Kampf der Terminatoren: Roboter und KI ziehen den Ukraine-Krieg in die Länge

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Bis heute ungewöhnlich: Ein Polizeihund betrachtet eine „Terminator“-Studie während einer Waffen- und Sicherheitsmesse 2018 in Kiew. Das Gefährt erinnert an einen Panzer des Ersten Weltkriegs, der allein auch keinen entscheidenden Einfluss auf dessen Ausgang hatte. Bis heute halten Drohnen der Ukraine Putin lediglich auf Distanz, ohne ihn besiegen zu können (Archivfoto). © Genya Savilov / AFP

Der neuen Angriffswaffe folgt die entsprechende Abwehr – und so fort. Roboter und KI werden in den Krieg ziehen, aber noch lange keinen Sieg bringen.

Kiew – „Als Roboter in Massen auf dem Schlachtfeld auftauchten, machten sie es den Soldaten unmöglich, sich auf dem Schlachtfeld in irgendeiner Weise zu bewegen“, sagte Walerij Saluschnyj. Der ehemalige ukrainische Oberbefehlshaber kritisierte gegenüber der Ukrainska Prawda die aktuell absehbare Automatisierung des Ukraine-Krieges durch Maschinen.

Während der russische Diktator Wladimir Putin auf Wellen menschlicher Leiber setzt, wie beispielsweise durch aktuell in Kursk kämpfende mehr als 10.000 Kräfte aus Nordkorea, versucht die Ukraine ihre knappen Ressourcen an Soldaten durch Roboter zu ersetzen; und demonstriert der Welt, wie das gehen könnte.

Ende vom Ukraine-Krieg: KI und Roboter-Waffen verlängern die Kämpfe

„Die Unfähigkeit, mit Robotern umzugehen, führte dazu, dass eine Betäubung auftrat. Wir konnten uns nicht auf die Russen zubewegen, und die Russen konnten sich dementsprechend nicht auf die gleiche Weise bewegen“, urteilt Saluschnyj – wie aktuell das Magazin Newsweek berichtet. Diese Entwicklung könnte auch die Dauer und das Ende vom Ukraine-Krieg beeinflussen.

„Die Ukraine ist in den letzten Jahren und insbesondere seit Beginn des Krieges zu einer Drohnenmacht geworden“, sagte Ulrike Franke, vom Thinktank European Council on Foreign Relations (ECFR) gegenüber dem ZDF. Und sie ist sich ziemlich sicher: „Es ist wahrscheinlich, dass die Ukraine aus diesem Krieg als wichtiges Drohnenherstellerland hervorgehen wird.“

Ukraine-Krieg als Labor: Ukraine will massiv in Bodenroboter investieren

Die Ukraine verfolgt tatsächlich klare Prioritäten der künftig im eigenen Land zu produzierenden Waffen, sagte jüngst Denys Shmyhal. Vor allem seien das verschiedene Arten von Drohnen, zum Beispiel Bodenrobotersysteme, wie er öffentlich verkündete. „Wir arbeiten weiterhin an einem vollwertigen Raketenprogramm, darunter auch ballistische Raketen. Wir weiten die inländische Produktion aller Arten von Granaten aus. Wir haben sehr bedeutende Produktionsmengen von Artilleriesystemen und verschiedenen gepanzerten Fahrzeugen erreicht. Wir investieren in die Entwicklung elektronischer Kriegsführungsausrüstung.“

„Wie bei allen technologischen Fortschritten gibt es einen Wettlauf zwischen der Perfektionierung der Offensive und dem Aufbau einer besseren Defensive.“

Der Premierminister der Ukraine prophezeite auf dem International Defense Industries Forum am 1. Oktober, dass sein Land daran arbeite, sich bis an die Zähne zu bewaffnen, um eine Wiederholung eines Ukraine-Krieges durch eine hohe Fähigkeit zur Abschreckung bereits im Keim zu ersticken, wie die Regierung auf ihrem Online-Portal schreibt.

„Drohnentechnologie verändert die Kriegsführung in Echtzeit“, kommentiert ebenfalls Wesley Wark. „Wie bei allen technologischen Fortschritten gibt es einen Wettlauf zwischen der Perfektionierung der Offensive und dem Aufbau einer besseren Defensive“, schreibt der Analyst des kanadischen Thinktank Center for International Governance Innovation (CIGI).

Im Sinne dieser These hat Saluschnyj gewarnt, dass die robotergestützte Kriegführung den Krieg eher verlängere, anstatt ihn schnell einer siegreichen Entscheidung zuzuführen. Laut Newsweek prognostiziert er, dass Jahre vergingen, bis ernsthafte Durchbrüche an der Front möglich seien. „Meiner Theorie zufolge wird die Möglichkeit eines Durchbruchs wiederhergestellt sein, wenn dieser technisch-evolutionäre Prozess abgeschlossen ist und anschließend die Ansammlung technologischer Materialien erfolgt“, zitiert ihn Newsweek. Saluschnyj zufolge könne das „irgendwann nach 2027 passieren“.

Lernen für die Zukunft: Die Nato testet die Waffen in Putins Angriffskrieg

Tatsächlich hält sich unter Beobachtern die These, dass der Westen die Ukraine dahingehend unterstützt, den Krieg nicht zu verlieren, anstatt ihn zu gewinnen. Die verschiedenen Schlachtfelder im Ukraine-Krieg gelten für die verschiedenen Akteure als Laborsituation – die Nato und die USA haben die Chance, Kriegsgerät auf seinen realen Gebrauchswert zu testen, bevor sie die Waffen für die ureigenen Interessen einsetzen müssten; und nutzen die Chance, sukzessive auf unbemannte Systeme umzustellen, bevor Wladimir Putin Kraft geschöpft hat für den nächsten Schlag gegen die Welt.

Den westlichen Regierungen sei so dermaßen der Schreck über einen neuen drohenden Weltkrieg in die Glieder gefahren, dass sie, „obwohl sie behaupten, einen ukrainischen Sieg anzustreben, Kiew in Wirklichkeit nur so viel Unterstützung gewähren, dass es nicht unter dem russischen Ansturm zusammenbricht.

Das offensichtliche Ziel sei nicht, Russland auf dem Schlachtfeld zu besiegen, sondern die Ukraine so lange wie nötig zu unterstützen“, schreibt Jakob Grygiel. Der US-amerikanische Professor für Politik unterstellt im Magazin Foreign Affairs, der Westen harre dem Moment, in dem Putin erkenne, dass eine weitere militärische Eskalation kontraproduktiv wäre und den Krieg selbst beende.

Ukraine als Innovator: Roboter wie die Seedrohne Magura V haben weltweit Eindruck gemacht

Roboter wie die Seedrohne Magura V haben bisher mit ihren Erfolgen weltweit Eindruck gemacht und bewiesen, dass Überwasserschiffe künftig ihre Leistung steigern und gleichzeitig in ihren Dimensionen schrumpfen werden. Aber auch maschinengewehrbewehrte Bodendrohnen können die russischen Offensiven kaum stoppen. Vermutlich ebenso wenig, wie die von der Bundesregierung aktuell versprochenen 4.000 Kamikaze-Drohnen, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) aufgerüstet sind. Das sei der „nächste Schritt einer militärischen Revolution in Europa“, begrüßt sie Marco Seliger. Der Autor der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) stellt allerdings klar, dass diese „Revolution“ noch nicht mal eine „Innovation“ darstellt, sondern lediglich eine Optimierung des Bestehenden.

Die KI der versprochenen Drohne enthält so viele Informationen, dass sie ohne eine direkte Funkverbindung ihr vermeintliches Ziel anvisieren kann, allein aufgrund von Daten, die ihr ermöglichen, ihre Koordinaten via Satellitenverbindung selbst zu finden und bestimmte Hausdächer oder Panzerkonturen anhand gespeicherter Informationen zu identifizieren. Laut Seeliger erfolge dies wie bei einem Marschflugkörper wie dem deutschen Taurus, „anhand von einprogrammierten Wegmarken, also typischen Merkmalen der Landschaft, die er über Kameras und andere Sensoren permanent mit dem Boden abgleicht“, wie er in der NZZ schreibt. Der Mensch bleibt dagegen in Sicherheit. Als Freund. Für den Feind wird die Bedrohung um so existenzieller.

Allerdings wäre die KI für eine vergleichsweise günstige und dennoch gefährliche Drohne unnötig, hätte Russland nicht erfolgreich durch Störung von Funk- oder GPS-Signalen die ursprüngliche ukrainische Innovation der funkgesteuerten FPV-Drohnen (First Person View) weitestgehend unbrauchbar gemacht und den Gleichstand auf dem Gefechtsfeld schnurstracks wieder hergestellt. Auf dem Schlachtfeld tobt neben dem Krieg der Sturmgewehre oder Geschützrohe ebenso der Wettlauf der Elektro-Ingenieure und IT-Anwendungsentwickler.

Russlands Krieg entfacht Diskussionen: Laufen jetzt die ersten Trippelschritte in den Cyberkrieg?

Ob der Ukraine-Krieg tatsächlich auf hohem technischen Niveau stagniert oder die ersten Trippelschritte in den Cyberkrieg unternimmt, scheint unter Theoretikern und Technikern umstritten, wie das Magazin Politico im Mai beleuchtet hatte. Im Hinblick auf die „Kosten-Nutzen-Analyse“ sei die Technik ineffizient, habe Franz-Stefan Gady angemerkt. „Keine dieser Plattformen ist derzeit in einem Stadium, in dem sie wirklich in großem Maßstab, konsistent und ohne eine riesige unterstützende Infrastruktur eingesetzt werden können“, so der Analyst des Thinktank International Institute of Strategic Studies (IISS).

Die Betonung liegt auf „derzeit“ – auch der erste Panzer auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs war grundsätzlich kaum zu gebrauchen. Aber ohne den Einsatz von Panzern hätte der Zweite Weltkrieg möglicherweise nie so verheerend ausufern können. Politico erinnert an den Autoren Peter W. Singer, der 2009 mit seinem Buch „Wired for War“ zu analysieren versucht hat, in welchem Tempo sich die Welt zubewegt auf einen Konflikt, den der Hollywood-Streifen „Terminator“ bereits 1984 und der Film „I, Robot“ 2004 weiter gesponnen hat.

Die Politico-Autoren Gian Volpicelli, Veronika Melkozerova und Laura Kayali ziehen Singer heran, weil er die Entwicklung nach mehr als 1.000 Tagen des zermürbenden Hin und Her in der Ukraine vergleicht mit dem Spanischen Bürgerkrieg, „der als Generalprobe für neue Techniken und Technologien vor dem Zweiten Weltkrieg diente. Moderne Panzerkriegsführung und Luftangriffe – wie sie in Pablo Picassos dramatischem Werk Guernica festgehalten sind – wurden wohl im spanischen Schmelztiegel geschmiedet.“

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