Fünf Fragen zum Autogipfel – und eine bittere Wahrheit

Die gute Nachricht zuerst: Deutschland baut tolle Autos – auch in den Elektrovarianten. Ganz ehrlich. Die nicht ganz so gute Botschaft: Diese Autos finden aktuell zu wenig Abnehmer. Deshalb ist seit geraumer Zeit Krise, die ich Ihnen gleich näher vorstellen möchte. Was macht die Politik, wenn Krise ist? Genau: Sie lädt zu einem Gipfeltreffen ein.

Gipfel gehen immer, obwohl ich mich frage, ob nicht schon das Sprachbild ziemlich schief hängt. Bei einer Bergwanderung bin ich meist schon fertig, wenn ich den Gipfel erreiche. Da oben muss ich nicht noch Diskussionsrunden beiwohnen. Und danach geht’s nur bergab. Für den Bergwanderer Tuma zwar eine prima Sache. Für VW- und Porsche-Chef Oliver Blume eher nicht. 

Aber natürlich wird auch er am heutigen Donnerstag im Kanzleramt erwartet. Wie die Spitzen anderer Konzerne und Zulieferer. Wie Gewerkschaftschefs und Ministerpräsidenten wichtiger Standort-Bundesländer, in diesem Fall die aus Stuttgart, München und Hannover.

Wer will da was?

Unterschiedlich. Die Regierungs-SPD fordert im Gegenzug für Hilfen Standortgarantien, ein Festhalten am Verbrenner-Aus etc. Aber schon Olaf Lies, SPD-Landesvater in Niedersachsen (wo bekanntlich VW seinen Sitz hat) plädiert wie sein Münchner CSU-Amtskollege Markus Söder für einen „realistischen Pfad“ bei den CO₂-Zielen. Also weniger Härte. 

Kanzler Friedrich Merz und seine Wirtschaftsministerin Katherina Reiche hätten gern eine Verschiebung des „pauschalen Verbrennerverbots“ über 2035 hinaus. Ebenso wie die Industrie wünschen sie sich Technologie-Offenheit, etwa für Plug-In-Hybride und sogenannte Range Extender. Das sind kleine Generatoren, die die Autobatterien laden und sich etwa in China durchaus großer Beliebtheit erfreuen. In Europa bekam die Technik kaum eine Chance. Die Politik wollte sie nicht.

Warum ist die Autobranche so wichtig? 

Mit einem Anteil von fünf Prozent am gesamten Bruttoinlandsprodukt ist sie ökonomisches Rückgrat und Herzkammer der Bundesrepublik gleichermaßen, weit vor Maschinenbau und Chemie. Vom Autobau hängen fast zwei Millionen Jobs ab und über 15 Prozent aller Exporte. Kein anderer Industriezweig investiert zudem so viel in Forschung und Entwicklung (55 Milliarden Euro jährlich).

Der Warenwert aller aus Deutschland ins Ausland exportierten Autos und Fahrzeugteile betrug im vergangenen Jahr 250 Milliarden Euro. Allein die drei großen Konzern-Gruppen VW, BMW und Mercedes setzten 2024 über 600 Milliarden Euro um. Diese Industrie zahlt also auch sehr, sehr viele Steuern, die man in Berlin ja gern ausgibt. Gern auch mal für sinnlos verpuffende Sozialtransfers (SPD) oder Wahlgeschenke wie Mütterrenten (CSU) und die versprochene Erhöhung der Pendlerpauschalen (CDU).

Warum geht’s der Autoindustrie so schlecht? 

Die Transformation vom Verbrenner zur Elektromobilität kostet Abermilliarden. Angreifer wie Tesla (USA) sind wendiger, weil sie nie was anderes gebaut haben als E-Autos. Dazu kommen neuerdings die US-Zölle, der Druck chinesischer Billig-Konkurrenz, weltweit eine maue Konsumstimmung und ein paar eigene Fehler – von der Vertrauenskrise der VW-Dieselaffäre bis zu strategischen Pannen.

Noch immer schafft es kein deutscher Hersteller, wirklich günstige E-Autos zu bauen. Obendrein fehlt es nicht nur hierzulande an grünem Strom und Ladeinfrastruktur. Was nutzt es aber dem Klima, wenn die Autokonzerne bald von der EU zu hohen Strafzahlungen verdonnert werden, weil sie die Ziele nicht einhalten können, die heimische Wirtschaft in der Folge weiter leidet und China Marktanteile erobert? Das bringt uns zur vierten und wichtigsten Frage: 

Wer entscheidet nun, wie’s weitergeht? 

Die bittere Wahrheit ist: ganz sicher nicht die Herren Merz oder Klingbeil. Der Termin fürs Verbrenner-Aus 2035 wurde in Brüssel beschlossen und kann auch nur dort verschoben werden. Mehrheiten im EU-Rat? Sehr unsicher.

Was bringt der Gipfel in Berlin dann? 

Schon davor hat SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil für E-Autos eine bis 2035 verlängerte Befreiung von der Kfz-Steuer versprochen. Mehr wird’s kaum geben. Geld sowieso nicht. Es wird also eher ein Gipfel total dynamischer Ratlosigkeit.

Aber auch der wird heute zweierlei produzieren: gute Bilder und für optimistischere Gemüter wie mich die Illusion von politischer Entschlossenheit. Der nächste Gipfel kommt ja bestimmt. Vielleicht zur Chemieindustrie? Oder zu den Sozialkassen? Oder zur Bahn? Die Tour wird schmerzhaft und hat gerade erst begonnen.