Aus nach 125 Jahren: Wie Putin den letzten deutschen Öl-Riesen „faktisch wirtschaftlich enteignete“

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Russlands Präsident Wladimir Putin hat erneut die Inbetriebnahme der Gasleitung Nord Stream 2 vorgeschlagen. © Alexei Nikolsky/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Deutschlands größter Öl- und Erdgas-Förderer wird an die britische Konkurrenz verkauft. Wintershall Dea stand in der Vergangenheit wegen Russland-Aktivitäten in der Kritik.

Kassel – Es ist offiziell: Laut dem Mutterkonzern BASF ist der Verkauf der Wintershall-Dea-Geschäfte an den britischen Energiekonzern Harbour Energy abgeschlossen. Von der endgültigen Schließung der Zentralen von Wintershall Dea in Kassel und Hamburg sind rund 800 Mitarbeitende betroffen, heißt es in einer Mitteilung von Wintershall.

Mit dem Vollzug hat BASF den entscheidenden Schritt gemacht, um die endgültige Trennung vom Öl- und Gasgeschäft zu erreichen. Im Zuge des Ukraine-Kriegs geriet Wintershall in große Schwierigkeiten, weil das Unternehmen ein Geschäft in Russland hatte.

Verkauf von Wintershall Dea an britischen Konzern – 800 Mitarbeitende betroffen

Mit dem Verkauf an Harbour Energy wurde das E&P-Geschäft von Wintershall Dea rechtlich vom Geschäft mit Russland-Bezug getrennt, heißt es weiter. Das Unternehmen hat das Russland-Geschäft also rechtlich von den restlichen Geschäften abgespalten. Es wird beim jetzigen Deal mit Harbour Energy nicht gleichzeitig verkauft, sondern von einigen übrigbleibenden Wintershall-Mitarbeitenden verwaltet.

„Zu den verbleibenden Assets von Wintershall Dea gehören Anteile an den Gemeinschaftsunternehmen in Russland, die Beteiligung an Wintershall AG in Libyen (Wintershall-Dea-Anteil: 51 Prozent), an Wintershall Noordzee BV in den Niederlanden (Wintershall-Dea-Anteil: 50 Prozent) sowie der Anteil an Nord Stream AG (Wintershall-Dea-Anteil: 15,5 Prozent)“, so das Unternehmen.

Wintershall zieht sich aus Russland zurück – und schreibt Verluste

Nach Abschluss der Transaktion mit Harbour Energy gehören zu den Hauptaufgaben von Wintershall Dea „die Betreuung der Ansprüche im Zusammenhang mit der Enteignung der russischen Vermögenswerte, die Veräußerung der verbleibenden Vermögenswerte, die weitere Umstrukturierung der Organisation und letztlich die Schließung der Headquarter-Einheiten in Kassel und Hamburg.“

Anfang des Jahres 2023 erklärte die Tochtergesellschaft der BASF ihr Russland-Geschäft für „faktisch wirtschaftlich enteignet“. „Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat Wintershall Dea ihren Finanzrahmen umsichtig angepasst und die russischen Aktivitäten in ihren Planungen nicht mehr berücksichtigt“, teilte das Unternehmen im Januar 2023 mit. Das Aus der Russlandgeschäfte kam erst nach langem Zögern und teils heftiger Kritik am Konzernkurs.

Zudem berichteten Medien vergangenes Jahr, dass Wintershall Dea und die österreichische OMV laut einem Präsidialerlass formell ihre Anteile an Gasförderprojekten in Russland verlieren. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Dekrete, unterzeichnet vom Kremlchef Wladimir Putin. Die Dekrete dienten der Wahrung nationaler Interessen, hieß es.

Die Entscheidung, sich komplett aus dem Russland-Geschäft zurückzuziehen, hatte einen Milliardenverlust zur Folge. Unter dem Strich stand 2022 ein Verlust von 4,8 Milliarden Euro zu Buche, nach einem Gewinn von 593 Millionen Euro im Vorjahr 2021, wie das Unternehmen 2023 mitteilte. Der Krieg habe die Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa zerstört, klagte Unternehmenschef Mario Mehren damals. Mehren will bis zum Abschluss des Verkaufs an Harbour Energy als Vorstandsvorsitzender von Wintershall Dea bleiben und danach sein Mandat niederlegen.

„Enttäuschend“ – Letzter deutscher Öl-Riese Wintershall geht an britische Konkurrenz

Im Mai 2024 hat das Bundeswirtschaftsministerium nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur den Verkauf der BASF-Tochter Wintershall Dea an den britischen Ölkonzern Harbour Energy freigegeben. Zuvor hatte es eine Investitionsprüfung gegeben. Die Regierung kann potenzielle Transaktionen untersagen oder mit Auflagen belegen, sollte sie die nationale Sicherheit gefährdet sehen.

Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte der dpa im Mai mit Blick auf das Öl- und Gasunternehmen Wintershall Dea, ein weiteres Unternehmen mit hoch spezialisierter Kenntnis verlasse Deutschland. „Diese Nachricht ist in Zeiten von ausbleibendem Wachstum enttäuschend.“

Verkauf von Wintershall an Harbour Energy offenbar länger von BASF geplant

Es werde Zeit, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Beitrag zur dringend nötigen „Wirtschaftswende“ leiste. Die Schaffung von Rahmenbedingungen für eine Abscheidung und unterirdische Speicherung von CO₂ gehöre dazu. „Wenn in Deutschland alle möglichen Technologien behindert werden, folgt der wirtschaftliche Abstieg unausweichlich.“ 

Bereits im Dezember 2023 hatte Harbour Energy mit BASF und LetterOne, den Anteilseignern von Wintershall Dea, eine Vereinbarung über den Zusammenschluss beider Geschäfte unterzeichnet, schreibt das Unternehmen in einer Mitteilung vom 3. September 2024. (bohy mit Material der dpa)

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