„Nichts Rassistisches“, sagt ein vernunftbegabter Grüner zur Stadtbild-Debatte

Zwei Feststellungen vorweg: Man sieht niemandem seinen Pass an. Man sieht einem Land allerdings unkontrollierte Einwanderung an.

Ah, und noch eine dritte: Wann immer Friedrich Merz rhetorisch unbeholfen agiert, sammeln seine Gegner frische Moralpunkte auf der Stempelkarte.

Generalverdacht gegen Millionen Deutsche?

Die von Franziska Brantner dürfte recht voll sein, aber wohl noch nicht voll genug. Als Merz am Montag meinte, die eigenen Töchter hätten „eine ziemlich klare und deutliche Antwort“ darauf, was „Probleme im Stadtbild“ bedeuteten – da warf die Grünen-Chefin ihm vor, „einfach mal pauschal Millionen Deutsche unter Generalverdacht zu stellen“.

Bevor ich Millionen Grüne unter Generalverdacht stelle: Es gibt unter ihnen auch Vernunftbegabte. Ryyan Alshebl aus Ostelsheim, zum Beispiel. Er ist Deutschlands erster Bürgermeister mit Fluchthintergrund.

Im Gespräch mit meinem FOCUS-Kollegen Ruben Giuliano verteidigt der Deutsch-Syrer den Kanzler vehement. An dessen Aussage sei „nichts rassistisch“, sagt der 31-jährige Grüne. 

„Probleme im Stadtbild” beziehe sich auf junge Männer aus Syrien und Afghanistan, die immer wieder negativ auffallen. „Das bedeutet nicht, dass er gegen Syrer und Afghanen, geschweige denn Migranten generell ist“, so Alshebl.

Problem Rassismusvorwurf

Er betont: „Wir müssen in der Lage sein, Probleme zu beschreiben, ohne uns gegenseitig Rassismus vorzuwerfen.” Sein Wunsch: „Lasst uns 99 Prozent der Migranten in Schutz nehmen, indem wir das eine Prozent problematisch ansprechen.“

Mich erinnert die Stadtbild-Diskussion an ein Gespräch mit dem damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble. Es fand vielleicht zwei, drei Jahre nach der Flüchtlingskrise statt, und er erzählte mir von seinem Wahlkreis Offenburg.

Sorgen bewusst machen

Ältere Damen dort hätten ihm geschildert, dass sie lieber erst eine Haltestelle weiter ausstiegen, wenn sie am Bahnhof eine Gruppe junger Männer erspähten, mutmaßlich Flüchtlinge. Schäuble wollte darauf hinaus, dass Politiker sich solcher Sorgen bewusst sein müssten. Und es zentral sei, die dem Unbehagen zugrundeliegenden Probleme zu lösen – statt sie nur zu benennen.

Hilfreich in diesem Sinne waren Merz' Sätze vorm „Stadtbild-Problem”. Sie lauten: „Bei der Migration sind wir sehr weit. Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August 24/August 25 im Vergleich um 60 Prozent nach unten gebracht.“

Danach aber zu suggerieren, wie der Chef des CDU-Sozialflügels Dennis Radtke gegenüber „Funke“ kritisiert, ein „verstörendes Stadtbild“ würde sich durch Abschiebungen ändern, erweckt „unerfüllbare Erwartungen.“ 

Finden Sie das Stadtbild problematisch? Oder eher Merz? Schreiben Sie uns: feedback@focus-magazin.de