Wegen Trump-Schock - Bisher lästerten USA: Jetzt prophezeien sie uns wegen "Trump-Schock" ein Wunder
Wird Deutschland ausgerechnet durch die Trump-Regierung stärker? Das fragen US-Medien und prophezeien „Wunder für die konjunkturellen Aussichten Europas“. Sowohl das politisch konservative „Wall Street Journal“ (WSJ) als auch die eher linksgerichtete „New York Times“ (NYT) sagen der Bundesrepublik einen Aufschwung voraus.
Zwar fühle sich kein Land in Europa von der neuen US-Regierung mehr verraten als Deutschland, heißt es in der amerikanischen Presse. Doch ausgerechnet Berlin könnte von der aktuellen Entwicklung enorm profitieren.
Deutschland fühlt sich von den USA verraten und betrogen
Deutschland sei nun ein „Waisenkind der USA“ geworden, lautete die Schlagzeile der NYT. Aber: Nach dem Schock schreite es jetzt zu Taten. „Kein anderes Land in Europa ist so sehr ein Produkt der aufgeklärten amerikanischen Nachkriegsgeschichte“, heißt es. „Jetzt, verlassen, beginnt es, sich mit einer neuen Welt auseinanderzusetzen.“
Die Vereinigten Staaten gaben Deutschland seine Demokratie und seine Verfassung, erklärte die NYT zu Beginn des Leitartikels den amerikanischen Lesern. Die USA unterstützten die deutsche Wiedervereinigung, als Frankreich und Großbritannien Zweifel hegten.
„Doch Präsident Trump und seine Regierung betrachten Deutschland jetzt als Gegner, die Nato als Belastung und Russland als Freund. Vizepräsident JD Vance und Elon Musk unterstützen eine rechtsextreme Partei mit Neonazi-Mitgliedern, die die deutsche Regierung untergraben will und Russlands Ziele in der Ukraine unterstützt.“
Folglich fühle sich Deutschland mehr als alle anderen Länder Europas von den USA verraten und betrogen, heißt es weiter. Doch „nun, da die Deutschen aus dem Nest gedrängt wurden, beginnen sie, darauf zu reagieren. Sie befinden sich gerade in einer tiefen Selbstbesinnung und stellen sich Fragen über die Zukunft – sowohl ihre eigene als auch die Europas“.
Der Trump-Schock könnte heilsam sein
Das deutlichste Anzeichen dafür, dass auf den Schock nun Taten folgen, sei die Lockerung der „langen Schuldenaversion Deutschlands“, so die NYT. Jetzt könne das Land endlich mit dem Wiederaufbau seines Militärs und seiner vernachlässigten Infrastruktur beginnen. „Der anfängliche Schock ist einem Gefühl der Mobilisierung gewichen“, wird etwa Thomas Bagger, ein hochrangiger Beamter des Auswärtigen Amtes in Berlin zitiert.
Er ist Jahrgang 1965 und für Deutsche wie ihn, die in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg aufwuchsen, sei das Gefühl des Verrats durch Washington am stärksten, erklärt er in der NYT. „Daher sitzt der Schock hier tiefer.“
Doch gerade diese Bestürzung könnte positive Auswirkungen haben, heißt es. Der Trump-Schock könne heilsam sein, da er Deutschland aus seiner langen Selbstzufriedenheit reiße, prophezeit der ehemalige deutsche Botschafter in den USA, Wolfgang Ischinger: Die Feindseligkeit von Trump, Vance und Musk gegenüber der EU würde den Zusammenhalt des Kontinents nur stärken.
„Wenn es für Europa jemals eine Chance gab, sich in Sachen Sicherheit zusammenzureißen, dann ist es jetzt.“ Und: „Zum ersten Mal seit vielen Monaten können die Leute sagen, dass wir etwas getan haben.“
Der ehemalige amerikanische Botschafter in Deutschland, JD Bindenagel, stimmte zu: „Die Deutschen debattieren gern und zögern Entscheidungen hinaus, aber dann handeln sie gründlich.“
WSJ: „Während die USA stolpern, erwacht Europa zum Leben“
Auch das „Wall Street Journal“ blickt positiv auf die Entwicklung in Berlin: „Während die USA stolpern, erwacht Europa zum Leben“, lautete hier die Schlagzeile. „Deutschlands Verteidigungsaufrüstung ist nur ein Anzeichen dafür, dass Europa die Stagnation überwinden könnte“.
Noch vor zwei Monaten beim Weltwirtschaftsforum in Davos sei die Stimmung in Europa düster gewesen, heißt es in dem US-Wirtschaftsblatt. Jahrelang hatten die europäische Wirtschaft und die europäischen Märkte schlechter abgeschnitten als die USA.
Trump versprach, Europa mit Strafzöllen zu traktieren und das US-Wachstum durch Steuersenkungen, weniger Regulierungen und billigere Energie anzukurbeln.
Dann aber sei das Gegenteil eingetreten: „Wie üblich lag der Davoser Konsens daneben. Die Stimmungen auf beiden Seiten des Atlantiks sind seitdem vertauscht. Europäische Aktien verzeichneten einen kräftigen Anstieg, während der US-Markt eine Korrektur (einen Rückgang von zehn Prozent) hinnehmen musste. Vertreter der US-Notenbank korrigierten ihre Inflationsprognose nach oben und ihre Wachstumsprognose nach unten.“
Die Wiederaufrüstung Europas dürfte Wunder bewirken
Nach Schätzungen der Investmentbank Evercore ISI werden die Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben um drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, berichtet das WSJ zur Lockerung der Schuldenbremse und zitiert die Finanzexperten Stephen Jen und Fatih Yilmaz: „Der Zweite Weltkrieg hat die USA aus der Großen Depression geführt. Die Wiederaufrüstung Europas dürfte Wunder für die konjunkturellen Aussichten Europas bewirken.“