere – ähnlich den Piloten, die auch First-Person-View-Drohnen mit Schwarmfähigkeiten steuern könnten, schreibt dazu die Euromaidan Press und beruft sich auf Kateryna Bondar. Die Analystin des Thinktanks Center for Strategic and International Studies (CSIS) äußerte sich gegenüber dem Medium aber dahingehend, dass die Entwicklung selbst in einem Umfeld mit hohem Innovationsdruck noch Jahre dauern werde. Die Roboterhunde sind ein Beispiel dafür, wie wenig entwickelt die militärische Robotik noch zu sein scheint.
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Erste Roboter-Offensive gefloppt: ein nettes Spielzeug, aber an vorderster Front noch nicht im Einsatz
Die Roboterhunde waren in der zweiten Jahreshälfte 2024 eingeführt worden, um aufzuklären beziehungsweise kleinere Transporte zu übernehmen, beispielsweise von Medikamenten oder Drohnen – dazu wurden sie ferngesteuert und konnten ähnliche Bewegungen wie Hunde ausführen. „Sie sind ein nettes Spielzeug, aber an vorderster Front noch nicht im Einsatz“, zitiert die Euromaidan Press Kateryna Bondar – ihr zufolge sei beanstandet worden, dass sich die Roboter kaum über gepflügte Felder fortbewegen könnten, dass Schlamm ein Hindernis für sie darstelle und ihnen keine Fähigkeit zu eigen sei, sich zu verstecken, wie Bondar ausführte.
Das kann auch keines von den ansonsten präsentierten Modellen – diese rollen entweder auf Rädern oder rasseln auf Ketten. Forbes-Autor David Hambling verweist auf das ukrainische Technologie-Cluster Brave1, das aktuell ungefähr 70 verschiedene Typen an Bodendrohnen testen soll. Demzufolge würden jede Woche neue Modelle präsentiert, der Optimismus hinsichtlich der Militärrobotik soll groß sein, schreibt Hambling.
Sie sind kleiner, günstiger und unsichtbarer als andere Fahrzeuge. Darin jedenfalls sieht Jack Watling deren großen Vorteil, wie ihn Foreign Policy zitiert: „Wenn Sie durch eine Bresche vorrücken und feindliche Geschützstellungen versteckt sind, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Ihre Panzer ausschalten“, sagte der Experte für Landkriegsführung am Londoner Thinktank Royal United Services Institute (RUSI). „Wenn die UGV aber voranmarschierten und die Panzer dahinter, könne der Feind von den UGV entdeckt werden – er könne gleich von den UGV zerstört werden. Aber wenn der Feind die UGV angriffe, würde der seine Position verraten und wiederum von den Panzern zerstört werden.“
Roboter als Hilfe gegen Russland? Offenbar herrscht unter der kämpfenden Truppe noch Misstrauen
Der taktische Nutzen dieser Roboter sei somit von unschätzbarem Wert. Die Ukraine arbeitet fieberhaft daran, mit technischen Innovationen Russlands schier unermessliche Personalstärke sowie dessen Feuerkraft auszugleichen. Deshalb erhofft sich die Ukraine durch die Robotisierung einen möglichst umfassenden Ersatz menschlicher Kräfte an der Front.
Das sei auf absehbare Zeit allerdings Wunschdenken, argumentiert David Kirichenko. Für den US-Thinktank Atlantic Council hat der wissenschaftliche Mitarbeiter der britischen Henry Jackson Society den Stand der Entwicklung festgehalten. Kirichenko sieht bis auf Weiteres den Entwicklungsschwerpunkt weniger auf Kampf- als auf Logistikaufgaben. Zwar tauchen auf Bildern häufig die an Spielzeugpanzer erinnernden Bodenroboter mit Maschinenwaffen auf, in der Regel aber legen und räumen Roboter Minen oder transportieren Munition, allgemeine Versorgungsgüter oder Verwundete zwischen der Etappe und der Front.
„Der Hin- und Rückweg ist eine extrem riskante Mission“, sagt Bondar. „Ein UGV, das 60 Kilogramm tragen kann, kann eine Truppenposition vier bis fünf Tage lang versorgen. Das ist sehr effizient“, sagt Kateryna Bondar gegenüber dem Magazin Forbes. Ihrer Erfahrung nach sei aber auch der Verwundeten-Transport via Roboter momentan noch das letzte Mittel der Wahl; offenbar herrscht unter der kämpfenden Truppe noch Misstrauen – was, wenn der Roboter unterwegs liegenbliebe?
Gut gegen Putin? „Bedenken, dass die Roboterarmeen das Konfliktpotenzial dramatisch erhöhen könnten“
Für den Fall, dass sich das Gewicht auf die Entwicklung reiner Kampfmaschinen verlagert, und sollte deren Einsatzreife schon in diesem Krieg erreicht sein, äußert Kirichenko „Bedenken, dass die auf den ukrainischen Schlachtfeldern entstehenden Roboterarmeen die Tötungsschwelle senken und das Konfliktpotenzial dramatisch erhöhen könnten“ – was wie Zukunftsmusik anmutet, steckt aber schon in ersten spielerischen Ansätzen: IEEE Spectrum berichtet aktuell von einem ukrainischen Start-up, dass wohl schon daran tüftelt, mit einer einzigen „Spiele-Konsole“ Schwärme von Bodendrohnen steuern zu können, wie das Technologie-Magazin für Ingenieure schreibt.
Zum einen soll die Entwicklung ermöglichen, mit weniger Personal mehr Drohnen zu steuern, zum anderen sollen die verbliebenen Piloten von einem weiteren Abstand zur Front aus operieren können. „Jede einzelne Drohne benötigt einen Bediener, kompliziertere Drohnen benötigen zwei oder drei Bediener, und so viele Leute haben wir nicht“, sagte Serhii Kupriienko, wie ihn IEEE Spectrum zitiert. Der Geschäftsführer des Start-ups Swarmer „möchte Technologien entwickeln, mit denen Drohnengruppen als ein selbstkoordinierter Schwarm operieren können“ so das Magazin. Laut EEE Spectrum laboriert das Start-up Ark Robotics an einer einheitlichen Schnittstelle für Flug- und Bodendrohnen verschiedener Hersteller. Von Künstlicher Intelligenz ganz zu schweigen.
Auch das ist noch in weiter Ferne, wie Forbes Kateryna Bondar zitiert: „Selbst im zivilen Kontext ist die autonome Bodennavigation noch immer ungelöst; selbstfahrende Autos kämpfen trotz jahrelanger Investitionen und definierter Verkehrsregeln immer noch mit Grenzfällen auf asphaltierten Straßen.“