Wenige in Arbeit, viele im Bürgergeld: Das ist die Bilanz zu den Ukrainern nach drei Jahren Krieg
Immer mehr geflüchtete Ukrainer arbeiten in Deutschland, trotzdem wirkt die Quote mit etwa 30 Prozent gering. Gleichzeitig sind viele im Bürgergeld. Was muss sich ändern?
Nürnberg – Vor drei Jahren hat der russische Angriff auf die Ukraine begonnen. 1,2 Millionen Ukrainer sind in dessen Folge nach Deutschland geflüchtet. Während es zum Start viel Unterstützung für die Geflüchteten gegeben hat, ist 2024 die Diskussion entbrannt, ob Ukrainer weiterhin Bürgergeld erhalten sollten. Immerhin beziehen 200.000 Erwerbsfähige die Sozialleistung. Besonderer Aufreger: die im europäischen Vergleich schwache Beschäftigungsquote.
Besonders Union und AfD hatten beim Bürgergeld-Bezug von Ukrainern Druck gemacht. Ihre Alternative: Die Geflüchteten sollten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Diese sind geringer.
Immer mehr geflüchtete Ukrainer arbeiten: „Integrationsquote“ hat sich verdoppelt
Inzwischen schreitet die „Arbeitsmarktintegration“ der Ukrainer voran, wie die Bundesagentur für Arbeit kurz vor dem Jahrestag des Angriffs mitgeteilt hat. Inzwischen arbeiten 300.000 von ihnen. 245.200 von ihnen als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. – sie zahlen also Beiträge in die Rente, Krankenkassen, Pflege- sowie Arbeitslosenversicherung ein. Vor allem arbeiten Ukrainer im verarbeitenden Gewerbe, Handel, Gesundheits- und Sozialwesen, Baugewerbe, Gastgewerbe sowie in Dienstleistungen wie Gartenbau oder Gebäudemanagement.
Ukrainer im erwerbsfähigen Alter (15 bis 65) | 915.244 (davon 575.494 Frauen) |
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Gemeldete erwerbsfähige Personen | 533.625 |
Arbeitslos | 211.292 (davon 201.588 Bürgergeld-Empfänger) |
Integrationskurse | 98.021 |
Berufsbezogene Deutschkurse | 29.437 |
Förderungen | 20.502 |
Ungeförderte Erwerbstätigkeit | 43.143 |
Ausbildung/Schule | 67.083 |
Erziehung/Pflege | 23.898 |
Quelle: Bundesagentur für Arbeit | Stand: Januar 2025 |
Die „Integrationsquote“ der Ukrainer habe sich 2024 „trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfelds mehr als verdoppelt und im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt sehr gut entwickelt“, schreibt die Arbeitsagentur in der Mitteilung. Dennoch lag die Beschäftigungsquote im November bei 31,7 Prozent. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit im Mittelfeld, erklärte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf IPPEN.MEDIA-Anfrage. Die Quoten seien aufgrund unterschiedlicher Methoden und Definitionen sowie Unterschiede der Länder bei den Bedingungen und Integrationsansätze nur bedingt vergleichbar.
Deutschland verfolgt langfristigen Ansatz bei Integration von Ukrainern – dann ist die Quote hoch
Deutschland verfolgt bei der Integration von Geflüchteten aus der Ukraine einen „Sprache zuerst“-Ansatz. Unter Ländern, die „einem nachhaltigen Integrationsansatz folgen“ sei Deutschland führend und weise eine höhere Beschäftigungsquote dabei, erklärten die Forschenden Davit Adunts, Kseniia Gatskova und Theresa Koch. In Norwegen liegt sie zum Vergleich bei 25 Prozent.

Die Arbeitsmarktforschenden beobachten zudem einen „stetig positiven Trend“. Dabei steige die Beschäftigungsquote mit zunehmender Aufenthaltsdauer. Auch andere Forscher hätten demnach festgestellt, dass eine schnelle Arbeitsaufnahme ohne Investitionen in den Spracherwerb und weitere Qualifikationen oft zu prekären Beschäftigungsverhältnissen in gering qualifizierten Berufen führe. „Andererseits können ein zügiger Spracherwerb und der Erwerb von länderspezifischen Qualifikationen langfristig zu stabileren Arbeitsmarktkarrieren und höheren Einkommen führen“, erklärten Adunts, Gatskova und Koch.
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Sprache und Kinderbetreuung erschweren ukrainischen Geflüchteten zu arbeiten
Laut den IAB-Fachleuten gibt es mehrere Hindernisse, die Ukrainer bei der Aufnahme von Arbeit behindern. Sprachkenntnisse seien eine „Schlüsselkompetenz“. Wer gut Deutsch spreche (auf C1 oder C2-Niveau) habe eine 21 Prozentpunkte höhere Erwerbstätigenquote.
Eine weitere Baustelle ist die Kinderbetreuung. „Geflüchtete Frauen mit Kleinkindern haben ein höheres Risiko der Nichterwerbstätigkeit, weisen weniger Deutschkenntnisse auf und haben bislang seltener einen Sprachkurs besucht“, erklärten die IAB-Experten IPPEN.MEDIA. Immerhin sind fast 63 Prozent der erwerbsfähigen Geflüchteten aus der Ukraine Frauen. Der Kita-Besuch erscheine als „eine wichtige Voraussetzung für die (Arbeitsmarkt-) Integration der geflüchteten Frauen mit Kindern“, heißt es in der Antwort.
Arbeitswillige Ukrainer kritisieren fehlende Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikationen
Weiteres Hindernis ist die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen der Ukrainer. Die Menschen, die vor ihrer Ankunft in reglementierten Berufen tätig waren, sehen demnach einen „erheblichen Unterstützungsbedarf“ bei der Anerkennung der Abschlüsse. Diese sei entscheidend für die Verbesserung der Beschäftigungs- und Einkommensperspektiven, erklärte das IAB. Sie erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer Beschäftigung um 25 Prozentpunkte, wie Untersuchungen zeigten. Eine Maßnahme wären einheitliche Regeln, die die Anerkennungsverfahren übersichtlicher machen und beschleunigen.
Eine möglichst schnelle Schaffung der Rechts- und Planungssicherheit durch längerfristige Bleibeperspektiven könnte zudem die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten fördern, erklärte das IAB.