Mansour über sein Ankunfts-Trauma in Deutschland: „Ich war emotional nicht hier“

Im FOCUS-online-„MUT-Talk“ mit Host Tijen Onaran und FOCUS-online-Chefredakteur Florian Festl blickt Islamismus-Experte Ahmad Mansour auf seine Ankunft in Deutschland im Jahr 2004 zurück. Er kam als arabischer Israeli in ein fremdes Land und schildert, wie herausfordernd die ersten Jahre waren.

„Ich kam auch Anfang des Jahres und es war wirklich kalt“, erinnert sich Mansour. Doch die emotionale Kälte wog schwerer als die Witterung: „Ich kam mit 28, hatte eine Ausbildung hinter mir und Geld verdient. Ich stand morgens auf und konnte nicht einmal die Sprache. Ich konnte nicht mal einen Käse kaufen gehen, weil ich das Wort nicht kannte, um Käse zu kaufen.“

Mansour: „Ich habe den Zugang in diese Gesellschaft nicht gefunden“

Die fehlende Orientierung und die Isolation beschreibt Mansour als traumatisch: „Ich habe den Zugang in diese Gesellschaft nicht gefunden. Ich lebte von Flug zu Flug. Ich wartete, bis ich genug Geld oder eine Pause hatte, um dann meine Familie zu besuchen und war gar nicht emotional hier.“

Die Wende kam für Mansour erst mit der WM 2006. Er erlebte das Sommermärchen, lernte Freunde kennen, wurde im Studium erfolgreicher und schaffte es, in der Gesellschaft anzukommen und Mitgestalter zu werden.

Dankbarkeit und fehlende Strategie: Ein Deutschland ohne Plan

Mansour, der seine heutige Position als Mitgestalter hoch schätzt, betont seine Dankbarkeit und das Privileg, seine Meinung sagen zu können:

„Ich nehme das als überhaupt nicht selbstverständlich wahr, dass ich bei Ihnen Artikel schreiben kann, dass ich politisch sein kann, dass ich eingeladen werde, dass ich meine Meinung sagen kann, dass ich bei Markus Lanz sitzen darf. Das ist nicht das, was ich damals 2004, als ich im Flugzeug saß, an Vorstellungen gehabt habe.“

Mit Blick auf die aktuelle Lage und seine Arbeit mit jungen Migranten kritisiert Mansour jedoch die grundlegenden Versäumnisse der Politik: „Die Grundprobleme sind die gleichen wie damals: Dass wir eigentlich gar nicht vorbereitet sind, Menschen aufzunehmen. Wir haben keine Vorstellung von Migration und von Integration. Wir haben keine Strategie, wie wir aus Fremden Demokraten machen.“

„Wir schreien nur: Die einen 'Wir haben Platz', die anderen 'Ausländer raus'" 

Er bemängelt die fehlende Begleitung und Strategie, um Menschen die Grundwerte der Gesellschaft zu vermitteln und alte Werte aufzugeben, um wirklich anzukommen: „Uns fehlt die Strategie, wie wir Migranten so begleiten, dass sie die Grundwerte dieser Gesellschaft verinnerlichen. Wir wissen nicht, wie sie bestimmte mitgebrachte Werte aufgeben und erfolgreich ankommen können.“

Mansour kritisiert scharf die mangelnde Vorbereitung und die Polarisierung in der deutschen Debatte. Er sieht einen massiven Strategiemangel, der über die Jahre nicht behoben wurde. Anstatt Integrationskonzepte zu entwickeln, werde lediglich extremistisch geschrien: „Wir schreien nur: Die einen 'Wir haben Platz', die anderen 'Ausländer raus'." Diese fehlende Mitte und die mangelnde Bereitschaft, sich um die Verinnerlichung der Grundwerte zu kümmern, seien das Kernproblem der aktuellen Situation in Deutschland.

Überforderung und No-Go-Areas: Deutschland ist nicht mehr sicher

Mansour sieht in den letzten zehn Jahren eine „massive Überforderung“, die weitreichende Konsequenzen hat. Diese Überforderung treffe nicht nur Migranten, die teils jahrelang in Asylheimen leben und keine Aufgabe finden, sondern führe auch zu einer „subjektiven Unsicherheit“ in der gesamten Gesellschaft.

Er benennt die Konsequenzen klar: „Bestimmte Orte sind mittlerweile No-Go-Areas geworden für bestimmte Menschen – Homosexuelle, Islamkritiker, Frauen.“

Mansour sieht die Politik in der Pflicht, weiß aber um deren Überforderung: „Man erwartet von der Politik, dass sie handelt. Ich sehe aber auf allen Ebenen, vor allem in der Politik, eine massive Überforderung: Wie wird man Herr dieser Lage? Wie sorgt man dafür, dass Deutschland wieder sicher wird? Und wie regelt man Migration und Integration nachhaltig? Diese Lösungsidee ist noch nicht da.“

Den gesamten Talk mit Ahmad Mansour sehen Sie hier auf FOCUS online und auf Spotify.