Nachdem Wladimir Putin nukleare Übungsmanöver ankündigte, untermauerte der Putin-Verbündete Rjabkow die Möglichkeit eines Ersteinsatzes atomarer Waffen.
Moskau – Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vor mehr als zwei Jahren schwebt die Gefahr, Wladimir Putin könnte zu einem atomaren Schlag ausholen, wie ein Damoklesschwert über Europa und der Welt. Immer wieder hat Russlands Präsident im Verlauf des Krieges bereits mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, unter anderem das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja wurde zwischenzeitlich als Ziel eines atomaren Angriffs Russlands befürchtet.
Zu Wochenbeginn (06.05.2024), einen Tag vor der erneuten Amtseinführung des russischen Präsidenten, kündigte das russische Verteidigungsministerium an, „in naher Zukunft“ Übungsmanöver mit nicht-strategischen Atomwaffen nahe der ukrainischen Grenze vorzubereiten. Derartige Übungen sollen erstmals seit der umfassenden russischen Invasion der Ukraine stattfinden. Wie Putin betonte, sind sie eine „Antwort auf provokative Äußerungen und Drohungen bestimmter westlicher Offiziere“ und nehmen sich zum Ziel, „die bedingungslose Sicherheit der territorialen Integrität und Souveränität Russlands zu gewährleisten“.
Lässt die russische Nukleardoktrin einen russischen Ersteinsatz mit Atomwaffen überhaupt zu?
Im Rahmen seiner rhetorischen Kriegsführung verweist Putin damit auch auf die russische Nukleardoktrin, die zuletzt 2020 aktualisiert worden war. Ihr zufolge ist der Einsatz von Atomwaffen in zwei Fällen möglich: als Reaktion auf einen Angriff auf Russland mit Atomwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen – oder als Reaktion auf einen Angriff mit konventionellen Waffen, wenn damit die Existenz des russischen Staates bedroht ist. Für die Möglichkeit eines nuklearen Präventivschlags müsste die russische Nukleardoktrin demnach aktualisiert werden. Wie wahrscheinlich aber ist das?
Russlands stellvertretender Außenminister Rjabkow: Ersteinsatz von Atomwaffen unter Militärdoktrin möglich
Wie der US-Nachrichtendienst Newsweek berichtet, antwortete der stellvertretende russische Außenminister und Putin-Verbündeter Sergei Rjabkow am Donnerstag gegenüber Reportern auf die Frage, ob die russische Nukleardoktrin aktualisiert werde, um die Möglichkeit eines Präventivschlags einzubeziehen: „Die Doktrin und die Grundlagen der staatlichen Politik im Bereich der nuklearen Abschreckung sehen ausdrücklich die Möglichkeit des Ersteinsatzes von Atomwaffen vor.“
Moskaus Kriegspolitik habe sich zwar nicht verändert, fügte Rjabkow an, die Situation befinde sich aber in einem ständigen Fluss. „Infolgedessen wird die Art und Weise, wie sich die grundlegenden Dokumente in diesem Bereich auf die Bedürfnisse der Aufrechterhaltung unserer Sicherheit beziehen, ständig analysiert“, betonte der Putin-Verbündete.
„Wir warnen unsere Gegner, dass ihr Eskalationskurs natürlich dazu führen wird, dass wir Schritte unternehmen müssen, die eigentlich eine Verstärkung der Abschreckungsmaßnahmen bedeuten. Die Übungen zum Einsatz nicht-strategischer Atomwaffen sind ein Element dieser Bemühungen“, sagte Rjabkow am Donnerstag.
Meine news
Nicht-strategische Atomwaffen könnten von Russland an der Front benutzt werden
Die in der Ankündigung Russlands zu Wochenbeginn und nun von Rjabkow benannten nicht-strategischen Atomwaffen unterscheiden sich von strategischen Atomwaffen vornehmlich in ihrer Reichweite und Zerstörungskraft. Strategische Atomwaffen dienen der Abschreckung, weil sie von Interkontinentalraketen abgefeuert werden und Ziele in mehreren Tausenden Kilometern Entfernung treffen können.
Taktische Atomwaffen dagegen sind für den Einsatz in einem Kampfgebiet konzipiert, weshalb sie oftmals auch als „Gefechtsfeldwaffen“ bezeichnet werden. Sie könnten – je nach gewählter Variante – in relativer Nähe zu Stellungen eigener Truppen und daher ähnlich wie konventionelle Waffen in einer Schlacht eingesetzt werden. Die zerstörerische Wirkung wäre aber deutlich größer als bei herkömmlichen Artilleriegeschossen. Abzielen könnten sie in einem Kriegseinsatz etwa auf feindliche Soldaten oder Infrastruktur in der Nähe der Front – etwa, um eine gegnerische Offensive abzuwehren.
Bei der Atomwaffen-Übung kann Putin auf Unterstützung von Weißrussland zählen
Im März noch hatte Putin erklärt, dass Moskau zwar auf einen Atomkrieg vorbereitet sei, aber nicht die Absicht habe, die Waffen einzusetzen. Es sei denn, es bestehe eine Bedrohung für die „Existenz des russischen Staates“ oder „eine Schädigung der russischen Souveränität und Unabhängigkeit“.
Am Donnerstag nun betonte Russlands Präsident, dass an den geplanten Atomwaffen-Übungen in Südrussland „nichts Ungewöhnliches“ sei, und dass es sich um „geplante Arbeiten“ handele. Diese bezeichnete Putin im Konkreten als „Training“, wie etwa die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichete.
Auch das Militär Weißrusslands wird sich seinem russischen Verbündeten bei einem Teil seiner Atomübung anschließen, betonte Putin. In der Übung, die dem russischen Präsidenten zufolge „in drei Phasen abgehalten“ werden sollen, „werden sich die weißrussischen Kollegen in der zweiten Phase unseren gemeinsamen Aktionen anschließen.“ (fh)