„Falscher Ansatz“: Bürgergeld statt Job-Turbo für Geflüchtete – so wenige arbeiten
Mit dem Job-Turbo sollen Ukraine-Geflüchtete schnell und einfach arbeiten können. Was auf dem Papier gut klingt, wirft beim Blick auf die Zahlen aber Fragen auf.
Berlin – Seit dem russischen Überfall und der Ausweitung des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 haben über 1,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland Schutz gesucht. Mit dem sogenannten Job-Turbo will die Bundesregierung diesen Geflüchteten ermöglichen, schnell eine Arbeit zu finden. Denn anders als Geflüchtete aus Syrien oder Afghanistan haben Ukrainerinnen und Ukrainer sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt – und auch zu umfassenden Sozialleistungen wie dem Bürgergeld. Neue Zahlen zeigen nun aber, dass der Plan nicht aufzugehen scheint. Die Beschäftigungsquote von Ukrainerinnen und Ukrainern ist gering. Die CDU spricht vom „Flop-Turbo“.
Nur wenige Ukraine-Flüchtlinge arbeiten
Zum 1. Oktober 2024 waren insgesamt 1,56 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer registriert, die seit Kriegsbeginn 2022 nach Deutschland kamen. Diese Zahl nannte das Bundesinnenministerium dem CDU-Bundestagsabgeordneten Marc Biadacz, nachdem dieser sich in einer schriftlichen Anfrage nach der Beschäftigungsquote dieser erkundigt hatte. Die Antwort liegt IPPEN.MEDIA vor. Davon befanden sich Ende August noch knapp 1,16 Millionen ukrainische Kriegsflüchtlinge (nach Februar 2022 gekommen) in Deutschland, 1,3 Millionen ukrainische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger insgesamt.

Beim Blick auf die Zahlen der Arbeitsagentur, die das Innenministerium in seiner Antwort präsentierte, wird schnell eine Diskrepanz deutlich: Von den 1,3 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern – etwas mehr als die Hälfte davon zwischen 15 und 65 Jahre alt – gingen im August 2024 rund 221.000 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Das entspricht einer sozialversicherungspflichtigen Quote von 24,4 Prozent. Wie viele davon nach dem 22. Februar 2022 nach Deutschland flohen und wie viele schon vorher hier lebten, weiß das Ministerium laut eigener Angabe nicht.
„Falscher Ansatz“: Bürgergeld statt Job-Turbo für Geflüchtete
Interessant dabei: Mit dem Job-Turbo wollte Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) die Zahl der arbeitenden Geflüchteten durch Sprach- und Integrationskurse erhöhen. „Die Bundesregierung wird ihre Anstrengungen noch einmal verstärken, um Geflüchtete schnell und möglichst nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Denn Arbeit und Integration bedingen sich gegenseitig“, hieß es dazu von Heil. Dass er nun wohl nicht einmal weiß, wie viele Geflüchtete voll arbeiten, sorgt für Kritik von der CDU.
„Ich habe einmal genau nachgefragt und wollte bei der Befragung der Bundesregierung von Hubertus Heil wissen, wie viele der seit Februar 2022 nach Deutschland geflohenen Menschen aus der Ukraine einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Die Antwort ist mehr als ungenau“, bemängelt Marc Biadacz, Obmann der CDU/CSU für Arbeit und Soziales, gegenüber IPPEN.MEDIA. „Woher der Minister Heil weiß, dass der Job-Turbo ein Erfolg ist, erschließt sich mir nicht.“ Der Christdemokrat kritisiert Heils Politik insgesamt: „Mehr als 60 Prozent der Ukrainer sind im SGB-II-Bezug und erhalten beispielsweise Bürgergeld. Dies zeigt, dass insbesondere das Bürgergeld der falsche Ansatz ist, um Menschen in Arbeit zu bringen.“, so Biadacz.
Machen andere EU-Länder es besser?
Biadacz blickt deshalb ins Ausland: „Der Job-Turbo sollte geflüchtete Menschen in Arbeit bringen, doch er zündet nicht. Der europäische Vergleich zeigt uns, dass es dem Bundesarbeitsminister nicht gelingt, die aus der Ukraine geflüchteten Menschen auf den Arbeitsmarkt zu integrieren“, so der CDU-Politiker. „In Dänemark haben mehr als die Hälfte der ukrainischen Geflüchteten eine bezahlte Beschäftigung gefunden. In Polen und Tschechien liegt der Anteil sogar noch höher.“ Laut Bundesregierung lag Deutschland bei der Beschäftigungsquote von ukrainischen Geflüchteten im ersten Quartal 2024 im europäischen Mittelfeld.
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Statt Job-Turbo und Möglichkeiten zum Bürgergeldbezug spricht sich Biadacz auch bei ukrainischen Geflüchteten für den gängigen Weg über das Asylbewerberleistungsgesetz aus. Geflüchtete, etwa aus Syrien oder Afghanistan, haben keinen unmittelbaren Anspruch auf Bürgergeld, erhalten weniger Sozialleistungen. Für den CDU-Politiker sind die Beschäftigungsquoten aus den – abseits der Ukraine – Top-Herkunftsländern aber ein Positivbeispiel. Biadacz verweist auf Zahlen der Arbeitsagentur.
CDU: „Job-Turbo ist ein Flop-Turbo“
„Personen aus den Top-Herkunftsländern haben im August 2024 eine durchschnittliche Beschäftigungsquote von 44,9 Prozent, Menschen aus Eritrea sogar von 61,9 Prozent. Dem gegenüber stehen Personen aus der Ukraine mit einer wesentlich geringeren Beschäftigungsquote“, so der CDU-Politiker. Zwar bezieht er sich hier auf sozialversicherungspflichtige und Minijobs. Jedoch liegt der Wert mit 29,9 Prozent bei Ukrainerinnen und Ukrainern auch hier deutlich darunter. Die Beschäftigungsquote ist bei keiner Gruppe niedriger. Biadacz weiter: „Für mich ist daher klar, der Job-Turbo ist ein Flop-Turbo, der keine Wirkung entfaltet.“