Falls Sie glauben, häusliche Gewalt ginge Sie nichts an: Bitte denken Sie neu. Statistisch gesehen haben Sie – wie auch ich – einen Täter oder ein Opfer im Bekanntenkreis. Das Dunkelfeld dürfte bis zu zwanzigmal größer sein.
„Man wird einsam”, sagte Sarah Bora diese Woche beim FOCUS Salon, „nicht, weil niemand da ist, sondern weil niemand sieht, was passiert“.
Häusliche Gewalt gegen Frauen: Die Fallzahlen steigen
Bora, Iris Brand und Anna Sophie Herken haben deshalb die Initiative #DieNächste gegründet. Sie sind selbst betroffen. Und sie entsprechen nicht dem Klischee der „typischen“ misshandelten Frau.
135.000 Frauen und Mädchen wurden 2024 laut BKA Opfer von häuslicher Gewalt. 132 starben durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners – teils Männer, die Polizei und Justiz längst kannten: vorbestraft, verwarnt, mit Kontaktsperren belegt.
Keine Privatsache
Solche Femizide sind der Endpunkt einer Gewaltspirale, die viel früher hätte gestoppt werden können. „Viele Frauen“, so Bora, „sind nicht deshalb tot, weil sie nicht stark waren. Sie leben nicht mehr, weil jemand entschied, dass ihr Leben weniger wert ist als sein Kontrollverlust.“
Schuld daran sei auch ein System, das zu spät oder gar nicht reagiert. Und ein Umfeld, das wegschaut – wie Anna Herken und Iris Brand ergänzen. Sie zitieren Sätze, die sie zu hören bekamen: „Wir wissen ja alle, dass Du auch schwierig sein kannst.” – „Ich halte mich da raus, das ist Privatsache.“ – „Da gehören doch immer zwei dazu.“ Oder: „Vielleicht war Ihre Karriere ja auch für Ihren Ex-Partner belastend.“
Fußfesseln für Täter
In Gegenwart von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt und den Staatssekretärinnen Dr. Petra Bahr und Anette Kramme forderten die drei beim FOCUS Salon deshalb unter anderem verpflichtende Fortbildungen und Schulungen für Polizei und Justiz. Die Taten ließen „sich nicht entschuldigen mit Eifersucht, nicht verharmlosen mit Affekt und nicht erklären als spontane Eskalation.“ Doch das geschehe noch heute.
Immerhin kommt Bewegung ins System. Die Bundesregierung will das „spanische Modell“ einführen, der Gesetzentwurf hat gerade das Kabinett passiert.
Das Prinzip: Die elektronische Fußfessel des potenziellen Angreifers alarmiert das GPS-Gerät des möglichen Opfers, wenn er sich – absichtlich oder unabsichtlich – nähert. Auch die Polizei wird alarmiert.
In Spanien hat dieses Verfahren seit 2009 mehr als 13.000 Hochrisikofälle begleitet – ohne einen einzigen dokumentierten Femizid.
Auch Italien geht voran: Diese Woche hat das Parlament einen neuen Femizid-Tatbestand beschlossen, der lebenslange Freiheitsstrafen vorsieht.
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