Bezahlbarer Wohnraum: Altstadthaus Kempten zeigt Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung
Bezahlbarer Wohnraum in Bayern: Eine Ausstellung im Altstadthaus Kempten beleuchtet Herausforderungen und Lösungen. Noch bis 13. Dezember ist die Schau zu sehen.
Kempten – „Wir leben in schwierigen Zeiten und sagen, bezahlbarer Wohnraum ist ein Grundrecht“, sagte der Kreisvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunde (DGB) Ludwin Debong bei seiner Begrüßung und erläuterte damit den Grund für die derzeit laufende Ausstellung im Altstadthaus. Die von der Friedrich-Ebert-Stiftung gestaltete Schau zum Thema bezahlbarer Wohnraum in Bayern kann noch bis zum 13. Dezember besucht werden.
Zur Eröffnung gab es eine Podiumsdiskussion mit Baureferent Tim Koemstedt, Ingrid Vornberger, stellvertretende Vorsitzende des Mietervereins Kempten, Kathrin Schlechter von der Sozialbau und Florian Hörger von der BSG-Allgäu.
Ausstellung „Bezahlbarer Wohnraum“: Das Ausstellungskonzept
Felix Henkel von der Friedrich-Ebert-Stiftung führte in die Ausstellung ein. Sie beschreibt die Situation in Bayern und ist thematisch dreigeteilt: Es wird auf die Hintergründe der Lage am Wohnungsmarkt eingegangen, auf die aktuelle Mietbelastung und auf die Lösungsansätze.
Die Bevölkerung wächst, Immobilienpreise und Mieten sind in den vergangenen Jahren drastisch erhöht worden. 2008 war München teuer, seit 2023 sind die Mieten flächendeckend in ganz Bayern hoch. Gestiegene Energiepreise und Inflation belasten die Menschen. Hohe Bau- und Finanzierungskosten und der Fachkräftemangel bremsen den Neubau. Die Zahl geförderter Mietwohnungen sinkt seit Jahren. Es bleibt weniger zum Leben übrig als noch 2008. Besonders betroffen sind niedrigere Einkommen.
Wie kann man bezahlbaren Wohnraum schaffen?
Bayern brauche mehr geförderten Wohnraum, so Henkel. Er ging auch auf Handlungsmöglichkeiten der Kommunen ein. Diese sollten beispielsweise Grundstücke nicht verkaufen, sondern in Erbpacht an gemeinwohlorientierte Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften geben. Die Innerstädtische Nachverdichtung sei zu priorisieren.
Für Tim Koemstedt ist das Zusammenspiel der Akteure – Stadtverwaltung, Stadtrat, BSG, Sozialbau und Baugenossenschaft wichtig. „Gestiegene Baukosten machen Bauen teurer. Der Baukostenindex ist seit Corona um über 30 Prozent gestiegen. Mietpreise kostendeckend abzurufen, bedeutet 20 Euro pro Quadratmeter. Kosten sind ein heißes Thema. Wir werden nie mehr auf das Niveau von vor vier Jahren zurückkommen“, so Koemstedt.
Er wies darauf hin, dass die Stadt die Innenstadtentwicklung vorangetrieben habe, wie beispielsweise das ehemalige Brauhausgelände, die ehemalige Prinz-Franz-Kaserne und das ehemalige Klinikum. Kempten als Oberzentrum ist eine attraktive Stadt und hat daher einen hohen Zuzug, die Nachfrage nach Wohnungen sei sehr hoch und das macht bezahlbaren Wohnraum immer schwieriger.
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Kathrin Schlechter sprach die enorm gestiegenen hohen Baukosten und die Bauvorschriften, zur Energetik und Barrierefreiheit, an. „Wir müssen einfacher bauen dürfen, derzeit ist das Bauen unheimlich teuer. Auch die Betriebskosten steigen. Mehr Technik erfordert mehr Strom. In den 90er-Jahren brauchten wir nicht so viele Wohnungen. Seit 2015 haben wir einen erheblichen Mehrbedarf.“
Florian Hörger verwies auf die extrem niedrige Eigentumsquote. Da nimmt Deutschland in Europa einen hinteren Platz ein. „Das wirkt sich extrem auf den Mietmarkt aus. Ferner sind Förderungen weder stabil noch langfristig.“
Was kann man von Kempten lernen?
In einer weiteren Fragestellung ging es darum, was können wir von Kempten lernen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen? Für Koemstedt kommt es darauf, Flächen im Vorrat zu haben und nicht nach außen zu wachsen. „Ein Einfamilienhaus ist die unökologischste und unökonomischste Art, ein Haus zu bauen.“ Kempten verfolgt eine konsequente Nachverdichtung. „Wir müssen aber auch Freiflächen und Grünflächen behalten.“
Auf Nachfrage erteilte der Baureferent dem Tiny House eine Absage. „Das macht auf freien Flächen keinen Sinn.“ Auf einem Dachgeschoss könne er sich das eher vorstellen. Auch eine Aktivierung von Dachgeschossen ist sinnvoll. Ein Aufstocken auf bestehende Häuser hänge jedoch von der Statik ab und könnten nicht uneingeschränkt erfolgen. Schlechter verwies in diesem Zusammenhang auf die Hochhausrichtlinien, den Brandschutz und den Stellplatznachweis.
Geschossbau auf bereits erschlossenen Grundstücken
„Wir investieren in den Geschossbau und in Grundstücke, die bereits erschlossen sind (ehemaliges Saurer-Allma-Gelände), das macht das Bauen günstiger“, sagte Schlechter. Sie machte auch auf das von der Sozialbau entwickelte „Kemptener Modell“ aufmerksam. Mit diesem geht das Unternehmen einen neuen Weg: Es beginnt bereits beim Start von Neubauvorhaben entsprechende Bestandswohnungen in Form der „mittelbaren Belegung“ an Wohnberechtigte mit Wohnberechtigungsschein zu vermieten.
Hörger sprach das Konzept der BSG der einkommensorientierten Förderung (EOF) für bezahlbare Mieten an. Hierzu muss man Mitglied bei der BSG sein. Sollte sich der Mieter zwölf Euro pro Quadratmeter nicht leisten können, kommt die Stadt für die Differenz auf. Hierzu wird ein Wohnberechtigungsschein von der Wohnungsstelle der Stadt benötigt. „Wir brauchen aber auch frei finanzierte Wohnungen, ansonsten können wir die zwölf Euro pro Quadratmeter nicht halten.“
Frage nach der Rottachsiedlung
Auf die Publikumsfrage, warum in der Rottach-Siedlung viele Wohnungen seit Jahren leerstehen, erläuterte Schlechter, dass es nicht ausreicht, nur eine Heizung einzubauen. „Die Gebäude sind so veraltet, eine Modernisierung und den Bestand erhalten funktioniert nicht.“ Laut Koemstedt kann man ein Gebäude nur dann modernisieren, wenn die Grundstruktur passt und es dann noch weitere 50 Jahre nutzbar ist. In der Vergangenheit wurden Gebäude auch an Privatinvestoren verkauft. „Das war ein Fehler, denen geht es nur um Profit und die kümmern sich nicht um den Zustand der Wohnungen“, sagte Vornberger.
Die Frage nach Gebäuden E (einfach) aus dem Publikum wurde abschlägig beurteilt. „Bei einem Bau müssen wir 20.000 DIN Normen beachten“, äußerte sich Schlechter. „Wir müssen beim Bau auf energetische Standards, Brandschutz, Statik, Schallschutz und vieles mehr achten. All das gilt es bei Gebäuden E zu klären, da ein Abspecken der Bauvorschriften erforderlich wäre. Ferner ist dann noch die Haftungsfrage zu klären“, ergänzte Koemstedt.
Ein Besucher sprach die vielen unbebauten Flächen in der Stadt an und wollte wissen, ob man die Eigentümer zwingen könne, die Grundstücke zu bebauen. Der Baureferent verneinte. Die Stadt habe in der Vergangenheit etliche Grundstücksbesitzer angeschrieben und kaum Resonanz erhalten.
Alle waren sich einig, dass die Stadt mit der Sozialbau, der BSG und der Baugenossenschaft bezahlbaren Wohnraum auch weiterhin zur Verfügung stellen kann.
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