Gespräche von Union und SPD - Wegen Habecks Heizungsgesetz: Koalitions-Verhandler liefern sich bizarres Tauziehen

Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung hat nun auch die Arbeitsgruppe zu Energie und Klima (AG 16) ihren finalen Bericht abgeliefert. 

Auf den 11 Seiten, die Table.Briefings vorliegen, haben die Verhandler aus der Gruppe ihre gemeinsamen Ergebnisse zusammengefasst – und ebenfalls ihre noch bestehenden Differenzen in eckigen Klammern festgehalten.

Die wichtigsten und umstrittensten Aussagen des Papiers:

  • Klimaziel: Bekenntnis zu Klimaneutralität 2045 und Pariser Abkommen. Die Klimaziele sollen „vorrangig durch Reduktion von CO₂, zusätzlich durch Anrechnung negativer Emissionen“ erbracht werden. Die Nutzung von internationalen Zertifikaten nach Art. 6 des Pariser Abkommens ist umstritten, diese Möglichkeit wird von der Union gefordert. Strittig ist auch die Unterstützung für das EU-Ziel von minus 90 Prozent für 2040, was die SPD möchte.
  • Klimageld: CO₂-Einnahmen sollen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden – „auch durch unbürokratische und sozial gestaffelte Entlastungen und Förderungen beim Wohnen und bei der Mobilität“. Unklar ist, mit welchem Mittel („Klimageld“) das passieren soll. Landwirtschaft soll nicht in den ETS 2 aufgenommen werden.
  • Strompreise: Unternehmer und Verbraucher sollen sie „dauerhaft um mindestens fünf Cent“ pro kWh gesenkt werden, durch Senkung der Stromsteuer und geringere Netzentgelte. Ein Industriestrompreis soll energieintensive Unternehmen entlasten.
  • Schnellere Planung bei Netzen und Erneuerbaren: Die Union will dafür den naturschutzrechtlichen Ausgleich und die Verbandsklage in Europa abschaffen.
  • Die Art des Netzausbaus bleibt umstritten: SPD will Vorrang für Freileitungen, Union für Erdkabel. Ein privater Investitionsfonds mit öffentlichen Garantien soll dafür das Kapital aufbringen.
  • Ausbau der Erneuerbaren weiter verstetigen: Union will das 2-Prozent-Flächenziel erhalten, SPD alternativ ein „Ökostromziel“. Auch Ausbau der kleinen Wasserkraft ist geplant.
  • Eine Kraftwerksstrategie soll bis 2030 neue Gaskraftwerke bis zu 20 GW Leistung „technologieoffen anreizen“ – von der Forderung „wasserstoffbereit“, die die Kraftwerke auf einen klimaneutralen Betrieb ausrichten könnte, ist nicht die Rede.
  • CCS/CCU für schwer vermeidbare oder „alle Industriebranchen und Gaskraftwerke“, fordert die Union. Speicherung im deutschen Festlandsockel, aber auch „onshore, wo geologisch geeignet und akzeptiert“.
  • Der Wasserstoff-Hochlauf soll durch ein „vertrauenswürdiges Zertifizierungssystem“ begleitet werden.
  • Am Kohleausstieg mit seinen finanziellen Zusagen bis 2038 halten Union und SPD fest.
  • Bei der Zukunft der Atomkraft herrscht Dissens: Die Union sieht die Chance auf „eine bedeutende Rolle“ und strebt eine Bestandsaufnahme an, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs der letzten AKWs möglich ist.
  • Die Koalition will "strategische staatliche Beteiligungen im Energiesektor" prüfen und die Gas-Anteile des Bundes zurückführen.
  • Kosten für die geplanten Maßnahmen: Ein Teil der Vorschläge führt laut Papier bereits 2025 zu mindestens 16,4 Milliarden Euro weniger Einnahmen des Staates – und bei vielen weitere Maßnahmen bleiben Fragezeichen offen.

Habecks „Heizungsgesetz“ bleibt Streitthema - auch zwischen zwei AGs

Dass die Koalitionsarbeitsgruppe für Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen in ihrem Abschlusspapier ankündigt, das „Heizungsgesetz“ abzuschaffen, hat in der Arbeitsgruppe Klima und Energie für Verärgerung gesorgt. Denn für das Thema sei nicht allein die Bau-AG, sondern federführend die Energie-AG zuständig, hieß es aus Verhandlungskreisen. 

Dort gibt es keine Einigung: Im Papier, das die AG an die Chefrunde weitergeleitet hat, finden sich zum Thema zwei unterschiedliche Textvorschläge. Die Union hat die Formulierung der Bau-AG übernommen, man werde „das Heizungsgesetz abschaffen“– dem Vernehmen nach auf Druck der Parteiführung, die dies gern auch in den finalen Koalitionsvertrag übernehmen möchte. 

Im alternativen Textvorschlag der SPD heißt es dagegen, man wolle „das Gebäudeenergiegesetz (GEG) novellieren“ und die geltenden Regelungen dabei „technologieoffener, flexibler und einfacher machen“. 

Was genau die Union meint, ist noch unklar

Was genau die Union mit der Abschaffung des „Heizungsgesetzes“ meint, ist derweil unklar. Denn ein Gesetz mit diesem Namen gibt es gar nicht; gemeint ist damit meist die jüngste Novelle des GEG. Faktisch geht es also auch bei der Forderung der Union um eine erneute Novelle dieses Gesetzes; strittig ist primär, wie umfangreich diese ausfällt. 

Klar ist, dass Deutschland bei einer Aufweichung der Vorgaben für neue Heizungen in Konflikt mit den europäischen Klimaschutzvorgaben (Effort Sharing Regulation) geraten würde. 

Schon jetzt zeichnet sich im Gebäudesektor bis 2030 eine Verfehlung um 100 Millionen Tonnen CO₂ ab; diese Lücke könnte sich nach Berechnungen des Umweltbundesamts durch die Abschaffung der Vorgaben für neue Heizungen verdoppeln, was weitere Milliardenkosten zur Folge haben würde. Zudem macht auch die EU-Gebäuderichtlinie Vorgaben, an die sich Deutschland halten muss.  

Wichtige Punkte zum deutschen und internationalen Klimaschutz finden sich auch im Papier der Arbeitsgruppe 12 zu Verteidigung, Außen- und Entwicklungspolitik. 

Dort wird aufgezählt:

  • Die internationale Energie- und Klimapolitik „dient deutschen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen und muss daher elementarer Bestandteil der deutschen Außenpolitik sein“, heißt es. Das klingt so, als würde die Klimadiplomatie im Auswärtigen Amt (AA) verbleiben, wo sie derzeit angesiedelt ist.
  • Die Gelder der „Internationalen Klimainitiative“ (IKI), in den letzten Jahren immerhin fast 700 Millionen Euro, sollen aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium überführt werden – ins AA oder ins Entwicklungsministerium BMZ.
  • Die Zukunft des BMZ ist weiter umstritten: Es soll entweder ins AA integriert werden oder unabhängig bleiben. In diesem Fall soll die Zusammenarbeit von AA, BMZ und Verteidigungsressort gestärkt werden.
  • Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit sollen sein: Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Sicherung von Rohstoffen, Bekämpfung von Fluchtursachen, „Zusammenarbeit im Energiesektor“. Von internationalem Klimaschutz und seiner Finanzierung, die derzeit zu einem großen Teil der etwa sechs Milliarden Euro jährlich aus dem BMZ-Haushalt bezieht, ist bei den Prioritäten nicht die Rede.
  • Allerdings will die Koalition "unseren fairen Anteil an der internationalen Klimafinanzierung bereitstellen„ und dabei verstärkt auch auf private Mittel und “nicht-traditionelle Geber" setzen.
  • Umstritten ist die Höhe der Entwicklungshilfe: Während die SPD für das ursprüngliche Versprechen Deutschlands von 0,7 Prozent des BIP plädiert, fordert die Union zur Haushaltssanierung eine „angemessene Absenkung“ des Anteils der Entwicklungshilfe am BIP.

Von Bernhard Pötter, Malte Kreutzfeldt

Robert Habeck bei einer Pressekonferenz.
Robert Habeck bei einer Pressekonferenz. IMAGO / Political-Moments

Das Original zu diesem Beitrag "Koalitionspapiere zu Energie und Klima: Einigungen und Streitfälle" stammt von Table.Briefings.