Russland greift die Ukraine weiterhin mit Kampf-Drohnen und Aufklärungs-Drohnen an, in denen Teile von westlichen Herstellern verbaut sind. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirft unter anderem Deutschland vor, die Lieferung und den Weitertransport nicht zu unterbinden. Tatsächlich geraten Drohnen-Teile über deutsche Unternehmen in die Ukraine, obwohl die Behörden das verhindern wollen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt in mehreren Fällen, offiziell äußern will sie sich nicht.
Linken-Chef Jan von Aken versucht auf Anfrage von FOCUS online eine erste Einordnung: "Einfache Schrauben sind natürlich anders zu bewerten als kritische oder militärische Bauteile. Wir müssen dazu mehr wissen als bisher bekannt ist." Grundsätzlich sei er dagegen, Waffen und Waffenteile nach Russland zu liefern. "Das sollte für alle Firmen in unserem Land gelten, sonst machen sie Geld mit dem Krieg gegen die Ukraine."
Welche Teile werden in russischen Drohnen verbaut?
Zu den Drohnen-Komponenten, die aus westlichen Ländern nach Russland gehen, gehören nach Informationen von FOCUS online beispielsweise Konverter. Das sind Schalter, die eine Form von elektrischem Signal in eine andere umwandeln. Beliebte Bauteile sind Sensoren und Mikrocomputer. Mikrocontroller für unbemannte Luftfahrzeuge produziert die Schweiz, Mikrocomputer für die Flugsteuerung stellt Großbritannien her. Als Treibstofftank wird gerne eine handelsübliche PET-Flasche genommen. Beim Fund abgeschossener Drohnen finden ukrainische Streitkräfte außerdem Dinge, die normalerweise in Handys verbaut sind: Handymodems für die Internetverbindung, Speicherkarten und kleine Kameras.
Nach Ansicht des Drohnen-Experten Frank Umbach von der Uni Köln verwenden die Russen außerdem die Chip-Elektronik von deutschen Kühlschränken und statten ihre Drohnen damit aus. So waren laut seiner Aussage zu Kriegsbeginn aus Kasachstan besonders viele deutsche Kühlschränke bestellt und dann nach Russland weitergegeben.
Es handelt sich hierbei um "Dual-Use"-Güter, also Güter, die erstmal nicht für militärische Zwecke produziert wurden, aber trotzdem dafür geeignet sind. Nicht immer werden diese Komponenten in Deutschland hergestellt, sie gelangen aber mit deutscher Hilfe zu Putins Streitkräften. Der Export von "Dual-Use"-Gütern nach Russland ist verboten und mit strengen EU-Sanktionen belegt, wie das Auswärtige Amt FOCUS online mitteilt. Trotzdem gibt es einen funktionierenden Handel.
Besonders prominent sind zwei Fälle in Deutschland, in denen jüngst Urteile gefallen sind. So hat der Unternehmer Waldemar W. nach Angaben der Bundesanwaltschaft über zwei Firmen für internationalen Elektronikhandel im Saarland Elektrobauteile nach Russland geschickt. 54 Mal soll der Russlanddeutsche, der in seinem Ort Heusweiler für die Linkspartei 2014 für den Gemeinderat kandidiert hatte, solche Lieferungen veranlasst haben. Empfänger war eine russische Firma, die mit der Produktion von militärischem Material und Zubehör befasst ist. Mit W.s Lieferung wurde die „Orlan-10“-Drohne hergestellt, ist sich die Bundesanwaltschaft sicher. Russische Streitkräfte setzen diese Drohne bis heute zur Aufklärung ein.
Produktion von Drohnen: Wie werden EU-Sanktionen umgangen?
Zur Umgehung der EU-Sanktionen importierte Waldemar W. die betreffenden Waren in der Regel zunächst aus dem Ausland nach Deutschland und exportierte sie, zum Teil über ein anderes Unternehmen, das seiner Komplizin Natalie S. führte Sie unterstützte dieses Vorgehen nach Überzeugung der Ermittler in 14 Fällen, indem sie gegenüber dem Vorlieferanten erklärte, dass die Güter in Deutschland verbleiben würden. Tatsächlich wurden die Waren jedoch zunächst an zwei in Russland ansässige zivile Scheinfirmen ausgeführt. Die Scheinfirmen sorgten in Absprache mit Waldemar W. für eine Weiterleitung an den militärischen Hersteller.
Nach Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 ging Waldemar W. dazu über, die Waren mit Hilfe vorgeschobener Empfänger in Drittstaaten unter anderem in Kirgisistan und Hongkong nach Russland zu transportieren. Der Gesamtwert der verbotswidrig ausgeführten Bauteile beläuft sich auf etwa 875.000 Euro. Waldemar W. sitzt inzwischen im Gefängnis. Er wurde wegen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Seine Partnerin Natalie S. erhielt eine Bewährungsstrafe von 21 Monaten.
Urteil in Hamburg: Männer belieferten Russland mit Technik
Der zweite Fall spielt in Hamburg: Zwei Männer wurden am Freitag vor dem Oberlandesgericht Hamburg wegen der banden- und gewerbsmäßigen Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.
Das Gericht war sich in seinem Urteil sicher, dass die beiden Männer sensible Elektronikkomponenten, die unter anderem für den Bau militärischer Drohnen gebraucht werden, nach Russland ausgeführt haben. Sie wussten, dass die Waren in der Russland-Embargo-Verordnung gelistet waren. Von Oktober 2022 bis Mai 2023 sollen Güter wie Dioden, Schaltungen und Transistoren im Gesamtwert von knapp 1,2 Millionen Euro über vermeintliche Abnehmer in Armenien, China, Hongkong sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten an Endempfänger in Russland weiter transportiert worden sein.