Merz hat eine Option, die SPD loszuwerden – doch die macht sie nur stärker
Eine Koalition ist normalerweise keine Liebesheirat. Schwarz-Rot ist noch nicht einmal eine Vernunftehe. Die Regierung Merz/Klingbeil fällt vielmehr in die Kategorie Notgemeinschaft. Denn eine andere Konstellation außer Schwarz-Rot war unter Ausschluss der AfD nicht möglich.
Das gab und gibt der SPD mehr Macht, als ihr nach dem desaströsen 16,4 Prozent-Ergebnis bei der Bundestagswahl eigentlich zusteht. So konnte sie der CDU/CSU unter anderem die faktische Aussetzung der Schuldenbremse abringen.
SPD: Kaum Chancen für Wirtschaftsreformen
Auch steht die SPD auf der Bremse, wenn es um die Belebung der sich im dritten Jahr in der Rezession befindlichen Wirtschaft geht. Stattdessen schreckt sie mit ihren ständigen Forderungen nach höheren Steuern Investoren ab.
Wenig Chancen hat bei der SPD auch die Umwandlung des großzügigen Bürgergeldes in eine Grundsicherung, bei der neben dem Fördern auch Fordern wieder eine Rolle spielt.
Union spielt mit dem Gedanken einer Minderheitsregierung
Wenn zwei zusammen regieren, die nicht zusammenpassen, knirscht es gewaltig. Der ständige Streit innerhalb von Schwarz-Rot erinnert fatal an die Zerrissenheit der Ampel – und das bereits nach gut 100 Tagen.
Das Zerwürfnis ist so tief, dass es sich wohl kaum bei dem geplanten gemeinsamen Grillabend der beiden Koalitionsfraktionen befrieden lässt. In der Union spielen deshalb manche mit dem Gedanken, am besten ohne die SPD weiterzumachen – als Minderheitsregierung.
Wie Merz die SPD-Blockade brechen könnte
Der Publizist Gabor Steingart hat zuletzt darauf hingewiesen, dass eine Minderheitsregierung für die CDU/CSU vorteilhaft wäre. Einmal müsste die AfD, so Steingart, sich zu einer konstruktiven Politik durchringen und von ihrer Fundamentalopposition ablassen.
Zum anderen könnte Friedrich Merz laut Steingart ohne die "Nein-Sager Klingbeil und Bas" zumindest einige Reformen durchsetzen. Schließlich dürfte schon die Androhung mit einer Minderheitsregierung die SPD disziplinieren.
Zweifellos bedeutete eine Minderheitsregierung nicht den Untergang des Abendlandes. In den skandinavischen Ländern sind Minderheitsregierungen durchaus üblich und keineswegs erfolglos.
Stellen wir uns also vor, Merz ginge zum Bundespräsidenten und verlangte die Entlassung der sieben SPD-Minister. Dann könnte er die freien Positionen mit eigenen Leuten besetzen, vielleicht auch mit dem einen oder anderen Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft.
Der Trugschluss: Warum die SPD am Ende noch mächtiger wäre
In einem – dem entscheidenden Punkt – würde sich jedoch absolut nichts ändern: an den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag. Auch eine CDU/CSU-Regierung bekäme für Gesetze – und nicht zuletzt für den Haushalt – nur dann eine Mehrheit, wenn sie die SPD von ihrem Konzept überzeugen kann. Es sei denn, die Union kooperiert mit der Rechtsaußenpartei.
Diese Konstellation würde den "Nein-Sagern" von der SPD noch mehr Macht geben, als sie als Juniorpartner der Union bereits haben. Sollte sich bei einem Gesetz eine schwarz-blaue Mehrheit auch nur andeuten, würden SPD, Grüne und Linke den rigorosen "Kampf gegen rechts" ausrufen: "Auf die Barrikaden!"
Die mobilisierte Republik als Waffe der Linken
Das wäre für die vereinte Linke ein willkommenes Konjunkturprogramm. Sie würden zusammen mit den vom Staat teilweise finanzierten, überwiegend linksgrün ausgerichteten "Nichtregierungsorganisationen" und unzähligen linksradikalen und linksextremistischen Splittergruppen die Straße mobilisieren.
Dazu würden die öffentlich-rechtlichen Anstalten und viele Medien den publizistischen Flankenschutz liefern. Die Erinnerung an die Machtergreifung der Nazis würde ebenso beschworen wie das drohende Ende der Demokratie. Die linken Parteien würden den "Kampf gegen rechts" zur Staatsräson verklären.
Die AfD als Partner? Ein unkalkulierbares Risiko für Merz
Ob die AfD bei einer Minderheitsregierung der Union von ihrer Fundamentalopposition abließe und sich konstruktiver verhielte als bisher, lässt sich schwer abschätzen. Darüber käme es vermutlich zu internen Auseinandersetzungen zwischen den wenigen verbliebenen "Gemäßigten" und dem Höcke-Flügel.
Wahrscheinlich würde sich die AfD beim Thema Migration der CDU/CSU als Mehrheitsbeschaffer andienen. Aber bei einer echten Rentenreform könnte die CDU/CSU nicht auf die AfD bauen. Deren rentenpolitische Vorstellungen sind nämlich noch teurer als die der SPD.
Völlig unvorstellbar wäre eine Zusammenarbeit von Union und AfD in der Außenpolitik. Wer wie Weidel, Höcke und Co. aus der EU wie aus der Nato raus will, wird mit den Transatlantikern und den Europapolitikern der Union keinen gemeinsamen Nenner finden. Zudem ist der AfD das Schicksal der Ukraine gleichgültig.
Eine Kooperation mit der AfD würde die Union spalten
Friedrich Merz müsste als Kanzler ohne eigene Mehrheit also unverändert versuchen, die SPD für seine Vorhaben zu gewinnen. Ungeachtet aller Unterschiede sind die Schnittmengen zwischen Schwarz und Rot doch noch größer als zwischen Schwarz und Blau.
Unabhängig von den Inhalten bedeutete eine parlamentarische Kooperation von Union und AfD nicht nur das Einreißen der Brandmauer. Es könnte auch die CDU zerreißen. In den ostdeutschen Ländern fühlten sich manche CDU-Politiker ermutigt, mit der AfD zu koalieren.
Die verbliebenen "Merkelianer" in der CDU würden das nicht mitmachen. Das könnte zu Austritten oder gar einer Abspaltung führen. Für Merz machte es das Regieren noch schwieriger.
Am Ende profitieren die Ränder
Das Experiment Minderheitsregierung liefe unweigerlich auf Neuwahlen hinaus. Eine gescheiterte CDU/CSU schnitt dabei nicht besser ab als im Februar 2025.
Dagegen würde die AfD von der "Unfähigkeit der Altparteien" profitieren, ebenso das linke Lager – und dort vor allem die Grünen und Die Linke. Jedenfalls würden die Chancen für Rot-Grün-Rot steigen, die eigentliche Traumkonstellation der SPD.