„Fortgeschrittener und moderner“: Putin lobt nukleare Triade Russlands
Wladimir Putin ist von den nuklearen Fähigkeiten Russlands überzeugt. Diese seien einzigartig. Nicht nur dabei könnte der Kremlchef übertrieben haben.
Moskau – Der russische Präsident Wladimir Putin hat erneut auf die nuklearen Fähigkeiten seines Landes sowie seine Bereitschaft, diese einzusetzen, aufmerksam gemacht. Einen Aspekt hob er dabei besonders hervor: die nukleare Triade. Doch wie steht es wirklich um die nukleare Abschreckungsmacht Russlands?
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben Putin und andere Kremlbeamte immer wieder öffentlich auf Russlands atomare Fähigkeiten hingewiesen. Teils wurde auch offen mit ihnen gedroht. Westliche Beobachter haben Russland für diese Äußerungen nukleares Säbelrasseln vorgeworfen und behauptet, die Drohungen dienten dazu, Kiew von externer Unterstützung abzuschrecken.

Putin lobt die nukleare Triade Russlands - ist sie „viel fortgeschrittener und moderner“ als alle anderen?
Jetzt hat der russische Staatschef erneut das atomare Arsenal des Landes gelobt. Dabei hob er vor allem die, seiner Meinung nach einzigartige, nukleare Triade hervor – also die militärische Struktur, die aus landgestützten Atomraketen, von U-Booten aus gestarteten ballistischen Raketen und Flugzeugen mit Atombomben und Raketen besteht. Diese Trias, so Putin in einem Interview, das am Mittwoch (13. März) im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde, sei „moderner als jede andere“. Nur sein Land und die USA würden eine solche besitzen, die Russlands sei jedoch viel weiter entwickelt.
Vor allem die „nuklearen Komponenten“ seien „viel fortgeschrittener und moderner“ und jeder wisse das – denn „Spezialisten wissen alles“, so der Kremlchef weiter. Zugleich betonte er erneut, dass man bereit sei, „Waffen einzusetzen, einschließlich jeglicher Waffen – einschließlich der von Ihnen erwähnten [Atom-]Waffen -, wenn es um die Existenz des russischen Staates oder um die Beeinträchtigung unserer Souveränität und Unabhängigkeit geht“.
Nicht nur Russland hat diese nuklearen Fähigkeiten – Und Putin hinkt mit der Modernisierung hinterher
Tatsächlich besitzen Russland und die USA die größten und fortschrittlichsten nuklearen Arsenale. Dennoch sind diese Länder nicht die einzigen, die sowohl land- als auch luft- und wassergestützte Atomraketen haben. China und Indien betreiben ebenfalls alle Systeme, die für eine solche Triade notwendig sind. Israel bestätigt weder den Besitz von Atomwaffen, noch leugnet es diesen; die Existenz von Atomwaffen wird jedoch oft unverhohlen angedeutet. Bekanntermaßen betreibt das Land nuklearfähige Flugzeuge und landgestützte Raketen. Mit der Hinzunahme von nuklear bewaffneten U-Booten würde es ebenfalls über eine vollständige Triade verfügen. So einzigartig wie Putin es erscheinen lässt, sind die atomaren Fähigkeiten Russlands also nicht.
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Was versteht man unter einer „nuklearen Triade“?
Die nukleare Triade ist ein militärisches Konzept, das die drei Hauptkomponenten der nuklearen Abschreckung einer Nation darstellt. Diese Komponenten sind:
Landgestützte Interkontinentalraketen (ICBMs): Dies sind ballistische Raketen, die von festen Startrampen auf dem Boden abgefeuert werden können und die Fähigkeit haben, große Entfernungen zu überwinden, um Ziele auf der ganzen Welt zu treffen.
U-Boot-gestützte ballistische Raketen (SSBNs): Diese Raketen werden von U-Booten abgefeuert und bieten eine mobile und schwer zu ortende Abschreckungskapazität. U-Boote können sich in verschiedenen Meeren verstecken und sind daher schwer zu entdecken und zu neutralisieren.
Strategische Bomber: Flugzeuge, die in der Lage sind, Atomwaffen zu tragen und tief in feindliches Gebiet vorzudringen, um ihre Ziele zu erreichen. Strategische Bomber bieten Flexibilität in Bezug auf Zielauswahl und Einsatzmöglichkeiten.
Die Idee hinter der nuklearen Triade ist, dass durch die Kombination dieser drei verschiedenen Plattformen eine zuverlässigere und robustere Abschreckungskapazität geschaffen wird. Selbst wenn eine der Komponenten einer nuklearen Streitmacht ausfällt oder neutralisiert wird, bleiben immer noch die anderen beiden Komponenten einsatzfähig, was die Glaubwürdigkeit der Abschreckung aufrechterhält.
Und auch in einem anderen Punkt könnte er übertrieben haben. In einem Bericht für den US-Thinktank Carnegie Endowment for International Peace (CEIP) vom Januar legt der russische Politikwissenschaftler Maxim Starchak dar, weshalb Russlands Nuklearmodernisierungsprogramm nur auf dem Papier ein Erfolg ist. Laut Starchak hat es mit erheblichen Verzögerungen zu kämpfen; der Ersatz der Systeme aus der Sowjet-Ära werde aufgrund von technischen und finanziellen Problemen noch Jahre dauern. Die Pläne lägen hinter dem Zeitplan zurück; nur ein Bruchteil der Ziele für 2023 sei erreicht worden. Schuld daran sind laut Starchak schwerwiegende Produktions- und Managementprobleme, die ihm zufolge so bald nicht überwunden werden können.
Raketen, aber kaum moderne Trägersysteme - Der Kreml spart inzwischen sogar bei den Raketentests
Auf den ersten Blick sehe es zwar so aus, als seien Russlands Modernisierungsversuche erfolgreich gewesen; der Anteil moderner (d.h. nicht-sowjetischer) Waffen im Arsenal der strategischen Raketentruppen sei im vergangenen Jahr von 85 auf 88 Prozent gestiegen. Der Raketentransporter Yars habe den Topol aus sowjetischer Zeit ersetzt, ebenso hätten einige Raketendivisionen neue Waffensystem erhalten. Das von Putin, Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Juri Borissow, dem Chef des staatlichen Raumfahrtunternehmens Roskosmos, bereits 2021 versprochene Sarmat-System sei hingegen noch immer nicht ausgeliefert worden.
Zudem habe sich gezeigt, dass die nukleare Wiederaufrüstung dem Kreml so wichtig sei, dass man sogar bei den Tests spare. Von sechs geplanten Teststarts der Samat-Rakete im Jahr 2022 sei nur ein einziger durchgeführt worden. Es gehe bloß noch darum, zu zeigen, dass Russland sein Arsenal aufgerüstet hat - ob diese neuen Systeme tatsächlich funktionieren, sei dabei zweitrangig. Ähnlich sehe es bei den Lufttransportsystemen aus; bei der Entwicklung eines modernen Langstreckenbombers sei Russland im Verzug. Auch die Sewmasch-Werft komme mit den bestellten U-Booten nicht hinterher, die Einführung einer Reihe neuer seegestützter Waffen sei ebenfalls ins Stocken geraten. Russland habe also Raketen, moderne Trägersysteme hingegen kaum. (tpn)