Höchster Börsenverlust an einem Tag - Nvidia verliert 600 Milliarden Dollar: Auch in Deutschland ist ein IT-Konzern Spitze
Der Montag war ein schwarzer für Nvidia. Der Grafikkarten- und Chip-Hersteller aus den USA büßte rund 17 Prozent seines Aktienkurses ein. Aufgrund des hohen Börsenwertes des Konzerns vernichtete das glatte 600 Milliarden Dollar und sorgte für einen Negativrekord. Noch nie in der Geschichte der Börse hat ein Unternehmen mehr Wert an nur einem Tag verloren. Das hängt auch damit zusammen, dass Nvidia eines der wertvollsten Unternehmen der Welt ist. Selbst nach dem Kurssturz kosten alle Aktien an der Börse zusammengenommen noch rund 3,2 Billionen Dollar.
Harte Kursverluste gab es auch in der Geschichte des deutschen Dax schon häufiger. Aktionäre der Hypo Real Estate werden sich ungern an den 29. September 2008 erinnern, als die Bankaktie im Zuge der Finanzkrise um rund 74 Prozent einbrach. Fast genauso schlimm war der 18. Juni 2020, als das Lügengebilde des Zahlungsdienstleisters Wirecard zusammenbrach – und mit ihm der Aktienkurs um rund 72 Prozent.
Doch beide schwarzen Tage waren im Groben betrachtet erträglich, weil weder die Hypo Real Estate noch Wirecard zu den Schwergewichten des Dax gehörten. Erstere vernichtete bei ihrem Kurssturz rund 2,1 Milliarden Euro. Letzteres rund acht Milliarden Euro. Das reicht in beiden Fällen nicht einmal für die Top 50 der größten Wertverluste an einem Handelstag in Deutschland. Die Spitzenreiter sind:
5. Allianz – 13,4 Milliarden Euro – 5. April 2000
Das Jahr 2000 ist eines der schlimmsten Jahre der Dax-Geschichte. Gleich 30 der 50 höchsten Tagesverluste ereigneten sich im ersten Jahr des neuen Jahrtausends. Einer der teuersten war der 5. April.
Einen Monat zuvor hatten Deutsche und Dresdner Bank Gespräche über eine Fusion angekündigt. Die Allianz sollte das Privatkundengeschäft der Dresdner Bank übernehmen. Rund 30 Tage lang stiegen die Kurse aller drei Konzerne in freudiger Erwartung, doch der Deal rückte in immer weitere Ferne. Anfang April platzte schließlich die Geduld der Anleger und die Aktien rutschten wieder ab.
Für die Allianz ging es an einem Tag um rund 14 Prozent nach unten. Die Versicherung verlor wegen mehrerer Missgeschicke bis 2003 sogar mehr als 80 Prozent ihres Wertes – der Kurs hat bis heute nicht das Level von damals erreicht.
4. Siemens – 15,1 Milliarden Euro – 15. März 2000
Auch bei Siemens war wenige Wochen zuvor eigentlich eine andere Aktie Auslöser des Kurssturzes. Am 13. März hatte der Mischkonzern seine Halbleitersparte unter dem Namen Infineon an die Börse gebracht. 35 Euro kostete eine Aktie vor Börsenstart, achtmal so viele Aktien wie es gab hätten verkauft werden können. Es war der größte Börsengang in Deutschland seit der Telekom-Aktie vier Jahre zuvor.
Zwar startete die Aktie mit einem Wert von 70 Euro in den Handel, vorbörslich war sie aber bereits mit 110 Euro gehandelt worden. Am Ende des ersten Tages sank sie aber sogar unter den Kurs des Morgens. Damit kehrte Ernüchterung an der Börse ein.
Die spürte auch Mutterkonzern Siemens in den folgenden Tagen. In zwei Schritten sank die Siemens-Aktie von 167 auf 147 Euro, wobei der Kursverlust am 15. März mit 10,4 Prozent der härtere war.
Während sich Infineon zu einem der wertvollsten deutschen Konzerne bis heute mauserte, sollte der unter den Erwartungen gebliebene Börsenstart ein Omen sein – einen Monat später brachen überbewertete Tech-Aktien weltweit ein.
3. Volkswagen – 15,1 Milliarden Euro - 21. September 2015
Neun Jahre lang hatte Volkswagen unbemerkt bei Abgastests geschummelt. Spätestens ab 2012 verdichteten sich die Hinweise, dass mehrere deutsche Autohersteller illegale Software einsetzten, die bei Tests die Abgasemissionen manipuliert. Im Normalbetrieb lagen sie so außerhalb der erlaubten Normen.
Am 18. September 2015 brachte die US-amerikanische Umweltbehörde den später so getauften „Abgasskandal“ ins Rollen, als sie die Schummeleien bei Tests in den USA aufdeckte. Zwei Tage später gab Volkswagen offiziell zu, elf Millionen Fahrzeuge weltweit mit manipulierten Abgasanlagen ausgerüstet zu haben.
Die Börse reagierte harsch. Am Folgetag fiel der VW-Kurs um 18,6 Prozent. Bis Anfang Oktober ging es sogar um 44 Prozent nach unten. Der Skandal sollte VW jahrelang beschäftigen. Erst 2018 erreichte sie wieder das Niveau von vor dem Skandal.
2. Deutsche Telekom – bis zu 25,9 Milliarden Euro – 2000
Der Aktienkurs der Deutschen Telekom im Jahr 2000 gleicht einer Achterbahnfahrt. Erst vier Jahre zuvor war die T-Aktie überhaupt ausgegeben worden. Bis zur Jahrtausendwende stieg ihr Wert bereits um 300 Prozent, im Zuge der Dotcom-Blase dann 2000 bis zum 3. März sogar um mehr als 500 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt war die Telekom mehr als 300 Milliarden Euro wert. Selbst kleinere Rückschläge machten jetzt große Summen aus.
An 14 Handelstagen des Jahres 2000 verlor die Deutsche Telekom jeweils so viel Börsenwert, dass es für die Top 20 aller deutschen Aktien in der Geschichte reicht. In den Top 50 belegt der Konzern sogar 24 Plätze.
Der verlustreichste Tag schafft es dabei auf den zweiten Platz der Hitliste. Am 3. April 2000 sank der Aktienkurs der Telekom um 10,2 Prozent, was eben jene 25,9 Milliarden Euro ausmachte. Auslöser war die ab April allgemein herrschende Skepsis bei Internet-Aktien.
Sie hatte für die Telekom direkte Folgen. Am 17. April ging der Internetdienst T-Online selbstständig an die Börse. Weil die zuvor so turbulent war, legte die Telekom den Ausgabepreis am unteren Ende des vorher festgelegten Bandes fest – und nahm deswegen nur rund 2,7 statt 3,7 Milliarden Euro beim Börsengang ein.
1. SAP – 32,4 Milliarden Euro – 26. Oktober 2020
20 Jahre dauerte es, bis es einem Konzern gelang, die Verluste der Telekom zu übertreffen. Die SAP-Aktie hatte im Zuge der Corona-Krise schon zwei Horrortage hinnehmen müssen. Das zu dem Zeitpunkt wertvollste Dax-Unternehmen verlor am 9. März 10,1 und am 12. März 11,5 Prozent seines Börsenwertes oder 8,0 beziehungsweise 9,7 Prozent. Doch noch mehr war es rund sieben Monate später.
Schuld daran war Christian Klein, zu dem Zeitpunkt rund ein Jahr als neuer CEO im Amt. Der 40-Jährige sah die Corona-Krise früh als elementaren Wandel seiner Branche hin zu internetbasierten Cloud-Diensten. Bei SAP spielten die zu diesem Zeitpunkt noch eine untergeordnete Rolle. Das sollte sich ändern.
Klein kündigte an, den Konzern umbauen zu wollen, weg vom traditionellen Geschäft mit Softwarelizenzen hin zu einem der größten Cloud-Anbieter der Welt. Sein wichtiger Satz dabei: „Ich opfere den Erfolg unserer Kunden nicht der kurzfristigen Optimierung unserer Marge.“ Was das bedeutete, schmiss er gleich hinterher. Nicht nur für das Jahr 2000 wurden die Gewinnprognosen gekürzt, sondern gleich bis einschließlich 2023.
Das kam an der Börse gar nicht gut an, SAP legte mit 22 Prozent den höchsten Kursverlust an einem Tag seit 20 Jahren hin – und einen deutschen Negativrekord. Aber: Klein sollte Recht mit seiner Strategie behalten. Von 134 Euro vor der Ankündigung fiel die Aktie zwar auf 91 Euro – mittlerweile kostet sie aber rund 268 Euro.
Was können Anleger aus den Crashes lernen?
Keiner möchte eine Aktie halten, wenn die gerade zehn oder mehr Prozent ihres Wertes an nur einem Tag verliert. Oft ist das aber schwer abzusehen. Um die SAP-Verluste zu erahnen, hätte sie schon bei den Vorstandssitzungen dabei sein müssen – und selbst dann wäre ein Kursverlust von 20 Prozent wohl eine Überraschung gewesen.
Oft zeigt sich aber auch, dass sich harte Crashes oft langsam ankündigen. Sowohl bei Volkswagen als auch bei Wirecard gab es lange vorher Anzeichen für Schummeleien. Der Crash der Dotcom-Blase 2000 kam ebenfalls mit Anlauf.
Das sehen aber selbst Profis selten kommen, wie 2019 eine Studie aus den USA zeigte. Sie verglich die Verkaufsentscheidungen von Fondsmanagern mit einem Zufalls-Algorithmus – die Profis schlugen den Zufall kaum merklich. Das liegt daran, dass sie sich selten lange Gedanken darüber machen, ob sie eine Aktie verkaufen sollten. Dadurch entstehen auch die Crashes, denn, wenn Profis dann Aktien abstoßen, geschieht dies meist, wenn Negativ-Schlagzeilen in der Presse auftauchen.
Die Schussfolgerung der Studie ist damit logisch: Anleger, die dauerhaft erfolgreich sein wollen, müssen ihre Verkäufe genauso gut überlegen wie ihre Käufe. Die nächste Traumaktie zu finden, ist genauso wichtig wie das faule Ei im eigenen Portfolio. Und es ist eben auch wichtig, seine Verkäufe im Nachhinein zu analysieren – hat sich eine Aktie etwa stark gebessert, nachdem Sie sie verkauft haben, sollten Ihnen das fürs nächste Mal eine Lehre sein.