Streit über Bürgergeld für Ukrainer: „Die jetzige Regelung ist falsch“

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Söder fordert: Deutschland sollte Ukrainern nur noch Asylbewerberleistungen gewähren. Landkreis-Chef Karmasin äußert sich zur aktuellen Bürgergeld-Debatte.

Nötige Neujustierung oder billiger Sommerloch-Populismus? Die Forderung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), ukrainischen Kriegsflüchtlingen das Bürgergeld zu streichen, sorgt für Debatten in der Union. Der Chef des Bayerischen Landkreistags, Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin (CSU), findet: Bayerns Kommunen würden profitieren.

Herr Karmasin, Söder will Ukrainern nur noch Asylleistungen zahlen, der CDU-Mann Dennis Radtke wirft ihm Breitbein-Populismus vor. Wer hat Recht?

Söder, definitiv. Die Frage ist doch, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, einzelne Flüchtlingsgruppen zu bevorzugen. Wir als Landkreistag haben die Entscheidung der Ampel-Regierung von Beginn an kritisiert.

Landkreis-Chef Karmasin: „Ukrainer im Bürgergeld kommen unsere Kommunen teurer zu stehen“

Die Union hat die Regelung damals mitgetragen; auch, um den Kommunen Milliarden-Kosten für Asylleistungen zu ersparen. Bürgergeld zahlt der Bund...

Ganz so einfach ist es nicht. Für einige Bundesländer ist es sicher erfreulich, wenn die Ukrainer im Bürgergeld-System sind, weil es für sie schlicht billiger ist, als wenn sie die Asylkosten tragen müssten. In Bayern ist das anders. Hier trägt der Freistaat die allermeisten Asylkosten. Ukrainer im Bürgergeld kommen unsere Kommunen teurer zu stehen, weil sie einen Teil der Wohn- und Nebenkosten zahlen müssen, genauer gesagt: ein Drittel.

Söders Vorschlag ist also ein Geschenk an Bayerns Kommunen?

Ich finde, die jetzige Regelung ist auch inhaltlich falsch. Das Bürgergeld ist unter anderem für Landzeitarbeitslose gedacht und Ukrainer sind keine Langzeitarbeitslosen. Und die Idee, dass sie quasi mühelos in den hiesigen Arbeitsmarkt rutschen, hat sich ja auch als frommer Wunsch erwiesen. Im Gegenteil: Viele Menschen richten sich gemütlich im Bürgergeld-System ein.

Alleinstehende bekommen im Bürgergeld 563 Euro, der Asyl-Satz liegt bei 460 Euro. Sind 100 Euro mehr Grund zum Zurücklehnen?

Sie dürfen nicht vergessen, dass Ukrainer im Bürgergeld auch eine Wohnung bezahlt bekommen. Das ist natürlich bequemer, als in einer Asylbewerbereinrichtung zu sitzen.

In Ihrem Landkreis Fürstenfeldbruck leben knapp 3000 Ukrainer. Was würde besser, wenn sie künftig Asylleistungen statt Bürgergeld bekämen?

Zunächst mal wäre es gerechter, weil alle Flüchtlinge gleichgestellt wären. Auch der Arbeitsanreiz wäre größer, weil Ukrainer dann nicht in der bezahlten Drei-Zimmer-Wohnung säßen, sondern sich eine bessere Perspektive als das Leben in der Flüchtlingsunterkunft aufbauen müssten.

CSU-Chef Markus Söder fordert einen Bürgergeld-Stopp für Ukrainer. Landkreis-Chef Karmasin äußert sich zur aktuellen Debatte. (Symbolbild) © IMAGO / Sven Simon, IMAGO / Sven Simon

Nach Söders Bürgergeld-Vorstoß: Landrat fordert Regierung auf, „das Vereinbarte umzusetzen“

Wären der bürokratische Aufwand und die Kosten dafür, alle Ukrainer in ein anderes Leistungssystem zu überführen, überhaupt vertretbar?

Das wäre ohne Zweifel ein gewisser Aufwand, aber nicht unschaffbar. Am besten wäre es gewesen, die Koalition in Berlin hätte das umgesetzt, was im Koalitionsvertrag ohnehin ausgemacht war: Nämlich zum 1. April allen neu ankommenden Ukrainern nur noch Asylleistungen zu zahlen. Aber selbst das klappt ja nicht: Wer heute aus der Ukraine zu uns kommt, bekommt auch jetzt noch Bürgergeld. Es wäre ja schon mal was, wenn Markus Söders Forderung dazu führen würde, zumindest das schon Vereinbarte umzusetzen.

Sie haben Ende 2023 Aufsehen erregt, als Sie sagten, es gebe Fälle von Sinti und Roma, die sich mit ukrainischen Pässen Bürgergeld erschlichen. Wie ist die Lage heute?

Diese Fälle gab es nicht nur bei uns im Landkreis. Die Leute hatten druckfrische ukrainische Pässe, sprachen aber kein Wort Ukrainisch. Das war sicher kein Massenphänomen, aber eine Masche, die ich ansprechen wollte.

Auch interessant

Kommentare