Montag
Alarmzahlen aus Allensbach: 44 Prozent sagen, man könne nicht frei seine politische Meinung äußern und solle besser vorsichtig sein. Zu dieser Gruppe gehören vermutlich viele, die verschweigen wollen, dass sie AfD wählen. Sie könnten Nachteile fürchten: im Beruf, im Verein, in der Bekanntschaft und vielleicht sogar in der Familie. Zu den lieber Vorsichtigen gehören wahrscheinlich auch viele, die für einen offeneren Umgang mit der AfD plädieren.
Zwei prominente CDU-Mitglieder erleben gerade entsprechenden Ärger. Der frühere Generalsekretär Peter Tauber und Professor Andreas Rödder, der die Grundwertekommission der Partei geleitet hat, schlagen vor, die sogenannte Brandmauer durch rote Linien zu ersetzen. Bei Übereinstimmung in Sachfragen könne dann die CDU auch Beschlüsse fassen, denen die AfD zustimmt.
CDU-Debatte über AfD-Kooperation spaltet die Partei
Viele Bürger könnten diese Option begrüßen, weil sie schon lange ein Widerspruch stört. Sie haben für den Bundestag Mitte rechts gewählt, werden aber Mitte links regiert. Die Isolation der AfD erlaubt es dem Wahlverlierer SPD, dem größeren Partner von der Union auf der Nase herumzutanzen. CDU und CSU haben sich selber eingemauert.
Das Dilemma beginnt mit der Wortwahl. Brandmauer ist ein unpolitischer Begriff. Beschlüsse über Unvereinbarkeit treffen die Situation genauer. Über gegensätzliche Positionen kann man sich nicht einigen. Das muss nach rechts genauso gelten wie nach links.
Kritik an Zusammenarbeit mit der Linkspartei wächst
Seltsamerweise wächst in der Union die Neigung, mit der Linkspartei, zu der extremistische Kräfte gehören, gemeinsame Pläne zu verfolgen. Die mehrfach umbenannte SED könnte für eine Zwei-Drittelmehrheit gebraucht werden.
Ist das Gedächtnis der Deutschen so gestört? An der Brandmauer ist noch niemand gestorben. An der SED-Mauer wurden Hunderte erschossen. Von Deutschen.
Dienstag
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat angekündigt, was er nicht halten kann. In seiner Distanzierungsrede gegenüber der AfD hat er erklärt, es werde auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben. Darauf hat er aber keinen Einfluss.
Die Gemeindeordnungen in Deutschland können nicht von Berliner Parteizentralen geändert werden. Taktische Manöver, wie sie im Bundestag und in Landtagen praktiziert werden, sind in Rathäusern ausgeschlossen. Dass alle Parteien sich gegen die AfD verbünden, um ihr einen Sitz im Bundestagspräsidium zu verweigern oder Ausschussvorsitzende zu verhindern, ist in den Kommunen nicht möglich.
AfD in Kommunalpolitik: Gemeindeordnungen setzen klare Regeln
Die Gemeindeordnungen sind zwar in jedem Bundesland unterschiedlich gestaltet, aber überall gilt ein Prinzip: Die Stärkeverhältnisse der Parteien müssen bei allen wichtigen Posten berücksichtigt werden. Keine Gruppe kann ausgeschlossen werden.
Im Heimatland von Friedrich Merz, wo gerade gewählt wurde, heißt es sogar ausdrücklich: „Die Fraktionen benennen die Ausschüsse, deren Vorsitz sie beanspruchen ... und bestimmen die Vorsitzenden.“ Je mehr Mandate eine Partei hat, desto mehr Posten stehen ihr zu. Kommt es bei einer Wahl zu Stimmengleichheit, zieht der Bürgermeister ein Los.
Auch in Bayern, wo am 8. März die Stadtparlamente gewählt werden, ist ein zentraler Eingriff von CSU-Chef Markus Söder ausgeschlossen.
In der Gemeindeordnung heißt es klipp und klar: Bei der Zusammensetzung der Ausschüsse hat der Gemeinderat dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen.
FOCUS-Gründungschefredakteur Helmut Markwort war von 2018 bis 2023 FDP-Abgeordneter im Bayerischen Landtag.