Versagen oder Erfolg? Israel zieht Bodentruppen aus Gaza ab – und hinterlässt Machtvakuum

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Die israelische Armee hat sich aus Khan Yunis zurückgezogen und steht kurz vor der Offensive auf Rafah. Die Hamas ist allerdings nach wie vor nicht besiegt.

Khan Yunis – Am Wochenende hat das israelische Militär seine Kräfte aus dem Süden des Gazastreifens abgezogen – zumindest teilweise. Die Armee hat ihren Einsatz in Khan Yunis für beendet erklärt, nur im Küstenstreifen soll eine Militär-Brigade verbleiben. Ob diese Entwicklung in Zusammenhang mit den Geisel-Verhandlungen mit der Hamas in Kairo steht oder die Truppen wegen vermehrter Drohnenangriffe lediglich nicht mehr gebraucht werden, ist unklar. Aber eines ist sicher: Vorbei ist der Krieg in Gaza nicht.

Mit dem Rückzug der israelischen Truppen beginne lediglich ein neuer Abschnitt des Krieges, zitiert The New York Times entsprechende Experten. Israel werde künftig kleinere Offensiven im Gazastreifen starten, um zu verhindern, dass die Hamas wieder erstarkt. Diese Strategie stelle einen Kompromiss zwischen einem langfristigen Waffenstillstand und einer großen Bodenoffensive auf sie Grenzstadt Rafah dar.

Es fehlt an allem: Ein Palästinenser in Rafah transportiert Wasser auf einem Kinderdreirad.
Es fehlt an allem: Ein Palästinenser in Rafah transportiert Wasser auf einem Kinderdreirad. © AFP

Netanjahu über Rafah-Offensive: „Keine Macht der Welt wird uns stoppen“

Letztere steht allerdings nach wie vor im Raum. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Montag angekündigt, dass der Termin für eine Offensive bereits gesetzt sei. Die Stadt einzunehmen und die „Terrorbataillone“ zu vernichten, sei erforderlich für einen Sieg Israels. Am Dienstag bekräftigte Netanjahu diesen Plan: „Keine Macht der Welt wird uns stoppen.“ 

Für eine Fortsetzung des Kriegs benötigt die Armee nicht zwingend Truppen vor Ort. Die Streitkräfte sind nach langer Vorbereitung zu KI-gestützten Drohnenoffensiven übergegangen, die auch in Khan Yunis angewandt werden sollen. Gleichzeitig ist im Süden weiterhin die Nahal-Brigade präsent und laut israelischem Militär entlang des Korridors stationiert, der den Gazastreifen in einen Norden und Süden teilt. Im Norden befindet sich eine weitere Division.

Israels bislang unerreichtes Ziel: die Eliminierung der Hamas

The New York Times berichtet von der Situation entlang des Korridors: Dieser werde derzeit als Versorgungsroute für das Militär und Barriere gegen die Flucht von Menschen aus dem Süden Gazas in den Norden genutzt. Außerdem sei er ein potenzieller Ausgangspunkt für militärische Operationen im Norden oder Zentrum des Gazastreifens.

Nach wie vor sind etwa 100 Geiseln aus Israel noch in der Gewalt der Hamas. 1200 Menschen hatte die islamistische Gruppe bei ihrem Überfall auf das israelische Grenzgebiet am 7. Oktober getötet. Der Gegenangriff Israels hat nach Angaben der Hamas bislang mehr als 33.200 das Leben gekostet. Das Ziel, die Hamas auszuschalten, hat Israel bislang nicht erreicht: Laut The New York Times sind mehrere tausend Hamas-Kämpfer weiter auf freiem Fuß. Indem Israel sich jetzt zurückziehe, hinterlasse es ein Machtvakuum, in dem sich die Hamas neu formieren könne.

Panzereinsatz
Das israelische Militär bereitet weiter einen Offensive auf Rafah im Gazastreifen vor. © Ariel Schalit/AP/dpa

Verhandlungen in Kairo – Hamas prüft Vorschlag Israels

Seit dem Wochenende verhandeln Israel und die Hamas wieder mit Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars. Dabei wurde nach US-Angaben der Hamas ein Vorschlag unterbreitet. „Nun liegt es an der Hamas, diesen Vorschlag umzusetzen“, sagte in Washington der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby.

Die Hamas prüft nach eigenen Angaben den dreistufigen Vorschlag der Vermittler:innen, obwohl Israel während der Gespräche auf keine Forderungen eingegangen sei. Das Angebot sieht zunächst eine Feuerpause von sechs Wochen vor. In dieser Zeit soll ein Austausch von 42 israelischen Geiseln und bis zu 900 palästinensischen Gefangenen stattfinden. Frankreich, Ägypten und Jordanien fordern einen „unverzüglichen“ Waffenstillstand.

Israelische Geiseln im Tausch gegen palästinensische Gefangene

Eine Person, die mit den Verhandlungen vertraut ist, hat außerdem davon gesprochen, dass palästinensische Zivilist:innen laut dem Vorschlag Israels in den Norden des Gazastreifens zurückkehren dürfen. Zudem seien bis zu 500 Lastwägen mit Hilfslieferungen täglich geplant.

In einem zweiten Schritt soll die Hamas alle israelischen Geiseln freilassen, wiederum im Austausch gegen eine Anzahl palästinensischer Gefangener. Ein dritter Teil des Abkommens legt einen dauerhaften Waffenstillstand und einen vollständigen Rückzug Israels aus dem Gazastreifen fest. (ses/AFP/dpa)

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