Friedensplan: "Könnte Gebot der Klugheit sein, jetzt Kriegs-Ende zu versuchen"

Die Bestürzung in Europa war groß, als gestern die ersten Informationen über den von Präsident Trump initiierten Friedensplan für die Ukraine durchsickerten. Von Kapitulation war die Rede, und das alles ohne Beteiligung von Europäern und der Ukraine an der Ausverhandlung des 28 Punkte umfassenden Entwurfs. 

Friedensplan für Ukraine: Positive Überraschungen

Was nun freilich einen Tag später in den Einzelheiten an das Tageslicht kommt, räumt zwar nicht den Punkt einer mangelnden Beteiligung von Ukrainern und sonstigen Europäern als Hauptbetroffene aus der Welt. Aber der Inhalt enthält positive Überraschungen, die eine derart negative Bewertung, wie sie in den ersten Stellungnahmen anklangen, als nicht mehr angemessen erscheinen lässt. 

Dr. Joachim Weber ist Senior Fellow am strategischen Thinktank CASSIS der Universität Bonn und beschäftigt sich mit Fragen strategischer Vorausschau. Er ist Russland- und Arktisexperte, studierter Osteuropahistoriker und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit sicherheitspolitischen Fragestellungen. Jüngste Veröffentlichungen umfassen zwei Bücher zu den geopolitischen Entwicklungen in der Arktis.

Denn das Verhandlungsergebnis des US-Sondergesandten Wittkoff mit seinem Moskauer Kollegen Dmitriew wiederholt keineswegs stumpfsinnig Moskauer Maximalforderungen, sondern scheint zum ersten Mal seit Beginn des Krieges in allen wesentlichen Punkten substanzielle Zugeständnisse seitens des Kremls zu fordern. Es ist nicht mehr die Rede davon, dass neben den Oblasten von Luhansk (100 Prozent besetzt) und Donezk (ca. 70 Prozent besetzt) auch noch die unbesetzten Teile der von Moskau vollständig geforderten Oblasten von Saporischija und Cherson an Russland gehen sollten. 

Moskau ist zu Zugeständnissen bereit

Weiterhin wird der Ukraine eine Armee von 600.000 Soldaten zugestanden, was wohl oberhalb der jetzigen Größe liegt, aber definitiv oberhalb dessen, was die Ukraine auf Dauer wird unterhalten können angesichts der maximal noch 35 Millionen Einwohner im Lande. (Deutschland versucht als Land mit 83 Millionen Einwohnern mühsamst, die Grenze von 200.000 Soldaten wieder zu überschreiten.) 

Noch erstaunlicher: Moskau soll sich in den Vereinbarungen bereit erklärt haben, aus seinen im Westen eingefrorenen Vermögenswerten 100 Milliarden Dollar in den Wiederaufbaufonds für die Ukraine beizusteuern. Und schließlich scheint Moskau bereit, sich nur den Besitz (Gebietshoheit), nicht aber die Eigentumsrechte, also die volle „territoriale Souveränität“ in den besetzten Gebieten gegen beidseitigen Gewaltverzicht bestätigen zu lassen. Ad letzt: Auch ein EU-Beitritt soll der Ukraine zugestanden werden. 

Alleine diese fünf Punkte gehen weit über das hinaus, was der Kreml bisher zu konzedieren bereit war. Gleichwohl darf man nicht übersehen, dass auch erhebliche Zumutungen in den Bestimmungen enthalten sind. 

Erhebliche Zumutungen für die Ukraine

Die Bestätigung von Eroberungen beziehungsweise die Herausgabe weiterer Teile des Donbass; eine Generalamnestie für alle Beteiligten, die eine Bestrafung für die zahlreichen Morde und Verbrechen der russischen Truppen in den besetzten Gebieten auch später unmöglich machen würde; und vielleicht als Höhepunkt der Zumutungen auch noch die Wiederaufnahme Moskaus in den Kreis der G7-Gruppe, die damit wieder zur G8 würde, als sei nichts Außergewöhnliches geschehen und als hätte Moskau nicht diesen Nationen wiederholt und eben noch mit der nuklearen Vernichtung gedroht. 

Entfallen soll die Nato-Beitrittsoption für die Ukraine, für die allerdings auch zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte und realistische Option bestanden hat, jenseits verantwortungsloser Versprechungen, seit die USA 2008 diese Schnapsidee in Bukarest aufgetischt hatten. 

Stattdessen soll es durchaus substanziell belastbare Sicherheitsgarantien auch der USA geben, die natürlich im Detail besprochen werden müssen. Alles in allem ist dies eine brauchbare Gesprächsgrundlage, die sicher im Detail vieler Konkretisierungen und sicher auch einiger Verbesserungen zugunsten der Ukrainer bedarf. Aber es ist der in über dreieinhalb Jahren Krieg realistischste Plan, der bislang beigebracht wurde. 

Ist vage Hoffnung es wert, Menschenleben zu opfern?

Trotz aller Bitternis, die manche der Bestimmungen in der Ukraine auslösen dürften, so gilt es doch realistisch abzuwägen: Ist die vage, aber unrealistische Hoffnung auf eine wundersame Kriegswende zugunsten Kiews es wert, weiter jeden Monat zehntausende Menschenleben zu opfern? Der Ukraine steht der schlimmste Kriegswinter seit 2022 bevor, mit zerstörten Energieinfrastrukturen, bevor der Winter überhaupt begonnen hat. 

Immer mühsamer behauptet sich das kriegsverwüstete Land gegen den Aggressor. Selten hat ein Unterlegener so tapfer gekämpft. Noch seltener aber hat ein militärisch (fast) geschlagener den Verhandlungstisch als Sieger verlassen. Hier könnte die Chance kommen, zu retten, was zu retten ist. 

Es könnte ein Gebot der Klugheit sein, jetzt das Ende dieses Krieges zu versuchen, bevor die Fronten womöglich endgültig kollabieren. Trump scheint dahinter zu stehen, von Putin wissen wir es noch nicht; er lotet die Reaktionen aus und wartet ab, wie er sich positioniert. Es ist immerhin ein kleiner Streifen Licht am Horizont zu