Einer gegen alle an Kursk-Front: Roboter „Fury“ schlägt russische Soldaten in die Flucht
Nächste Runde im Roboterkrieg. Ukraine meldet Erfolg durch Bodenroboter: „Fury“ soll Kiews Truppen bereits einen ersten guten Dienst erwiesen haben.
Volfino – „Ein Teil des Feindes wurde vernichtet, der Rest floh“, schrieb die die 1. Abteilung des 8. Spezialregiments der Armee der Ukraine in den sozialen Medien. Die Botschaft wurde abgesetzt als Ergebnis des Einsatzes von „Fury" (zu Deutsch „Wut“). Aktuell berichtet das Magazin Forbes über das Ergebnis, das die Maschinenkanone auf vier Rädern gegen die Invasionstruppen Wladimir Putins gezeitigt hat. Der Roboter sei demnach von mehreren Panzerfäusten und First-Person-View-Drohnen getroffen worden, „aber er hielt durch, schloss die Mission ab und kehrte zur Bergung zurück“, wie seine Bediener meldeten. Der Krieg der Terminatoren geht offenbar in seine nächste Runde.
Fury heißt ein radgestützter Boden-Roboter mit einer Maschinenkanone als Aufbau; den haben Ingenieure wohl innerhalb der vergangenen 30 Monaten auf die Räder gestellt. Also eine Entwicklung, die mit dem Ausbruch des Krieges gegen Russland einherging. Allerdings liegen keine Quellen vor, ob die Ukraine ohnehin daran geforscht hatte oder den in einem rasanten Tempo an die Front geworfen hat. Ende August war der Roboter zuletzt in den Medien aufgetaucht und hat möglicherweise sogar einen Namenswechsel vollzogen in der Zeit, in der sich die Gerüchte über seine Serienreife verdichteten.
Offensive mit „Wut“: Roboter bringt Russland Verluste bei
„Lyut“ war im vergangenen Oktober bereits an die Öffentlichkeit getreten und sollte nach anscheinend erfolgreichen Feldtests unter der Bezeichnung „Rage 2.0“ seiner Feuertaufe entgegenrollen. Als hauptsächlicher Nutzer war die Asow-Brigade genannt worden; sie wollte den Roboter zur Aufklärung und Feuerunterstützung nutzen. Laut der Nachrichtenagentur Ukrainian National News verfügt der Roboter über ein Maschinengewehr, über eine Reichweite von 20 Kilometern, über drei Tage autonomen Betrieb und eine hohe Schutzklasse gegen Beschuss. Jetzt scheint er seinen ersten Fronteinsatz tatsächlich hinter sich zu haben. Offenbar erfolgreich.
„Ein Kampfroboter ist von Natur aus furchteinflößend. Ein Gegner, der weder Schmerz noch Angst empfindet und gegen Schüsse immun ist, ist nicht wie ein Gegner aus Fleisch und Blut.“
Bei Kursk soll er jetzt in einer kombinierten Offensive zusammen mit Sprengkörper-Drohnen und Mörsern „eine kleine Gruppe russischer Soldaten“ in die Flucht geschlagen haben – was sich aber nicht unabhängig überprüfen lässt. Das Gefecht habe stattgefunden im russischen Dorf Volfino, in Grenznähe in der Region Kursk, in das die Ukraine eingedrungen war und wo sie jetzt versucht, das gewonnene Territorium in einer weiteren Offensive auszubauen und dadurch zu sichern.
Der Roboter Rage beziehungsweise Fury ermögliche dem Militär, feindliche Angriffe abzuwehren, während die Bediener oder die Infanterie in Deckung blieben, wie das Magazin Defense Express berichtet. Er könne auch defensiv eingesetzt werden als mobiler Feuerposten, der um Positionen herum manövriert, von mehreren Standorten aus feuert oder als Beobachtungsposten dient. Der Hersteller habe längt Investitionen gesichert, einen staatlichen Auftrag erhalten und die Produktion gesteigert, schreibt das Magazin Defense Express.
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„Entfessle Deine Wut“: Ukraine spendet für kleine Roboter-Armee
Allerdings rollt Fury auch und vor allem mithilfe von Crowfunding: Unter dem Slogan „Entfessle Deine Wut“ sammelt die regierungsnahe Organisation United24 online Spenden, um eine Armee von Fury-Klonen zu mobilisieren. Ein Fury kostet 16.000 US-Dollar, also rund 14.400 Euro. Neben dem Bau eines Fury fließt das Geld in eine Verlosung, in der als erster Preis eine von Präsident Wolodymyr Selenskyj handsignierte ukrainische Flagge winkt.
Größere Summen bedeuten eine größere Belohnung, wie United24 schreibt: „Wer 1.000 Dollar oder mehr spendet, wird zum Fellas Fury Platoon Leader, das heißt, wir machen ein Video, in dem Sie einen virtuellen Roboter bedienen, und schreiben Ihren Namen auf den echten!“ Das Unternehmen schickt sich aktuell an, 160.000 Dollar zu sammeln, um zehn weitere Roboter an die Front zu schicken, wie auf deren X-Kanal (vormals Twitter) nachzuverfolgen ist.
Crowfunding-Offensive gegen Putin: Ukraine sammelt Millionen für den Krieg
„Einen Volkskrieg im digitalen Zeitalter“ nennt das Runar Spansvoll. Der Offizier der norwegischen Armee hat recherchiert, dass nationale wie internationale Einzelpersonen bisher 415 Millionen US-Dollar – umgerechnet 372 Millionen Euro – an die ukrainische Zentralbank gespendet haben. „Dennoch nehmen viele Beiträge einen anderen Weg und umgehen zentralisierte Systeme, wie etwa die offizielle Fundraising-Plattform der Ukraine, United24 (die bis Februar 2024 rund 600 Millionen US-Dollar – 537 Millionen Euro – gesammelt hatte), indem sie direkt an die vorgesehenen Endnutzer gehen“, schreibt der Autor des Royal United Services Institute (RUSI).
Spansvoll zufolge hätten fast 80 Prozent der erwachsenen Ukrainer für die bisherigen Kriegsanstrengungen gespendet. Dementsprechend steigt das Ausmaß der Drohnennutzung. Spansvoll zitiert die RUSI-Autoren Jack Watling und Nick Reynolds, nach denen – zumindest im zweiten Kriegsjahr – zu jedem Zeitpunkt pro zehn Kilometer Front zwischen 25 und 50 UAV (Unmanned Aerial Vehicle) beider Seiten über dem umkämpften Gebiet zwischen der vordersten Linie der eigenen Truppen und der vordersten Linie der feindlichen Truppen operieren“. Spansvoll addiert das zu 2.500 bis 5.000 Drohnen pro 1.000 Kilometer. Allein in der Luft.
„Jahr der Drohnen“: Ukraine will Verluste an Kräften minimieren
Fury beweist, dass dieser Trend am Boden nachziehen könnte. Oder besser: nachziehen wird. Defense Express berichtet, dass die Ukraine allein in diesem Jahr bereits „zehn Typen im Inland produzierter Robotersysteme für den Einsatz in den Streitkräften zugelassen“ habe. Dies wurde vom Pressedienst des ukrainischen Verteidigungsministeriums veröffentlicht. Oleksandr Kamyshin formuliert sogar offensiver: Der Leiter der strategischen Industrien der Ukraine erklärte das Jahr 2024 zum „Jahr der Landsysteme“, da sein Land mehr Drohnen auf das Schlachtfeld schickt, wie das Magazin Defense News berichtet.
Hauptsächlich will die Ukraine ihre Kämpfer nach und nach aus der Front lösen und damit befreien von Aufgaben, die genau so gut oder sogar besser automatisiert erledigt werden können. Der Verwundeten-Transport gehört dazu, Aufklärungsmissionen oder eben Deckungsfeuer.
Topographie günstig: Krieg der Terminatoren in Ukraine denkbar
„Die Topografie in Teilen der Ukraine mit viel flacher und wenig bewachsener Fläche scheint mir, anders als urbanes Gelände, eher günstig für den Einsatz solcher Drohnen“, sagt Frank Sauer. Gegenüber dem Politikwissenschaftler der Universität der Bundeswehr in München mit dem Schwerpunkt Autonome Waffensysteme urteilt das Nachrichtenmagazin Spiegel nüchtern: „Im Grunde sind diese Wagen nichts anderes als ferngesteuerte Modellautos mit einer Kamera.“
Vom Krieg der Terminatoren seien die Armeen noch weit entfernt. Jedenfalls hatte das Johann Frank im Jahr 2020 gegenüber dem österreichischen Standard behauptet: „Es ist aber natürlich ein Unterschied, ob es nur um die Entwicklung von Prototypen geht oder ob man moderne Technologien strukturell in die Organisation integriert hat. Bis ein entwickeltes und getestetes System eingeführt ist, dauert es mindestens zehn bis 15 Jahre“, sagte der Generalmajor vom österreichischen Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement.
Möglicherweise hat sich Sauer da verschätzt. Vielleicht werden aber auch die aktuellen Erfolge der ukrainischen Roboter überschätzt und medial dramatisiert. Forbes-Autor David Axe wägt gleichermaßen ab wie er glorifiziert. Er stilisiert das Kampf-UGV (Unmanned Ground Vehicle) zum modernen Äquivalent des Kriegselefanten in klassischen Armeen, wie er schreibt: „eine seltsame, furchteinflößende Präsenz, die Feinde in die Flucht schlägt, obwohl sie militärisch nur begrenzt wirksam ist. Ein Kampfroboter ist von Natur aus furchteinflößend. Ein Gegner, der weder Schmerz noch Angst empfindet und gegen Schüsse immun ist, ist nicht wie ein Gegner aus Fleisch und Blut.“