Tiroler planen Maut an beliebter Urlaubsstrecke: Deutscher Landkreis befürchtet Verkehrschaos
Schon jetzt ächzt der Landkreis Garmisch-Partenkirchen unter einem enormen Verkehrsaufkommen. Das wird bald noch mehr werden, meinen Experten: Denn die Tiroler Nachbarn schaffen das, wofür die Bundesregierung bislang noch nicht fähig war: Eine Maut am Fernpass einzuführen. Den Ausweichverkehr wird der Landkreis abbekommen.
Landkreis – Eines ist für Landrat Anton Speer (Freie Wähler) klar: „Das hat enorme Auswirkungen auf den gesamten Landkreis.“ Der Verkehr wird mehr werden, da macht sich Speer überhaupt nichts vor. Die an Spitzentagen sowieso schon mit Ausflüglern und Sommerfrischlern überfüllten Straßen werden noch voller. Verhindern wird das der Landkreischef kaum können: Denn die Ursache liegt im Ausland, genauer gesagt im Außerfern. Die Tiroler Nachbarn wollen bis 2028 mit einem umfassenden Maßnahmenpaket auch eine Maut für den Fernpass einführen – satte 14 Euro pro Fahrt. Damit dürfte sich künftig der Verkehrsfluss nach Innsbruck beziehungsweise Italien verlagern. „Durch unseren Landkreis“, schwant Speer Übles.
Wie berichtet, planen die Tiroler für den Bezirk Reutte ein großes Verkehrsprojekt, was den Fernpass schneller und sicherer machen soll. Herzstück wird ein 1,4 Kilometer langer Scheiteltunnel sein, der 4,8 Kilometer Passstraße ersetzen soll. In diesem Bereich ist der Fernpass besonders im Winter anfällig für Hangrutsche, Sperren wegen Lawinengefahr oder Behinderungen durch Straßenglätte, teilt das Land Tirol mit. Neben dem geplanten Mautabschnitt zwischen Blindsee und Nassereith entsteht zudem eine zweite Röhre im drei Kilometer langen Lermooser Tunnel. Und die alte Röhre wird saniert.
Landrat versteht Sorgen der Tiroler Nachbarn
So weit, so gut. Speer versteht, dass die Tiroler Nachbarn Maßnahmen gegen die enorme Verkehrsbelastung einführen wollen. „Ich habe nichts gegen den Ausbau des Fernpasses“, betont er. Erst kürzlich war er in Ehrwald beim Neujahrsempfang, ist dort mit österreichischen Politikern ins Gespräch gekommen. Der Ausbau steht im Koalitionsvertrag, soll die langersehnte Verkehrsentlastung bringen, heißt es da. Schließlich zählt die B 179 zu den am stärksten belasteten Landesstraßen in ganz Tirol.
Sie hat eine besondere Bedeutung für den überregionalen Verkehr. An Spitzentagen sind über 30 000 Fahrzeuge auf der Route unterwegs, teilt der ADAC mit. Kommt die Maut, werden die Pkw als Ausweichroute nach Italien oder in die Tiroler Skigebiete die Tangente über Garmisch-Partenkirchen, Mittenwald und Scharnitz auf die Inntalautobahn nehmen. „Da bin ich mir hundertprozentig sicher“, sagt Speer. „Da müssen wir dran bleiben, da muss eine Lösung gefunden werden.“ Wie diese jedoch aussehen könnte, das läge in den Händen der großen Politik.
Ein Lastwagen schädigt die Straßensubstanz so stark wie 100 000 Autos.
Gestützt wird seine Befürchtung durch das Staatliche Bauamt Weilheim. Die Behörde ist für die Bundesstraßen 2 und 23 durch das Ammer-, Loisach- und Isartal zuständig. „Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich bei Einführung einer Maut auf dem Fernpass die Attraktivität dieser Ausweichstrecken erhöht“, sagt Martin Herda, Abteilungsleiter Straßenbau Süd. Das sei für den Experten „unumstritten“.
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Unterhaltskosten für Straßen werden nur geringfügig steigen
Steigen durch das Verkehrsaufkommen also auch die Kosten für den Steuerzahler, wenn die Straßen mehr verschlissen werden? Von Glück kann der Landkreis reden, dass auf der Ausweichroute der Zirler Berg liegt, meint Herda. Denn dieser Abschnitt ist aufgrund seiner Steilheit schon seit Längerem für den Schwerlastverkehr gesperrt. „Die Straßenbelastung im Verhältnis Pkw zu Lkw beträgt etwa 1:100 000“, rechnet Herda vor. Bedeutet: „Ein Lastwagen schädigt die Straßensubstanz so stark wie 100 000 Autos.“
Da es sich bei der Fernpassroute ebenfalls um eine Transitstrecke unter Ausschluss des Schwerlastverkehrs handelt (gesperrt für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen), ist mit einer Verlagerung des Pkw-Aufkommens zu rechnen. „Das spielt bei der Bemessung des Straßenaufbaus keine Rolle. Der Verschleiß der Fahrbahn ist also eher als gering einzustufen“, urteilt der Experte. Lediglich die strapazierten Nerven der Einheimischen lassen sich nicht mit Zahlen bemessen.
Mit etwas Bange blickt er zudem auf die geplanten Tunnelprojekte im Landkreis. „Durch die wird künftig die Route durch den Landkreis noch attraktiver.“ Die millionenteuren Röhren im Loisachtal werden weiteren Verkehr anziehen. „Wie viel das alles schließlich ausmacht, ist aber nur sehr schwer abzuschätzen.“
Auch das Ammertal fürchtet ein Verkehrschaos durch den zunehmenden Pkw-Verkehr.
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