Neue Probleme für die Ampel? Bundesverfassungsgericht urteilt über Wahlrechtsreform von 2020
Der Ampel droht die nächste Schlappe: Bundesverfassungsgericht urteilt über Wahlrechtsreform
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlgesetz steht bevor. Ein Urteil könnte auch die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition ins Wanken bringen.
Karlsruhe – Es ist ein wenig paradox: Seit Juni ist eine hochumstrittene Reform des Wahlgesetzes der Ampel-Koalition zur Verkleinerung des Bundestages in Kraft. Aber erst einmal beurteilt das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch (29. November, 10.00 Uhr), ob die Wahlrechtsreform der großen Koalition von Union und SPD von 2020 verfassungsgemäß war. Auch wenn das beklagte Gesetz nicht mehr aktuell ist, kann das heutige Urteil das gültige Gesetz betreffen. Karlsruhe könnte also die Ampel erneut vor Probleme stellen.
Die alte Änderung wirkt sich ohnehin noch aus – der aktuelle Bundestag wurde auf ihrer Grundlage gewählt. Sollte die Bundestagswahl von 2021 in Berlin wiederholt werden, würde das ebenfalls auf Grundlage des damaligen Wahlrechts geschehen. Das Gericht könnte Hinweise dafür liefern, wie klar und wie verständlich ein Wahlgesetz formuliert sein muss – vor allem darum ging es in der Verhandlung im April. Strittig ist außerdem, ob die Reform von 2020 die Chancengleichheit der Parteien verletzte.
Kann das Urteil zum Wahlrecht auch Folgen für die neue Reform haben?
In Berlin wird das Urteil zur Wahlrechtsreform 2020 genau angeschaut werden. Denn möglicherweise schreibt das Gericht ein paar generelle Leitsätze zum Wahlrecht in sein Urteil, die auch Auswirkungen auf die jüngste Reform der Ampel-Koalition haben können. Gegen diese klagen bereits der Freistaat Bayern und die CSU. Auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die Linke haben Klagen angekündigt. Angenommen, Karlsruhe verwirft die neue Reform, dann käme 2025 möglicherweise das alte Wahlrecht zum Tragen.
Bundestag wegen Überhang- und Ausgleichsmandaten zu groß
Das Bundeswahlgesetz legte mit der 2002 begonnenen 15. Wahlperiode die Sollgröße des Bundestags auf 598 Abgeordnete fest. Diese Zahl wurde anfangs noch annähernd eingehalten. Doch von Wahl zu Wahl zogen mehr Abgeordnete ins Reichstagsgebäude ein, 2017 waren es schließlich 709. Verantwortlich für das Anwachsen des Bundestags auf ein XL-Format waren Überhang- und Ausgleichsmandate. Überhangmandate entstanden, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewann, als ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis Sitze zustanden. Diese durfte sie behalten, die anderen Parteien erhielten dafür aber Ausgleichsmandate. Alle Parteien plädierten für eine Verkleinerung, fanden dafür aber keinen gemeinsamen Nenner.

Wie sah die Wahlrechtsreform 2020 aus?
Die Wahlrechtsreform der GroKo bestehend aus CDU/CSU und SPD bestand aus zwei Teilen. Der erste Teil kam schon 2021 zur Anwendung, der zweite Teil sollte erst für die Wahl 2025 gelten. Schon für 2021 wurde festgelegt, dass Überhangmandate einer Partei teilweise mit ihren Listenmandaten in anderen Ländern verrechnet werden sollen. Beim Überschreiten der Regelgröße von 598 Sitzen sollen bis zu drei Überhangmandate nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert werden. Nicht angetastet wurde dagegen die Zahl der 299 Wahlkreise. Diese sollten erst im zweiten Schritt ab 2024 auf 280 verringert werden. Außerdem sollte nach der Bundestagswahl 2021 eine Reformkommission zu Fragen des Wahlrechts eingesetzt werden.
Wahlrechtsreform: Ein Fall für das Bundesverfassungsgericht
FDP, Grüne und Linke, die bei der Verabschiedung der GroKo-Reform in der Opposition waren, hatten sich auf einen eigenen Gesetzentwurf verständigt, der erheblich mehr Wirkung gehabt hätte. Nach ihm sollte zum Beispiel die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 250 verringert werden. Sie reichten im Februar 2021 in Karlsruhe eine sogenannte abstrakte Normenkontrolle ein, um die Wahlrechtsreform von Union und SPD auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu überprüfen.
Wegen der vielen Pannen am Wahltag in Berlin soll die Bundestagswahl nach einem Beschluss des Bundestags in einigen Wahlbezirken der Hauptstadt wiederholt werden. Auch hierzu läuft ein Verfahren in Karlsruhe. Am 19. Dezember will das Bundesverfassungsgericht verkünden, in wie vielen Wahlbezirken dies zu geschehen hat, und ob es reicht, dabei nur die Zweitstimme abzugeben. Die Wiederholungswahl müsste nach denselben Regeln ablaufen wie die Hauptwahl. (skr/dpa/afp)