"Immenses Potenzial" - Ein gigantisches Rohr nach Afrika soll Deutschland den Energiewende-Turbo bringen

Der erste Schritt ist getan: In Rom unterzeichneten am Dienstag Deutschland, Algerien, Italien, Österreich sowie Tunesien eine Absichtserklärung. Wie das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) in Berlin mitteilte, haben sich die fünf Staaten darauf geeinigt, zusammen ein Wasserstoffnetz zu schaffen.

4000 Kilometer Leitung für grünen Wasserstoff

Das Projekt hat den Namen "südlicher Wasserstoffkorridor" erhalten. Ziel: Der Aufbau eines Netzes, um Wasserstoff von Afrika nach Deutschland, Italien und Österreich zu transportieren. In Algerien und Tunesien soll grüner Wasserstoff durch den Einsatz von Solar- und Windkraft hergestellt und anschließend über lange Leitungen bis nach Süddeutschland gelangen. 

Bereits im Mai des vergangenen Jahres hatten sich Österreich, Italien und Deutschland dazu verpflichtet, das Projekt zu unterstützen, nun sind auch Algerien und Tunesien an Bord. Der Korridor selbst soll eine Länge von 3500 bis 4000 Kilometer haben. Möglich machen soll das auch eine gigantische Leitung in Europa, die zum Großteil aus umgerüsteten Erdgas-Pipelines besteht. 

Für den BMWK-Staatssekretär Philipp Nimmermann hat das Vorhaben "immenses Potenzial", heißt es in einer Mitteilung. "Der südliche Wasserstoffkorridor ist eines der größten und bedeutendsten erneuerbaren Energieprojekte unserer Zeit", so Nimmermann. Der Korridor zieht sich von Sizilien bis hinauf nach Bayern - und entlang dieser Strecke gibt es zahlreiche Wasserstoffprojekte, die damit versorgt werden können. 

Wozu brauchen wir das überhaupt? 

Grüner Wasserstoff hat viele Anwendungsbereiche, die auf unsere Klimaziele einzahlen - denn das farblose Gas wird häufig dort benutzt, wo eine Dekarbonisierung nicht möglich ist, zum Beispiel in der Industrie. Für diese Bereiche gilt grüner Wasserstoff als besonders effektive Alternative:

  • Gasnetze: Als Beigemisch können wir mit Wasserstoff in unseren Gasleitungen bis zu 20 Prozent Erdgas sparen.
  • Biokraftstoffe: Wasserstoff wird für die Herstellung von Methanol benötigt, der wiederum die Grundlage für zahlreiche Biokraftstoffe stellt.
  • Stromspeicher: In Spitzenzeiten kann nicht benötigter Strom aus Erneuerbaren Energien in Form von Wasserstoff gespeichert werden. Bei der Rückverstromung entsteht wiederum Abwärme, die sich zum Heizen nutzen lässt.

Retter der Industrie? 

Die größte Rolle spielt grüner Wasserstoff allerdings in der Industrie, da hier besonders viele Emissionen entstehen, die durch den Einsatz von grünem Wasserstoff stark verringert werden können. Für die Chemieindustrie ist grüner Wasserstoff ein wichtiger Rohstoff in der Herstellung von Ammoniak, der unter anderem für die Düngeproduktion benötigt wird. Auch Methanol kann so hergestellt werden – das wiederum ist ein Grundstoff für Essigsäure, die in der Lebensmittelproduktion verwendet wird.

Auch für die CO2-intensive Stahlproduktion ist grüner Wasserstoff von entscheidender Bedeutung, denn damit fällt statt CO2 Wasser als Nebenprodukt an.

Grüner Wasserstoff kann aber auch als klimaneutraler Brennstoff dienen, um Emissionen in Bereichen wie der Glas- und Keramikindustrie zu senken: Diese setzen derzeit auf Erdgas, das für verfeuert wird, um die für ihre industriellen Prozesse benötigte Prozesswärme zu erreichen.

Positives Signal für die Industrie 

Der südliche Wasserstoffkorridor würde also eines der zentralen Klima-Versprechen erfüllen: Weniger CO2, mehr Unabhängigkeit von fossilen Energien und deren Importen sowie das Sichern von Arbeitsplätzen. Doch obwohl grüner Wasserstoff sehr vielseitig einsetzbar ist, birgt er auch Gefahren: Für die bis dato sehr kostenintensive Herstellung fällt gleichzeitig eine hohe Menge Strom an. 

Noch fehlen in Deutschland 3000 Kilometer an neuen Leitungen, um den geplanten Ausbau des Wasserstoffkernnetzes zu vollenden. Vor allem für die Stahlindustrie ist das Vorhaben dennoch ein gutes Signal: Nachdem Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) vergangene Woche zunächst anzweifelte, ob grüner Stahl in Deutschland überhaupt zukunftsfähig sei, meldeten sich zahlreiche Experten zu Wort und betonten, dass die Wasserstoffstrategie den Klimazielen, der Energiewende und der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zugute kämen. Die Vereinbarung zum südlichen Wasserstoffkorridor dürfte in der Branche also sehr gut ankommen. 

mit dpa-Material