Senioren verfügen über mehr Wohnraum als der Durchschnitt – Konstruktiver Meinungsaustausch in Kempten
Familien suchen händeringend nach genügend großen Wohnungen, Senioren haben oft viel Platz. Woran liegt das? Was brauchen Rentnerinnen und Rentner, um sich verkleinern zu können?
Kempten – Die Zahlen aus der Zensus-Befragung im Jahr 2022 zeigen es ganz deutlich: Seniorinnen und Senioren haben mehr Wohnraum als der Durchschnitt der Menschen in Deutschland. Während Letzterer rund 47 Quadratmeter bewohnt, sind es bei den älteren Menschen rund 66 Quadratmeter – beachtliche 42 Prozent mehr Platz. Die Gründe sind vielfältig. Nicht alle Rentnerinnen und Rentner residieren freiwillig in einem so großen Zuhause. Welche Möglichkeiten zur Verkleinerung bestehen und was sich die Seniorinnen und Senioren wünschen, darum drehte sich jüngst ein „Meinungsaustausch“ im Altstadthaus.
Eingeladen hatte Moderator Lothar Köster Experten vom Wohnungsunternehmen Sozialbau und der Bau- und Siedlungsgenossenschaft Allgäu (BSG). Beide Wohnbaugesellschaften verwalten auch Wohnungen für ältere Menschen, zwar nicht im klassischen Betreuten Wohnen, wie es Florian Hörger, Leiter der Hausverwaltung bei der BSG-Allgäu, formulierte, sondern in einem „Begleiteten Wohnen“, bei dem der Hausmeister eine große Rolle spiele.
Hinzu kämen Serviceangebote eines externen Dienstleisters, wie etwa ein Hausnotruf oder Essen auf Rädern. Die Genossenschaft organisiere Veranstaltungen, Ausflüge und biete Unterstützung, so Hörger. Der Wunsch der Mieter in diesem Alter sei oftmals ein „selber formulierbares Leben“.
Ähnlich sehe es bei der Sozialbau aus. Wie Immobilientechnikerin Meike Gruber berichtete. Das Unternehmen verwalte etwa das „Integrierte Wohnen“ in der Brennergasse und das Betreute Wohnen in der Reichenbergstraße, ebenfalls mit einem externen Dienstleister. Gruber ist für Wohnraumanpassungen zuständig und schaut, wie sich in die Wohnungen von Senioren zum Beispiel eine barriereärmere Badewanne oder Türschwellen einbauen lassen. „Ältere Menschen wollen oftmals in ihren Wohnungen bleiben“, sagte sie.
Auch Kemptener Wohnungen sind oft zu teuer: „Das ist nicht machbar“
Nicht so ein Herr an diesem Nachmittag: „Wir haben ein 150 Quadratmeter großes Haus und einen noch viel größeren Garten, der uns einfach überfordert“, konstatierte er. „Wir denken längerfristig daran, umzuziehen, uns kleiner zu setzen.“ Beim Kauf einer Dreizimmerwohnung müsse er momentan aber 100.000 bis 200.000 Euro obenauf legen. „Das ist nicht machbar.“ Gibt es ein Unternehmen, das beim Verkauf des Hauses auch eine Wohnung mit einem zahlbaren Preis im Angebot habe, wollte er wissen.
In diesem Falle trete die BSG als klassische Maklerin auf, so Hörger, mit dem Ziel, dass der Verkäufer einen angemessenen Preis für sein Haus erzielt. Man könne dies auch mit einer Mietunterbringung in einer seniorengerechten Wohnung der BSG kombinieren.
1.500 Vormerkungen – 90 frei werdende Wohnungen
Hörger kennt das Problem in ähnlicher Form aus der Genossenschaft, wenn ein Mieter in eine kleinere Wohnung umziehen will, weil etwa der Partner oder die Partnerin verstorben ist, für die neue Wohnung aber mehr Netto-Kaltmiete auf den Tisch legen muss und am Ende bei derselben Summe wie vorher landet. Man versuche dann die Person von den Vorteilen einer Bleibe mit geringerem Aufwand zu überzeugen. Letztendlich sei die Preissituation aber oft ein Hinderungsgrund, warum die Genossenschaft große Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen, „die vielleicht schön wären für Familien mit Kindern, und die wir natürlich dringend benötigen, dann nicht auf den Markt kriegen“.
Meine news
Die Neuvermietungen lägen bei der BSG derzeit bei 90 – Tendenz sinkend. Ein Drittel davon komme lediglich aufgrund des Todes eines Mieters oder seines Umzugs ins Altersheim zustande, schilderte Hörger die drastische Lage. „Am freien Mietmarkt haben wir derzeit 60 Wohnungsvermietungen im Jahr. Das prallt auf 1.500 Vormerkungen, die wir in Kempten haben.“
Gemeinsam, nicht einsam
Mehrfach äußerten rüstige Rentnerinnen in der Diskussion im Altstadthaus den Wunsch nach Immobilien, die für Senioren-WGs geeignet sind. Dabei kam auch die Enttäuschung zum Ausdruck, dass solche in der Parkstadt Engelhalde nicht vorgesehen sind, obwohl das Interesse daran in den Bürger-Workshops zum Quartier deutlich zum Ausdruck gebracht worden sei.
Dem gemeinschaftlichen Wohnen mussten die Vertreter der Wohnbaugesellschaften eine Absage erteilen: „So etwas haben wir derzeit nicht im Bestand“, so Hörger. Diese Lebensformen benötigten zum Beispiel größere Gemeinschaftsräume, die man erst bauen müsste, so die Vermutung, – was derzeit sehr teuer kommt. Er wollte die Idee aber gerne mitnehmen.
Es sei aktuell sehr schwierig, überhaupt Mietwohnungen in die Höhe zu ziehen, ohne sie mit Eigentumswohnungen zu quersubventionieren – ein Modell, wie es die BSG etwa in der Breslauer Straße umsetze. Ein Drittel der dort entstehenden Wohnungen ist für die Miete bestimmt, Ein Gebäude werde für die Kirche verwaltet und der Rest seien Eigentumswohnungen, berichtete der Mann aus Sankt Mang.
Da hatte eine Dame die Idee, eine Wohnanlage für betreutes oder auch „begleitetes“ Wohnen mit Eigentumswohnungen zu bauen, wenn dies für die Gesellschaften besser finanzierbar sei. Auch dies wollte man mitnehmen, wenngleich so etwas bereits bestehe, wie etwa in der Reichenberger Straße oder das AWO-Wohnheim. Wichtig sei ein Anbieter von Unterstützungsdienstleistungen in der Nähe.
„Was muss sich ändern, dass Sie bauen können?“
Ein Herr wollte es ganz grundlegend wissen: „Was muss sich ändern, dass Sie bauen können?“ Florian Hörger fielen ad hoc einige Stellschrauben ein. Von den Kommunen, die für die Grundstückskosten verantwortlich sind, über die Zinsen, bis hin zur Politik, die „einiges tun könnte“. Gerade werde etwa an schnelleren Abschreibungsmöglichkeiten gearbeitet. Nicht zuletzt spielten die Baukosten eine Rolle.
Ganz zufrieden mit den Angeboten waren einige in der Runde nicht. Sie ermunterten die Wohnbaugesellschaften, für die Zukunft innovativ zu denen und packten den Stier bei den Hörnern: Kurzerhand formierte sich ein „Arbeitskreis gemeinschaftliches Wohnen“, der sich nun öfter treffen will.
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
Mit dem Kreisbote-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.