Kommt die Wehrpflicht zurück? Union und SPD uneins über mögliches Modell

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Nach der Bundestagswahl sieht sich eine neue Regierung mit schwierigen Aufgaben konfrontiert. Braucht Deutschland eine Wehrpflicht, um sich zu verteidigen?

Berlin – Die mögliche nächste Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD hat sich in ihrem Koalitionsvertrag nicht auf die Wiedereinführung einer Wehrpflicht geeinigt. Stattdessen soll, wie es im Papier heißt, auf einen „neuen, attraktiven Wehrdienst“ gesetzt werden, der „zunächst auf Freiwilligkeit basiert“

Doch damit ist die Diskussion über die Rückkehr eines verpflichtenden Dienstes in der Bundeswehr noch nicht vom Tisch. Allerdings scheint zwischen Mitgliedern der Union und der SPD Uneinigkeit darüber zu herrschen, ob man junge Menschen wieder zum Wehrdienst einziehen soll.

CDU-Politiker Wadephul fordert Rückkehr zur Wehrpflicht bei der Bundeswehr

Der Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU) äußerte sich in der Debatte um eine Reaktivierung der Wehrpflicht gegenüber dem Tagesspiegel. „Die Union hätte eine sofortige Wehrpflicht befürwortet, weil wir in vier Jahren mindestens 100.000 Personen mehr militärisch ausgebildet haben müssen“, erklärte Wadephul der Zeitung. Man setze nun zwar auf ein Modell der Freiwilligkeit, müsse aber im Laufe der Legislaturperiode bewerten, ob eine Rückkehr zu einem verpflichtenden Wehrdienst möglicherweise notwendig sei.

Die Notwendigkeit eines Pflichtmodells sei laut Wadephul vor allem vor dem Hintergrund eines möglichen russischen Angriffs auf die Nato bereits 2029 notwendig. Dieses Szenario hatte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, zuletzt aufgemacht. „Der Generalinspekteur hat sicher recht“, erklärte Wadephul gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Freitag (18. April). In den Koalitionsverhandlungen habe die Union der SPD vorgeschlagen, die Wehrpflicht wieder einzuführen. „Dazu waren die Sozialdemokraten nicht bereit.“

Die Bundeswehr habe dabei laut dem CDU-Politiker einiges zu bieten. „Vom Führerschein über berufliche Qualifikationen bis zur Schulung der eigenen Führungsfähigkeit“, biete das Militär eine Vielzahl möglicher Vorteile für junge Menschen, sagte Wadephul im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

SPD-Chef Klingbeil stellt sich gegen die Wehrpflicht – Sozialdemokrat setzt auf Freiwilligkeit

Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sprach sich der SPD-Chef Lars Klingbeil zuletzt allerdings gegen die Wiedereinführung einer Wehrpflicht aus. Er sei sich sicher, dass über den „neuen attraktiven Wehrdienst“ genügend Freiwillige gefunden werden können. Dazu müsse allerdings die Attraktivität der Bundeswehr für junge Menschen gesteigert werden. „Es ist unsere Aufgabe, die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen, unsere Soldatinnen und Soldaten gut auszustatten mit moderner Ausrüstung und der Truppe die öffentliche Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdient hat“, erklärte Klingbeil.

Unterstützung für die Ablehnung der Wehrpflicht erhält Klingbeil von den Linken. Deren Spitzenkandidat Jan van Aken schrieb dazu zuletzt in einem Beitrag auf X, dass sich zwar viele Menschen um die Sicherheit Europas sorgen würden. Aber: „Die Wehrpflicht ist keine Lösung. Sie ist ungerecht, teuer & ineffizient.“ Für eine „echte Landesverteidigung“ müsse man Auslandseinsätze beenden und ausschließen, so van Aken.

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Droht eine neue Wehrpflicht in Deutschland? Aus der Union kommen Zweifel am Freiwilligen-Modell der neuen Koalition. © IMAGO/JOERAN STEINSIEK

Doch auch der amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) glaubt, dass ein Modell der Freiwilligkeit ausreichen könnte. „Wir gehen davon aus, dass wir mit einem attraktiven Wehrdienst genügend Freiwillige gewinnen werden“, erklärte Pistorius gegenüber dem Spiegel. Auch er wolle jedoch im Nachgang evaluieren, ob nicht doch ein Pflicht-Modell eingeführt werden müsse.

Debatte um Wehrpflicht und Geschlecht – Bundeswehr-Professorin gegen Pflichtdienst für Frauen

Neben der Frage, ob die Wehrpflicht wieder kommt, bleibt ebenfalls zu klären, für wen sie wieder eingeführt werden soll. Laut der Bundeswehr-Professorin Kathrin Groh sollen Frauen weiter davon ausgenommen bleiben. Im Interview mit dem MDR erklärte Groh, dass im Grundgesetz einerseits stehe, dass Männer und Frauen nicht ungleich behandelt werden dürften – allerdings sei dort auch festgehalten, dass Frauen nicht zum „Dienst mit der Waffe verpflichtet werden“ dürfen. „Weil diese beiden Normen aber auf ein und derselben Rechtsebene stehen, nämlich in der Verfassung, kann die eine die andere nicht verletzen“, erklärte Groh weiter. Zudem würden sich „all die Benachteiligungen, denen Frauen eh schon unterliegen“ durch eine Pflicht zum Wehrdienst noch vertiefen.

Anders sieht dies amtierende deutsche Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD). Sie forderte im Interview mit dem Stern vom 15. Juni 2024, dass „ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für alle, Männer wie Frauen“ gebraucht werde. „Der Dienst in der Bundeswehr wäre ein Teil davon“, so Högl. Sie glaube allerdings ebenfalls daran, dass zunächst keine Pflicht für den Dienst in der Bundeswehr eingeführt werden soll. Sollte es jedoch notwendig werden, wäre für die Wehrbeauftragte auch eine Änderung des Grundgesetzes denkbar. Auch die Grünen-Politikerin Katharina Dröge sprach sich gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung für einen Wehrdienst für alle aus. (nhi)

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