Die Ukraine hat offenbar einen einfachen Weg gefunden, die vom Kreml als "unbesiegbar" bezeichneten Kinschal-Hyperschallraketen vom Himmel zu holen. Wie das Technologieportal "404 Media" berichtet, werden die Raketen mit Musik gestört. Die Technik soll die Gruppe "Night Watch" entdeckt haben, eine ukrainische Spezialeinheit für elektronische Kriegsführung.
Die Kinschal-Rakete kann navigieren, indem sie ihre Position und die eingegebenen Zieldaten über ein russisches Satelliten-System abgleicht. Die ukrainische Spezialeinheit stört diese Kommunikation, indem sie eigene Signale an die Rakete sendet.
Ukraine stört russische Kinschal-Raketen mit Bandera-Song
Welche das sind, spielt eigentlich keine Rolle – "Night Watch" hat sich aber eine besondere Botschaft ausgedacht, wie "404 Media" schreibt: Die Gruppe hat den ukrainischen Song "Unser Vater ist Bandera" in Einsen und Nullen umgewandelt, die als elektronisches Signal an die Kinschal gesendet werden.
"Es ist nur eine Art Scherz", erklärt ein Mitglied der Spezialeinheit im Gespräch mit „404 Media“. "Bandera ist ein ukrainischer Nationalist, und Russland versucht, diese Person in seiner Propaganda zu benutzen, um alle Ukrainer als Nazis darzustellen." Stepan Bandera ist umstritten, weil er im Zweiten Weltkrieg teilweise mit der Wehrmacht zusammengearbeitet hat. So übernahm er für die Hitler-Armee die Polizeigewalt in Lwiw.
Hyperschall-Rakete glaubt, sie befindet sich in Peru
Neben dem Bandera-Song, der die Raketen stört, wird noch ein weiteres Signal gesendet. Das sogenannte Lima-System gaukelt der Kinschal vor, sich in der gleichnamigen Hauptstadt Perus zu befinden. Damit die Rakete das einprogrammierte Ziel erreichen kann, ändert sie dann abrupt die Flugrichtung.
Weil die Kinschal in Hyperschallgeschwindigkeit unterwegs ist, wirken bei der Richtungsänderung enorme Kräfte. Das zerstört die Rakete, wie ein "Night Watch"-Mitglied erzählt: "Als die Kinschal-Rakete versuchte, schnell die Richtung zu ändern, war der Rumpf dieser Rakete nicht in der Lage, die Geschwindigkeit zu bewältigen. Die Rakete wurde einfach in zwei Teile zerschnitten. Der größte Vorteil dieser Raketen, die Geschwindigkeit, wurde gegen sie verwendet."
Ukraine hat offenbar 19 Raketen mit Musik zerstört
Auf diese Weise will "Night Watch" innerhalb von zwei Wochen 19 Raketen zerstört haben. Damit gelingt mit wenig Aufwand und geringen Kosten das, was sonst nur mit dem teuren Patriot-Flugabwehrsystem möglich ist. Zudem war dieses zuletzt weniger zuverlässig als noch vor einigen Monaten.
Für die Ukraine wäre es ein großer Erfolg, sollte sie langfristig ein Mittel gegen die Kinschal in der Hand haben. Denn Russland setzt die Raketen ein, um die Energieversorgung zu zerstören. Die Angriffe wurden im Herbst verstärkt, um die Ukraine im Winter zu demoralisieren.
Russland passt Technik an: "Das wird nicht helfen"
Ob das Lima-System in Verbindung mit dem Bandera-Song aber tatsächlich die Lösung gegen die Raketenangriffe ist, bleibt offen. Wie "404 Media" berichtet, hat "Night Watch" beobachtet, dass Russland nun mehr Empfänger in der Rakete nutzt. Das soll sie weniger anfällig für Störsignale machen. So sei die Zahl der Empfänger zunächst von acht auf zwölf erhöht worden.
Die Spezialeinheit geht dennoch davon aus, dass ihr System wirksam bleibt. "Das wird nicht helfen", sagte ein Mitglied über die Anpassungen. "Bei der letzten Rakete, die wir abgefangen haben, hatten sie bereits 16 Empfänger. Diese Art von Modifikation ist ziemlich nutzlos."
Kinschal ist für Putin eine wichtige Propaganda-Waffe
Für Russland und Präsident Wladimir Putin wäre es äußerst peinlich, wenn die Kinschal auf diese Weise an Wirkung einbüßen würden. Er hatte die Hyperschall-Rakete einst als "Superwaffe" bezeichnet.
Sie dient dem Kreml nicht nur zu militärischen, sondern auch zu Propagandazwecken. Dass Putin sie zum Beispiel in Reden immer wieder erwähnt, sei mit ziemlicher Sicherheit Strategie, erklärte das britische Verteidigungsministerium 2023. So solle gezeigt werden, dass Russland trotz des Kriegs weiterhin fähig sei, neu entwickelte Waffen zu produzieren und einzusetzen.