Kempten: 80iger-Ikone „Alphaville“ bringt die Big Box zum Tanzen
Er singt, er tanzt, er schwitzt, ohne Pause, zwei Stunden lang, eine starke Leistung mit 70 Jahren. Die Stimme voll und variabel wie in den Anfängen, anno 1984: „Big in Japan“ ist der erste Welthit für Marian Gold und seine coole, damals stilbildende Combo „Alphaville“.
Kempten – Als Auftakt zu ihrer Jubiläumstour durch Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich die deutschen Synthie-Popper aus Berlin die Big Box ausgesucht. Keine schlechte Idee: der Saal ausverkauft, das Publikum dankbar und der Soundmix so gut wie schon lange nicht mehr bei einem Konzert.
„Alphaville“ in Kempten: Big Box steht Kopf
Und das beginnt mit einem Knallstart ohnegleichen. Innerhalb weniger Minuten steht der Saal und tanzt und ist schon bei Song Numero vier aus dem Häuschen: Das bereits erwähnte „Big in Japan“ reißt die Leute hoch und das Thermometer steigt. „Wir feiern mit euch 40 Jahre Alphaville“, keucht Marian Gold nach diesem ersten Kracher, „und wir spielen unsere Lieder nicht chronologisch, das wär ja langweilig!“ Also, Schweiß abwischen und atemlos durch die Nacht.
Die Band ist gut drauf – sie hat immerhin noch 28 Konzerte vor sich, bis es 2025 wieder Sommer wird! – und mit Keyborder Carsten Brocker einen echten Eyecatcher: Der Mann gibt den Sound vor und verausgabt sich dabei völlig. Man hat immer ein bisschen Angst, dass er dabei von der Bühne fällt … Marian Gold steht ihm in puncto Einsatz in Nichts nach. Der Ex-Hausbesetzer, Ex-Anti-WAA-Kämpfer (Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf) und siebenfache Vater gibt richtig Gas, hüpft mal quer über die Bühne, animiert das Volk, singt, was die Lunge hergibt und nimmt in 120 Minuten nur dreimal einen Schluck aus der bereitstehenden Thermosflasche – Gold ist ein Phänomen.
„Alphaville“: Machen seit fast 30 Jahren Musik zusammen
„Anfang der 90er steckten wir in einem kreativen Tief“, erzählt er zwischen Welthits und eher unbekannten Werken und lacht: „Wenn denn ein Tief überhaupt kreativ sein kann!“ Das Kemptener Publikum, angereichert durch zahlreiche Fans aus der Schweiz und Württemberg (in Stuttgart tritt „Alphaville“ erst im April 2025 auf), goutiert Marians Anekdoten zurückhaltend-freundlich, auch beim Großteil der Songs gehen nur die wahren Synthie-Pop-Jünger so richtig aus sich raus.
Das ist ein bisschen schade, die Performance ist nämlich wirklich gut, Bassistin Alexandra Merl, Gitarrist David Goodes und Drummer Jakob Kiersch begleiten den charismatischen Marian Gold zum Teil schon seit fast dreißig Jahren bei seinen leidenschaftlichen Auftritten. Der ist ein im positiven Sinn „Besessener“, für den Musik sein Leben ist: „Manchmal haben wir Angst, etwas live zu spielen, weil komplizierte Songs eigentlich nur im Studio zusammengebaut werden können.“
Doch Gold und „Alphaville“ überwinden ihre Angst und trauen sich sogar eine „Weltpremiere in Kempten“ zu: „Mysteries of love“ bringen sie erstmals live vor Publikum zu Gehör – der Applaus will gar nicht mehr aufhören. Bei „Dance with me“ zucken dann wieder die Glieder im Parkett, auch der Sänger zeigt ein paar ziemlich coole Moves unter dem im Stil der Achtziger zusammengemixten optischen Gewitter aus Laserstrahlen und allerlei Lichtblitzen. Ein dicker Pluspunkt: Die Musik ist nicht zu laut, nicht übersteuert, sondern kommt erfreulich klar aus den riesigen Boxen.
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Leidenschaft und Lust am Musizieren hält jung
Klar, dass dann nach einigen beliebig klingenden Stücken auch noch das „Best of Alphaville“ kommt, das, was die Menge hören will und wofür sie ihr Geld hingelegt hat. „Sounds like a melody“ und „Forever young“, beide schon 1984 zu Riesenhits geworden, weckten Erinnerungen an die große Zeit der einst in Münster in einem Kollektiv lebenden Band. Damals als „Alphaville“ in einem Atemzug mit David Bowie und Roxy Music genannt wurden und der junge wilde Marian Gold mit Popperwelle und Strahlelächeln die Republik begeisterte.
Doch auch mit Sieben-Tage-Bart, mit Tochter Lilly im einzigen Rock’n-Roll-Stück des Abends und im schwarzen Oversize-Outfit macht Gold eine gute Figur: Als Beispiel dafür, dass Leidenschaft und immerwährende Lust am Musizieren eine Band nie alt werden lässt. Möge die Kondition des Synthie-Pop-Helden ausreichen für die nächsten sieben Monate und noch länger. Forever young, Marian Gold!
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