Trumps Verhandlungen mit Putin: Ukrainische Experten warnen vor verhängnisvollem Fehler
Plötzlich will Donald Trump im Ukraine-Krieg mit Wladimir Putin verhandeln. Vielleicht eine Chance – aber auch eine Gefahr, wie ukrainische Fachleute der FR sagen.
München – In 24 Stunden wollte Donald Trump den Ukraine-Krieg beenden. Das ist nicht geglückt. Aber mit seinem Vorstoß zu Verhandlungen mit Wladimir Putin hat der US-Präsident die Lage kräftig durcheinander gewirbelt. Womöglich ist es der ersten Schritt auf einem „langen Weg“ zum Frieden.
Vertreterinnen und Vertreter aus der Ukraine warnen im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz vor allem vor gefährlichen Fehleinschätzungen zu Putins Plänen. Sie benennen zugleich auch einige genauere Forderungen zu einem (wohl fernen) „nachhaltigen und gerechten“ Frieden. Thesen zu den möglichen Verhandlungen über den Ukraine-Krieg – und die mutmaßlichen Ziele der Beteiligten:
„Putin will nicht nur ein Stück ukrainischen Landes“
Die ukrainische Perspektive: Was will Putin? Aus Sicht der ukrainischen Menschenrechtlerin und Friedens-Nobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk geht es Putin im Kern nicht „um ein weiteres Stück ukrainischen Landes“. „Putin hat den großangelegten Krieg begonnen, weil er die gesamte Ukraine besetzen will – und dann weitergehen“, sagte sie der FR. „Er träumt von seinem Erbe. Er denkt darüber nach, wie er gewaltsam das russische Imperium wieder instandsetzen kann.“

Oleksandr Sushko, Direktor der ukrainischen „International Renaissance Foundation“, verwies im Interview am Siko-Freitag auf Putins KGB-Hintergrund. Der Kremlchef glaube an einen „Konflikt mit dem Westen um die Vorherrschaft in Mittel- und Osteuropa“: „Er will eine Welt bauen, die der nach dem Zweiten Weltkrieg ähnelt“ – eine Aufteilung zwischen Großmächten mit festen Einflusszonen, die die Souveränität kleinerer Staaten einschränke. Zu einer ähnlichen Analyse waren auch die Macher der Sicherheitskonferenz gekommen.
Sushko sieht bei Putin ebenfalls kein unmittelbares Interesse an einem Frieden. „Putin will keinen Frieden, er will über den Verhandlungstisch in die globale Politik zurückkehren”, warnte er.
Oleksandra Matwijtschuk: Die 41-Jährige ist Vorsitzende des Center For Civil Liberties (CCL), das sich ursprünglich vor allem für Demokratie und Transparenz in der Ukraine einsetzte. Seit 2013 dokumentierte das CCL zunächst Übergriffe des Staates bei den Maidan-Demonstrationen, später Menschenrechtsverletzungen Russlands in der Ukraine. 2022 erhielten das CCL und Matwijtschuk den Friedensnobelpreis.
Oleksandr Sushko: Sushko leitet die International Renaissance Foundation (IRF). Die gemeinnützige Stiftung arbeitet für eine offene Gesellschaft in der Ukraine und die Wahrung von Menschenrechten. Mit Beginn des großangelegten Ukraine-Kriegs ist Sushko auch eine international beachtete Stimme der ukrainischen Zivilgesellschaft geworden.
Ukraine muss Hoffnungen vorerst zurückschrauben: Sicherheitsgarantien und starke Armee bleiben Ziele
Was will die Ukraine? Kein Geheimnis ist, dass das Land um seine Existenz und Souveränität kämpft – und um sein Territorium. Matwijtschuk verwies darauf, dass die Existenz besetzter Gebiete nicht nur eine völkerrechtliche Frage ist. „Besetzung ist nur eine andere Form von Krieg, weil sie menschliches Leiden nicht verringert, sondern nur unsichtbar macht.“ Russland foltere, vergewaltige, lasse Menschen verschwinden und gebe ukrainische Kinder zur Adoption nach Russland frei. Deswegen müsse auch die Zivilgesellschaft mitverhandeln – samt weiblicher Unterhändler, die diese Punkte stärker im Blick hätten.
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Sie und Sushko forderten übereinstimmend belastbare Sicherheitsgarantien für die Ukraine als Teil eines Friedens. Ziel sei eigentlich eine Nato-Mitgliedschaft. Die scheine aber außer Reichweite. Da es sich um einen Krieg zwischen „zwei Systemen, Autoritarismus und Demokratie“ handele, hoffe sie darauf, dass „alle demokratischen Länder“ solche Garantien mittragen, sagte Matwijtschuk. Eigentlich müsse ein Frieden auch die Rückkehr zum internationale Recht und Souveränität beinhalten, sagte Sushko. Alles andere gebe Putin eine Plattform für weitere Schritte, „vielleicht nicht jetzt, sondern in drei, in fünf, in zehn Jahren; vielleicht erst durch einen Nachfolger“. Eine solche Lösung sei aber wohl vorerst nicht greifbar.
Sushko nannte dafür eine weitere Komponente: die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine. „Putin wird darauf insistieren, dass die Ukraine keine starke Armee und keine starke Rüstungsproduktion haben darf“, warnte er. Der Kremlchef wolle so das Land verteidigungsunfähig machen und die Voraussetzungen für eine weitere „Phase der Unterdrückung“ schaffen. „Die ukrainische Kapazität der Verteidigung ist ein entscheidender Punkt.“
Macht Donald Trump einen Ukraine-Deal? „Die Diskussion beginnt genau jetzt“
Und was will Trump? Zu dieser Frage hatte sich der bekannte US-Politologe Ian Bremmer bei der Sicherheitskonferenz in einer Runde mit Journalisten geäußert. „Zunächst mal will Trump den Krieg beenden“, erklärte er: „Und er will die Lorbeeren für diesen Waffenstillstand.“ Zugleich stehe wohl auch eine „breitere Normalisierung der Beziehungen mit Russland“ auf Trumps Agenda.
Letzteres sei nicht nur schlecht, sagte der prominente Experte und Trump-Kritiker – etwa mit Blick auf die Atomwaffenabkommen. Allerdings bringe das wohl auch das Ende von Sanktionen gegen Russland oder die Freigabe von eingefrorenen Vermögen mit sich. Schließlich sei die Wiederaufnahme von Sanktionen ein möglicher Teil von Sicherheitsgarantien. Einen „kompletten Bruch“ attestierte Bremmer mit Blick auf Trumps Rhetorik: Der US-Präsident habe angedeutet, dass Putin in Sachen Nato-Präsenz einen legitimen Punkt habe: „Er akzeptiert die russische Propaganda in diesem Punkt.“
Eine entscheidende Frage werde aber sein, wie weitgehend Trump einfach einen „Deal“ anstrebe. „Es ist eine Sache, einen Anruf über die Köpfe der Ukraine und der Europäer hinweg zu machen. Es ist eine ganz andere, einen Deal über ihre Köpfe hinweg zu machen.“ Der Ausgang sei offen, sagte Bremmer bei dem Termin am ersten Morgen der Siko. „Die Diskussion beginnt genau hier und jetzt.“ Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte sich im WahlFORUM von IPPEN.MEDIA optimistisch. (fn)