Nach Wahl-Farce in Russland: Putin nennt Nawalny-Tod ein „trauriges Ereignis“
Russlands Präsident Wladimir Putin nennt nach der stark kritisierten Wahl erstmals seit Jahren den Namen des toten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny.
Moskau - Bei der Wahl in Russland ging Kreml-Chef Wladimir Putin wenig überraschend als Sieger hervor. Mit 87 Prozent der Stimmen erzielte der Machthaber ein Rekordergebnis, das Beobachtern zufolge allerdings nur durch Repression, Zwang und Betrug erreicht worden sein soll. Auf einer Pressekonferenz im Anschluss äußerte sich Putin unerwartet zu Alexej Nawalny. Er nannte den Tod des Kreml-Kritikers einen „traurigen Vorfall“, den man nicht mehr ändern könne und sprach über die Idee eines Gefangenenaustausches.
Putin äußert sich nach Russland-Wahl zu Nawalnys Tod
Zuvor hatte der britische Journalist Keir Simmons den russischen Präsidenten Putin danach gefragt, ob er die Wahlen wirklich als demokratisch bezeichnen möchte. „Der Journalist Evan Gershkovich traf diese Wahl im Gefängnis. Boris Nadeschdin, der gegen Ihren Krieg in der Ukraine ist, wurde die Teilnahme an Wahlen gegen Sie verweigert, und Alexej Nawalny starb während Ihres Wahlkampfs in einem Ihrer Gefängnisse. Herr Präsident, nennen Sie das Demokratie?“, lautete Simmons Frage laut dem russischen Oppositions- und Exilmedium Meduza.
„Das ist das Leben. Wenn Herr Nadezhdin an diesem Wahlkampf nicht teilgenommen hat, dann ist dies in erster Linie das Ergebnis seiner unbefriedigenden Arbeit bei der Vorbereitung dieser Wahlen“, antwortete Putin. Boris Nadeschdin war im Vorfeld trotz breiter Zustimmung von den Wahlen ausgeschlossen worden, hatte aber – anders als Nawalny – seine Anhänger nicht zu Protesten dagegen aufgerufen.
Nach Russland-Wahl: Putin nennt Tod Nawalnys „trauriges Ereignis“
Putin reagierte in seiner Antwort auf eine weitere Teilfrage des Journalisten – und nahm dabei auch erstmals seit Jahren den Namen des verstorbenen Oppositionspolitikers Nawalny in den Mund. Über Nawalnys Tod in einem russischen Gefängnis sagte Putin: „Was Herrn Nawalny betrifft. Ja, er ist gestorben. Das ist immer ein trauriges Ereignis. Nun, wir hatten andere Fälle, in denen Menschen im Gefängnis starben. Ist das nicht in den USA passiert? Ist mehr als einmal passiert.“ Auch habe Putin „ein paar Tage, bevor Herr Nawalny starb“ die Idee angetragen bekommen, Nawalny gegen russische Gefangene in westlichen Gefängnisse auszutauschen.
„Vielleicht glauben Sie mir, vielleicht auch nicht ... Die Person, die mit mir gesprochen hat, hatte ihren Satz noch nicht beendet, aber ich sagte: ‚Ich stimme zu.‘ Aber leider ist passiert, was passiert ist“, erklärte Putin in der Pressekonferenz. Kurz nach Nawalnys Tod verlautete aus dem Kreis seiner Vertrauten, dass er eigentlich gegen den in Deutschland inhaftierten sogenannten Tiergartenmörder hätte frei getauscht werden sollen. Demnach hätte der im Dezember 2021 in Deutschland verurteilte Wadim K. an Russland ausgeliefert werden sollen – im Gegenzug für Nawalny und zwei nicht näher genannte US-Amerikaner. Ein entsprechendes Angebot sei Kremlchef Wladimir Putin Anfang Februar unterbreitet worden, hieß es.

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Wie die Tagesschau berichtet, bezeichnete Nawalnys langjähriger Vertrauter Leonid Wolkow die Worte Putins als „zynisch“. Der Kreml-Chef habe seinen Gegner in Wahrheit getötet, um ihn nicht austauschen zu müssen. Wolkow bezeichnete Putin als eine „Blut saugende Wanze“, die bald platzen werde. International hatten viele Regierungen die Wahlen in Russland als undemokratisch kritisiert.
Putins Wahl in Russland: Protestaktionen sorgen für Aufsehen
Der zu einer langjährigen Haftstrafe Nawalny war Mitte Februar in einem Straflager in Sibirien gestorben. Die Umstände seines Todes sind bis heute nicht geklärt. Laut Behörden ist der schärfste Kritiker von Putin bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche seien erfolglos geblieben. Seine Witwe Julia Nawalnaja geht davon aus, dass ihr Mann im Lager ermordet wurde.
Sie hatte dazu aufgerufen, am Wahltag eine Idee ihres verstorbenen Mannes in die Tat umzusetzen. Putin-Gegner sollten aus Protest am Sonntag um 12 Uhr zur Wahl gehen und ihren Unmut über die unfreien Wahlen ausdrücken. Das Exilmedium Novaja Gazeta Europe zeigte Warteschlangen, die etwa in Sankt Petersburg um mehrere Häuserreihen gingen, mindestens 40 Menschen sollen demnach nach Protestaktionen festgenommen worden sein.
Russland-Wahl: Nawalnaja stimmt in Berlin ab – Unterstützer legen Wahlzettel auf Nawalnys Grab
In Berlin hatten sich Putin-Gegner zur Wahl am Sonntagmittag vor der russischen Botschaft eingefunden, darunter auch eine Hoffnungsfigur der Opposition. „Julia, wir sind mit dir“, ertönten Rufe aus der Menge, als die Witwe Nawalnys das Gelände der Botschaft betrat. Als sie wenige Minuten später die Botschaft wieder verließ, erzählte sie, was sie auf den Stimmzettel geschrieben hatte: „Natürlich habe ich Nawalny geschrieben. Es kann nicht sein, dass einen Monat vor den Wahlen der wichtigste Gegner Putins, der sich ohnehin im Gefängnis befand, umgebracht wurde.“
Aus Russland selbst zeigte das Nachrichtenportal Meduza noch ein anderes Bild: Auf dem Grab Nawalnys lagen am Sonntag nicht nur weiterhin meterhoch Blumen, sondern auch etwas anderes. Putin-Gegner hatten ihren Protest gegen die Wahlen auf eigene Weise zum Ausdruck gebracht. Sie legten die Wahlzettel der russischen Präsidentschaftswahl auf Nawalnys Grab ab. (dpa/AFP/kat)