Neue Gefahr: Nordkorea sendet offenbar Pukguksong 2-Raketen nach Russland

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Offenbar in Russland aufgetaucht: Das mit der Mittelstreckenrakete Pukguksong-2 ausgestattete Fahrzeug während einer Militärparade am Kim-Il-sung-Platz in Pjöngjang © IMAGO

Kim Jong-un trimmt sein Raketen-Arsenal auf Kriegstüchtigkeit – dazu sendet er Putin eine neue Waffe, von der er sich mehr Erkenntnisse verspricht.

Moskau – „Nach der Analyse der zuständigen Behörden kann die Rakete Guam nicht erreichen““, schrieb David Wright. Festgehalten hat der Physiker diese Erkenntnis für ein Blog der Union of Concerned Scientists im Jahre 2017; Anlass war für Wright der erste erfolgreiche Test der Nordkoreaner von ihrer Pukguksong-2-Rakete, die potenziell die Garnisonen der USA in Südostasien hätte in Schach halten können, wenn Nordkorea gegen den Süden ins Feld gezogen wäre. Anscheinend gehen die Tests der Rakete weiter, denn sie sollen jetzt in Richtung Ukraine-Krieg rollen – wohl ohne dass Wladimir Putin sie extra bestellt hätte.

Pukguksong-2, die kürzlich in Russland auf dem Weg zur Front gesichtet wurden, sei für die Bedürfnisse des Kremls objektiv überflüssig, aber die Lieferung könnte Anlass zu Diskussionen bieten, schreibt aktuell das Magazin Defense Express. Offenbar zieht Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un konkrete Vorteile aus der Partnerschaft mit Russland. Er will anscheinend seine Rüstungsgüter auf ihre Kriegstüchtigkeit testen.

Kims Kniff: Pukguksong-2 rasseln auf einer kettengetriebenen Abschussrampe ins Feld – sie sind hoch mobil

Den erfolgreichen Tests in 2017 folgte 2018 offenbar die „Mobilmachung“ des Systems, worüber das US-amerikanische Magazin The Diplomat berichtet hatte, gestützt auf Informationen der US-amerikanischen Geheimdienste, „denen zufolge hat Nordkorea auch im Jahr 2018 die Produktion von Fahrzeugen und Unterstützungsausrüstung für seine ballistischen Mittelstreckenraketen vom Typ Pukguksong-2/KN15 fortgesetzt“, wie das Magazin schrieb. Ähnlich den Himars-Raketen rasseln die Pukguksong-2 auf einer kettengetriebenen Abschussrampe ins Feld – sie werden also allein dadurch hoch mobil.

„Er rechtfertigte seinen militärischen Aufmarsch als Gegenmaßnahme gegen die ,empörende‘ militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und ihren regionalen Verbündeten, die seiner Meinung nach inzwischen die Merkmale eines ,atomar gestützten Militärblocks‘ aufweise.“

Das Magazin Army Recognition lobt die Eigenentwicklung des kettengetriebenen Werfers, weil der exakt für Nordkoreas „anspruchsvolles Gelände“ konzipiert sein soll – „der Einsatz eines Kettenfahrzeugs verleiht der Rakete mehr Flexibilität und die Möglichkeit, sie aus versteckten oder weit auseinander liegenden Positionen abzufeuern. Dadurch wird das Risiko minimiert, während der Vorbereitungen entdeckt oder neutralisiert zu werden.

Hoch mobil sind sie allerdings auch noch aus einem weiteren Grund: Die Pukguksong-2 funktioniert dank eines Feststoffantriebs, wird also abschussbereit verlegt; und diese Technik will Oberbefehlshaber Kim Jong-un offenbar auch auf seine Interkontinentalraketen anwenden und benötigt aus der Handhabung der Pukguksong-2 weitere Erkenntnisse. Erkenntnisgewinn wird möglicherweise auch der Grund sein, warum die Waffe jetzt unter russisches Kommando gestellt wird.

USA sicher: Die Pukguksong-2 bedeutet eine echte Gefahr – vor allem für Japan

Kurzstrecken- sowie Mittelstrecken-Raketen, Mehrfach-Raketenwerfer sowie Artillerie stellen für andere Nationen aktuell die stärkste kurzfristige Bedrohung Nordkoreas für andere Völker dar, schreibt der Wissenschaftliche Dienst des US-Kongresses in einem am 18. Dezember dieses Jahres veröffentlichten Dossier. Die Pukguksong-2/KN-15 halten die US-Wissenschaftler tatsächlich für eine echte Gefahr – nicht zwingend für Guam, sondern vor allem für Japan – nicht nur, dass die Rakete so konventionell wie nuklear bestückt werden könnte, sondern ist aufgrund ihrer Mobilität schwer zu lokalisieren. Auch der Wissenschaftliche Dienst befürchtet in seinem aktuellen Dossier, dass die Feststoff-Technik sowie die Satelliten-Navigation auf Interkontinental-Raketen wie die Hwasong-Serie übertragen werden könnte.

Zwischen Pjöngjang und den US-Garnisonen auf Guam liegen rund 3.500 Kilometer – eine Distanz, die der Pukguksong-2 wohl lediglich von der nordkoreanischen Propaganda zugeschrieben wird, die Defense Express vermutet. Weil gesicherte Daten fehlen, reichen die Spekulationen von 1.200 bis mehr als 2.000 Kilometer. Reichweite, Zuladung und Präzision sind die Gradmesser der Qualität einer Raketenartillerie; und da werfen Nordkoreas Rüstungsgüter immer wieder Fragen auf. Anfang dieses Jahres hatte Russland im Ukraine-Krieg bereits nordkoreanische Kurzstrecken-Raketen eingesetzt; mit fragwürdigen Ergebnissen, wie die ukrainische Nachrichtenagentur Interfax im Februar berichtet hatte.

Von 24 Angriffen seien nur zwei relativ präzise gewesen, sagte Andriy Kostin: einer zielte auf eine Ölraffinerie in Krementschuk und der andere landete auf dem Gebiet des Flugplatzes Kanatove in der Nähe der Stadt Kropywnyzkyj. „Die übrigen Raketen landeten weit voneinander entfernt – bis zu mehreren Kilometern oder mehr – oder explodierten mitten in der Luft oder trafen Wohngebiete in Charkiw“, führte der Generalstaatsanwalt der Ukraine aus.. Wie das Magazin Defense Express berichtete, könnten unter Berücksichtigung der „üblichen russischen Beschusspraktiken“ aber tatsächlich die Wohngebiete in Charkiw das Ziel gewesen sein.

Xi Jinping bedroht durch Kim: Ostasien wird instabil

Wie Defense Express aktuell mutmaßt, könnten die Ergebnisse vom Anfang des Jahres auch jetzt zur Verlegung der Pukguksong-2 geführt haben. Abgesehen davon, ist der Einsatz der Rakete ein weiterer Schritt Putins, sich in Abhängigkeit von Kim zu begeben, wie Frederic Sport schreibt: „So kann Putin von Nordkorea nur veraltete und unzuverlässige Militärtechnik erhalten. Zudem bleibt Nordkorea angesichts seiner Tradition wechselnder Allianzen ein unberechenbarer Partner. Es besteht auch das Risiko, dass Russland durch die Stärkung eines zunehmend aggressiven Nordkoreas seine Beziehungen zu China belasten könnte“, schreibt der Analyst des deutschen Thinktanks Friedrich Naumann Stiftung.

Während die Lunte des Weltenbrandes offen liegt, spiele Nordkoreas Diktator Kim Jong-un mit dem Feuer, orakelt das Magazin Newsweek: „Der nordkoreanische Führer Kim Jong-un könnte die Truppen seines Landes, die für Wladimir Putin gegen die Ukraine kämpfen, als Druckmittel gegenüber den Provokationen Pjöngjangs in Ostasien einsetzen“, schreibt Newsweek-Autor Brendan Cole. Für die Großzügigkeit der nordkoreanischen Regierung gegenüber Russland, mit mindestens 10.000 kämpfenden Kräften seine Invasion in der Ukraine durchzufechten, wird sie über kurz oder lang die Rechnung präsentieren.

Eine Rechnung, die auch Chinas Machthaber Xi Jinping teuer zu stehen kommen könnte – Südkorea fühlt sich bedroht durch jeden weiteren Schritt, den Kim in Richtung der Ertüchtigung seiner Armee unternimmt. Ostasien wird instabil. Mit Lieferungen von Munition, Menschen und Waffen wolle sich Kim Rückendeckung verschaffen für seinen Einfluss auf Südkorea, vermutet Sang Hun Seok laut Newsweek. Der Geopolitikanalyst am britischen Thinktank Royal United Services Institute (Rusi) prognostiziert, „Pjöngjang könnte noch abenteuerlustiger werden, da es erwartet, dass die russische Unterstützung eine heftige Reaktion sowohl von Seoul als auch von Washington verhindern würde.“

Putin gestärkt: Kim Jong-un hat sich der Idee eines ,neuen Kalten Krieges‘ angeschlossen

Der britische Independent hat kürzlich berichtet, dass offenbar Südkorea seine Zurückhaltung gegenüber Wladimir Putin aufgeben beziehungsweise zumindest überdenken will. Im Gegenzug dazu hatte Kim im November den Ausbau seiner Atomstreitkräfte gefordert und den Hintergrund dessen in angeblichen US-Drohungen gesehen, wie die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berichtet hat. Demnach habe Kim „in den vergangenen Monaten den Beziehungen seines Landes zu Russland höchste Priorität eingeräumt, sich der Idee eines ,neuen Kalten Krieges‘ angeschlossen und in den größeren Konflikten des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit dem Westen eine geschlossene Front gezeigt“, schreibt AP-Autor Kim Tong-Hyung.

Laut dieser Definition stempelt die westliche Unterstützung der Ukraine vor allem die USA zum Erzfeind; und Südkorea gleich mit. Auch in diese Richtung bemüßigt sich Kim, künftig schärfer schießen zu können: Bereits im August hatte Nordkorea seine Einheiten an der Front zu Südkorea mit 250 nuklearfähigen Raketenwerfern verstärkt, wie AP berichtete – die Einheiten bestünden vornehmlich aus Kurzstreckenraketen, wie Südkorea mutmaßt; vermutlich Hwasong-11-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 100 Kilometern. Genug, um den Großraum von Seoul zu treffen.

AP-Autor Kim Tong-Hyung sieht darin Kims Protzen mit vermeintlicher Stärke: „Er rechtfertigte seinen militärischen Aufmarsch als Gegenmaßnahme gegen die ,empörende‘ militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und ihren regionalen Verbündeten, die seiner Meinung nach inzwischen die Merkmale eines ,atomar gestützten Militärblocks‘ aufweise.“

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