Weshalb Trumps Hamas-Drohungen ernster sind als seine Putin-Ansagen

Donald Trump droht im Umgang mit Hamas einmal mehr mit der militärischen Stärke der aktuell einzigen globalen Supermacht und das Publikum teilt sich erneut in zwei Lager: Das seiner Gegner, die ihn wörtlich, aber nicht ernst nehmen, und das seiner Anhänger, die ihn ernst, aber nicht wörtlich nehmen.

Trumps „Letzte-Chance-Plan“: Ultimatum an die Hamas 

Das Muster, nach dem der amerikanische Präsident vorgeht, ähnelt in einigen Punkten seiner Politik gegenüber Wladimir Putin – wir kommen darauf zurück. 

Gegenüber der palästinensischen Terrororganisation formulierte Trump am Freitag auf seinem Netzwerk Truth Social ein strenges Ultimatum hinsichtlich seines 20-Punkte-Plans. Es sieht eine Entwaffnung von Hamas, den Austausch ihrer israelischen Geiseln gegen Hamas-Gefangene in israelischem Gewahrsam, die Verwaltung des Gaza-Streifens durch eine internationale Autorität unter seiner Führung und eine Beendigung des Krieges vor. 

Dazu schrieb Trump in seiner üblichen Art unter Einsatz von vielen Großbuchstaben: „Bis Sonntagabend um 18 Uhr Washingtoner Zeit muss eine Einigung mit der Hamas erzielt werden. Alle Länder haben unterschrieben! Wenn diese Vereinbarung der LETZTEN CHANCE nicht zustande kommt, wird die HÖLLE, wie sie noch nie zuvor erlebt wurde, über die Hamas hereinbrechen.“ 

Hamas dachte nicht daran, alle Punkte zuzugestehen, signalisierte zwar vage eine Bereitschaft zum Austausch von Geiseln und Gefangenen, verlangte aber ansonsten weitere Verhandlungen. Der Trump-treue Senator Lindsey Graham kommentierte daraufhin am Samstag, die Hamas habe den Plan de facto abgelehnt, indem sie darauf bestehe, „keine Entwaffnung zuzulassen, Gaza unter palästinensischer Kontrolle zu belassen und die Freilassung der Geiseln an Verhandlungen zu knüpfen."

Trumps Rhetorik verliert plötzlich an Schärfe

Der CNN-Journalist Jake Tapper wollte daraufhin von Trump per Textnachricht wissen: „Hat er unrecht?“

„Wir werden es herausfinden. Nur die Zeit wird es zeigen!!!“, antwortete Trump am gleichen Tag. Der Präsident fügte hinzu, er erwarte „bald“ Klarheit darüber, ob die Hamas sich wirklich für den Frieden einsetze.

„Bald“, „nur die Zeit wird zeigen“, „wir werden es herausfinden“ – kein Wort mehr von der nahen „Hölle“, die vormalige Dringlichkeit war plötzlich sehr relativiert. Am Montag begannen in Ägypten die Verhandlungen zwischen Israel und Hamas, und Trump sagte, er rechne damit, dass die Verhandlungen „ein paar Tage“ dauern würden. 

Wie lange wären ein paar Tage? Das ist unklar. Aber am Freitag wird in Oslo der diesjährige Träger des Friedensnobelpreises verkündet, und in jedem Fall würde es die ohnehin als gering eingeschätzten Chancen Trumps auf diese Auszeichnung weiter reduzieren, ließe er die Hölle schon zuvor losbrechen.

Vom Ultimatum zum Gipfel: Trumps Kurs gegenüber Putin 

Blicken wir auf einen anderen Kriegsschauplatz: Immer wieder, unter anderem am 8. Mai, hat Donald Trump auch seinem Amtskollegen Wladimir Putin gedroht. Wenn der die Angriffe auf die Ukraine nicht einstelle und einen Waffenstillstand verweigere, würden die USA weitere „sehr schmerzhafte“ Sanktionen gegen Russland verhängen. 

Moskau lehnte den Waffenstillstand indes ab und intensivierte gar seine Angriffe sogar auf zivile Zentren in der Ukraine. Am 28. Mai setzte Trump nach: Er werde innerhalb von zwei Wochen wissen, ob Putin es mit der Beendigung des Krieges ernst meine oder ihn nur „hinhalten“ wolle. Die Reaktion? Russlands Attacken gingen unvermindert weiter.

Am 14. Juli kündigte Trump an, die USA würden weitere Sanktionen gegen Russland und 100-prozentige Zölle auf Länder verhängen, die russisches Öl kaufen, falls Putin nicht innerhalb von 50 Tagen zustimmte, den Krieg zu beenden. Am 28. Juli verkürzte Trump die Frist „auf 10 oder 12 Tage“. 

Sein Sondergesandter Steve Witkoff traf sich am 6. August, zwei Tage vor Ablauf der Frist, mit Putin in Moskau. Im Anschluss sagte Trump, es bestehe eine „gute Chance“, dass ein Treffen mit Putin „sehr bald“ stattfinden werde.  

Und als die Frist des US-Präsidenten am 8. August ablief, kündigte Trump statt zusätzlicher Sanktionen einen Gipfel mit Putin am 15. August in Alaska an. Kurz vor dem Gipfel warnte Trump erneut, für Russland gebe es „schwere Konsequenzen“, wenn Putin einem Waffenstillstand nicht zustimme. 

Trumps Doppelspiel: Für Putin berechenbar, für Hamas gefährlich

Die Begegnung zwischen Trump und Putin in Alaska machte dann aber vor allem Schlagzeilen, weil der Amerikaner dem Russen applaudierend auf dem Rollfeld entgegenging. Einen Waffenstillstand gibt es bis heute nicht. 

Und obwohl Trump anschließend eine eher Ukraine-freundliche Position einnahm, ist von Sanktionen gegen Russland nicht mehr die Rede. Lediglich die Zölle auf Einfuhren aus Indien verdoppelte der US-Präsident von 25 auf 50 Prozent, weil Delhi russisches Öl nicht nur zur eigenen Energieversorgung kauft, sondern auch auf dem Weltmarkt veräußert.

Soll man Trump ernst nehmen oder wörtlich nehmen? Der Präsident ist ein Freund rascher Ankündigungen, die seine Umgebung nicht immer wieder einfangen kann. Von Putin, einem starken Mann, der sich nicht mit Opposition oder Gerichten herumschlagen muss, ist er seit vielen Jahren fasziniert. Die völlige Konfrontation mit dem russischen Amtskollegen will er darum vermeiden. Und darum weiß Putin, dass er Trump nicht ernst nehmen muss, und wörtlich schon gar nicht.

Auf Hamas wird Trump indes weniger Rücksicht nehmen – oder doch nur so lange, bis der Friedensnobelpreis ausgelobt ist. Sollte Hamas nicht weitgehend seine Forderungen erfüllen, dürfte Trump Israel freie Hand in Gaza geben. Hamas sollte den amerikanischen Präsidenten sehr ernst nehmen.

Von unserem Autor Ansgar Graw erschien unlängst das Buch: „Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt".