Der ernüchternde Moment: Ich sah in den USA, wo wir meilenweit hinterherhinken

Vor Kurzem schrieb der „Economist” über Robotaxis: „Aus dem Auslandsurlaub zurückzukehren und dort Technologien erlebt zu haben, die zu Hause noch lange nicht Realität sind, wird ein ernüchternder Moment für Europäer sein.”

Ich komme gerade aus Arizona. Und nach meiner Robotaxi-Premiere in Phoenix überwiegt die Begeisterung. Noch.

Wie von Geisterhand

Schon am Flughafen wuselten fahrerlose Autos herum. Im deutschen App-Store kam ich jedoch nicht an den Anbieter Waymo. Später erbarmte sich netterweise ein US-Kollege und lud mich ein. Ich war dankbar (und kam mir rückständig vor).

Sein Waymo wartete am bestellten Ort, seine Initialen leuchteten auf dem Dachsensor und wir nahmen auf der Rückbank Platz. Der E-Motor startete und das Lenkrad manövrierte wie von Geisterhand. Um das Ding zu ärgern, schnallte ich mich nicht an – es fuhr dennoch los, und nach einer Minute stoppte das Piepen. Was ich nicht wusste: In Arizona gilt hinten ab 16 Jahren keine Anschnallpflicht.

Sicheres Fahrvergnügen

Den Gurt legte ich doch noch an, fühlte mich während der 40 Minuten Fahrt aber sicherer denn je. Zugegeben, die Wüstenstadt mit ihren breiten, langweiligen Straßen ist nicht die Via Mala, sondern ein Rastergitter. Waymo fährt innerstädtisch die erlaubte Spitzengeschwindigkeit von 30 mph (48 km/h) und auf dem Freeway 65 mph (104 km/h).

Es ist dabei nüchtern, nie übermüdet oder abgelenkt am Handy, es quasselt nicht, fährt sanft, berechnet die Geschwindigkeit anderer Fahrzeuge, hat 360°-Kamera-Sicht, misst den Abstand mit Laser-Sensoren, braucht keinen Schulterblick und auch kein Deo. Ein „Support“-Knopf verbindet in Sekundenschnelle mit dem (menschlichen) Kundendienst.

Ein selbstfahrendes Taxi von Waymo.
Ein selbstfahrendes Taxi von Waymo. IMAGO / photothek

Waymo muss noch lernen

Die Nachteile: Noch immer gibt es Lernsituationen (neulich hielt ein Waymo nicht vorschriftsmäßig hinter einem Schulbus, sondern überholte langsam). Es trägt kein Gepäck ins Fahrzeug, interessante Gespräche mit Taxifahrern fallen weg, und es drückt nicht aufs Gas, wenn man es eilig hat.

Noch dazu ist Waymo 25 bis 40 Prozent teurer als Anbieter wie Uber oder Lyft. Dennoch zählen die mehr als 1.500 Robotaxis gut 250.000 Fahrten pro Woche. In Städten wie San Francisco, Austin, Atlanta, Los Angeles und im Silicon Valley ging es 2024 los, in Phoenix schon 2020.

Europa testet noch

Die USA (und China) haben also längst Geschäftsmodelle. Deutschland – wenn überhaupt – autonome Test- und Pilotphasen, wie ab 2026 in Hamburg (Moia) oder München (Uber/Momenta).

Bundeskanzler Merz sprach gestern von „tektonischen Veränderungen“ durch KI, in einem heute noch unvorstellbaren Umfang. Deshalb nun zur Ernüchterung: Von Europa gehen diese Veränderungen bislang nicht aus.

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