Deutsche Drohnen-Start-ups kämpfen gegen die Ukraine um den Markt

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Deutsches Schmuckstück: Die Vector-Drohne der deutschen Schmiede Quantum-Systems. Wie andere Hersteller auch, versucht das Unternehmen hinter der Front wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Die Ukrainer aber streben auch dort nach Autonomie. © Nicolas Armer/dpa

Die Vector-Drohne besitzt einen guten Ruf. Deutsche Drohnenschmieden wollen davon profitieren und fertigen vor Ort in einem ökonomischen Wanderzirkus.

Kiew – „Wir erleben einen großen Wandel in Deutschlands Haltung gegenüber der Ukraine, eine völlige Öffnung“, sagt Ihor Fedirko. Den Geschäftsführer des Ukrainischen Rates der Verteidigungsindustrie zitiert die Deutsche Welle zum Engagement westlicher Länder in der Rüstungs- beziehungsweise Drohnenproduktion der Ukraine gegenüber Wladimir Putins Invasionsarmee. Möglicherweise hat die deutsche Unterstützung von Drohnenwaffen sogar Einfluss auf die Strategie auf den Schlachtfeldern des Ukraine-Krieges.

Zumindest geht die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) davon aus: Unbemannte Luftfahrzeuge hätten den Charakter der Kriegsführung radikal verändert, schreibt Beatrice Bösiger. Und auch die Wertschöpfung der Rüstungsindustrie. Geschätzte 20 Prozent der Fläche der Ukraine hält Russland unter seinen Stiefeln, 80 Prozent kontrollieren die Ukrainer weiterhin – und auf diesem Gebiet werden fleißig Rüstungsgüter produziert. Auch von deutschen Firmen. „Mehr als drei Jahre Abwehrkampf gegen die Russen haben die ukrainische Rüstungsindustrie in die Zukunft katapultiert“, schreibt Bösiger.

Deutsche Firmen im Ukraine-Krieg: „Ausbau der strategischen Zusammenarbeit“

„Ausbau der strategischen Zusammenarbeit“ hatte Armin Papperger Mitte 2024 genannt, was innerhalb von 24 Monaten in Stahl, Beton und Eisen gegossen sein soll: eine deutsche Munitionsfabrik in der Ukraine. Der Geschäftsführer der in Düsseldorf ansässigen Rüstungsschmiede Rheinmetall stellt in der Pressemitteilung seines Unternehmens klar: „Damit verbindet sich ein Gesamtwert im niedrigen dreistelligen MioEUR-Bereich, der mit Beginn des dritten Quartals 2024 als Auftragseingang gebucht wird.“ Im Klartext: Damit fließt Geld aus der Ukraine nach Deutschland zurück – vielleicht auch nur in Richtung der Anteilseigner. Was im Großen funktioniert, wird aber auch im Kleinen praktiziert.

„Am 7. April postete der Twitter/X-Nutzer Naval: ,Jedes Land, das keine eigenen Drohnen herstellen kann, wird ein Vasallenstaat sein‘ – eine Aussage, die von Elon Musk mit einem Emoji mit der Zielscheibe beantwortet wurde.“

Drohnenproduzenten geben mittlerweile ebenfalls als Firmenadressen deutsche sowie ukrainische Anschriften an. Produziert beziehungsweise ausgetüftelt werde dort, wo der Krieg stattfindet. „In einem Callcenter nehmen Mitarbeiter rund um die Uhr Anrufe von Soldaten an der Front entgegen, die Fragen haben oder Probleme mit den Drohnen melden“, berichtet Beatrice Bösiger. Hintergrund der Dependancen im Rücken der Front: Das Geschäft gedeiht besser durch „die enge Zusammenarbeit mit dem Militär“, wie die NZZ-Autorin schreibt. Das gelte für Rheinmetall genauso wie für ein Unternehmen wie den deutschen Drohnenhersteller Quantum Systems.

Offenbar gilt dessen Vector-Drohne als so etwas wie ein Flaggschiff des ukrainischen Drohnenkrieges. „Deutscher Drohnenhersteller hilft ukrainischen Streitkräften, die Nacht zu beherrschen“, hat Elisabeth Gosselin-Malo Anfang 2024 das Produkt gepriesen. „Der Vector hatte seine Feuertaufe während der berühmten Schlacht von Siwerskyj Donez im Mai 2022, wo er in der Lage war, in einer Umgebung elektronischer Kriegsführung durch eine dichte Rauchschicht hindurch Feuer zu lenken“, zitierte sie im Magazin Defense News Matthias Lehna. Wie der Business Development Manager vom Hersteller Quantum hinzufügte, sei das die entscheidende Verkaufshilfe gewesen.

Selenskyjs Augen gegen Putin: Vector-Drohnen übernehmen die Fernaufklärung für die ukrainischen Kräfte

Die Vector-Drohnen übernehmen die Fernaufklärung für die ukrainischen Kräfte. Den größten Vorteil der Vector-Drohne sähen die Piloten in ihren Kameras, wie aktuell der Defense Express berichtet. Drei Tageskameras mit unterschiedlichem optischen Zoom biete die Drohne. Wie das Magazin den Piloten mit dem Kampfnamen „Green“ zitiert, hat die auflösungsstärkste Kamera einen 44-fachen optischen Zoom; die Vergrößerung funktioniert also durch die mechanische Veränderung der Brennweite des Objektivs, anstatt dass die Software die Vergrößerung berechnet. Ein optischer Zoom bedeutet immer eine höhere Qualität. Laut „Green“ könne gleichzeitig eine Wärmebildkamera dazu geschaltet werden, also können laufende Triebwerke identifiziert werden oder getarnte Stellungen feindlicher Kräfte.

Zum heldenhaften Nimbus der Drohne soll auch beigetragen haben, dass sie als „unkaputtbar“ beschrieben wird, weil sie während eines Einsatzes elf Schüsse aus Kleinwaffen klaglos ertragen habe und zu ihrer Basis zurückgekehrt sei – in Zukunft aber werde ihr mehr Unheil drohen, vermutet Beatrice Bösiger. „Der Feind arbeitet ständig daran, die ukrainischen Drohnen mit neuen Methoden vom Himmel zu holen“, zitiert die NZZ-Autorin Sven Kruck. Gegenüber dem Blatt äußert der Co-Geschäftsführer der Vector-Schmiede Quantum, dass das Geschäft riskant sei, aber profitabel.

Die Fabrikationsstätte ist anonym, Smartphones seien verboten, bei Luftalarm stürmen alle Mitarbeitenden die Schutzräume. Wirtschaft kann aber auch unter Kriegsbedingungen blühen, so die Vision des Unternehmers: „Statt mehrerer Hundert Drohnen pro Jahr will Kruck künftig mehrere Tausend Fluggeräte in Kiew produzieren“, schreibt die NZZ.

Ökonomischer Wanderzirkus hinter der Ukraine-Front: „plattformtauglich, durchgängig, modular“

„Mit dieser Drohne aus Deutschland können wir die russische Logistik weit hinter der Front angreifen“, sagt „Romero“. Der Soldat fliegt Drohnen für die Ukraine im Kampf gegen Wladimir Putins Invasionsarmee und hat gegenüber der Bild jetzt die Kamikaze-Drohne HF-1 gelobt. Die mit Künstlicher Intelligenz aufgerüstete Waffe der Firma Helsing wird scheinbar seit rund einem Jahr in der Ukraine eingesetzt und soll auch die Bundeswehr verstärken. Auch die Kamikaze-Drohne HX-2 scheint schon erfolgreich im Einsatz zu sein. Aber der Clou von Helsing liegt womöglich in deren Idee von „Resilienzfabriken“: Ein fronttaugliche Produktionsstätte, vergleichbar mit einem ökonomischen Wanderzirkus. Als resilient gilt, was sich an die Umgebung anpassen und aus den Gegebenheiten das Optimum herausholen kann: „plattformtauglich, durchgängig, modular“ beschreibt Torsten Albrecht dieses Konzept.

Gegenüber dem Magazin Factory Innovation hat der Geschäftsführer Industry & Services NTT DATA DACH klar gestellt, dass die Moderne von Unternehmen verlange, „Anpassungsfähigkeit durch die gesamte Organisation zu skalieren“, wie er sagt. Angefangen von der Belegschaft, über die Produktionsprozesse bis zur eingesetzten Technologie. Laut Gundbert Scherf erlaube eine „Resilienzfabrik“ die „dezentrale Massenproduktion in ganz Europa“, wie Thomas Wiegold im Militärblog Augen geradeaus ! den Helsing-Mitbegründer zitiert. Scherf zufolge könnte aufgrund dieser Arbeitsorganisation in jedem Land aufgrund deren Bedingungen vor Ort produziert werden. Produktion und Lieferketten oblägen damit der individuellen Kontrolle. „Nach den Worten seines Kollegen Niklas Köhler setzen die Resilienzfabriken auf ein softwarebasiertes Design und skalierbare Produktionstechniken. Damit könnten komplexe Probleme mit Software statt mit aufwendiger Elektronik gelöst werden“, so Wiegold in Augen geradeaus!.

Gegen Russland und die Nato: Ukraine beginnt, Autonomie in der Produktion von Drohnen herzustellen

„Reines Marketingsprech“ kritisieren Kommentatoren und fragen, wer denn diese Resilienzfabriken finanziere. Fakt ist, dass die Bundesregierung Drohnen von deutschen Unternehmen für die Ukraine gekauft hat. Ob die nun vor Ort produziert werden, ist unklar. Genauso unklar die Herkunft des Geldes, womit die Ukraine möglicherweise selbst zahlt. Selbst das könnte aus Europa stammen. Klarheit besteht allerdings darin, dass die Ukraine beginnt, Autonomie in der Produktion von Drohnen herzustellen. Wie Forbes bereits im April berichtet hat, produziere die Ukraine inzwischen Drohnen fast ohne chinesische Bauteile. Möglicherweise würden Drohnen wie die Aufklärer von Quantum oder die Kämpfer von Helsing über kurz oder lang von der Ukraine selbst hergestellt werden können.

Forbes-Autor David Hambling legt nahe, dass die Ukraine bezüglich Innovationen den Markt dominieren will: Auch in der Entwicklung von Wärmebildkameras scheine das Land die Abhängigkeit von ausländischen Komponenten aufzulösen. Eine erste selbst entwickelte und selbst produzierte Wärmebildkamera soll funktionstüchtig sein, so Forbes. Insofern muss auch ein Unternehmen wie Quantum um Marktanteile buhlen. Stück für Stück könnte deren Vector-Drohne nachgebaut werden. Auf diesem Feld ist Europa zum Kämpfen verdammt, legt auch Hambling nahe:

„Am 7. April postete der Twitter/X-Nutzer Naval: ,Jedes Land, das keine eigenen Drohnen herstellen kann, wird ein Vasallenstaat sein‘ – eine Aussage, die von Elon Musk mit einem Emoji mit der Zielscheibe beantwortet wurde.“

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