Experte warnt vor Ukraine-Waffenlieferungen: „Wir haben nichts“

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

Nach den USA erlaubt nun auch Deutschland der Ukraine die Nutzung der gelieferten Waffen auf russischem Staatsgebiet. Der Militärexperte Ralph Thiele warnt vor einer weiteren Eskalation.

Berlin/Kiew – Am Freitag hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit über die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz informiert: Die von Russland angegriffene Ukraine dürfe nun auch von Deutschland gelieferte Waffen gegen militärische Ziele in Russland abfeuern. Zuvor hatte Scholz bei diesem Thema stets sein Veto eingelegt.

Auch die USA hatten unlängst eingelenkt und der Ukraine die Erlaubnis erteilt, amerikanische Waffen in begrenztem Umfang gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet einzusetzen. Sowohl Deutschland als auch die USA begründen den Schritt mit den jüngsten russischen Offensiven gegen die ostukrainische Region Charkiw.

Eskalation im Ukraine-Krieg: Militärexperte warnt vor Waffenlieferungen an Ukraine

Der Militärexperte und Oberst a.D. Ralph Thiele warnte gegenüber Focus Online allerdings vor den Folgen einer weiteren Eskalation. „Viele behaupten, Putin spiele Poker. In diesem Bild sitzen wir allerdings mit am Pokertisch“, sagte Thiele. Ohne strategische Reflexion einfach weiter Waffen an die Ukraine zu liefern, bezeichnete er als „eine existenzielle Bedrohung für den Westen“. Der Westen agiere dabei ohne klare Strategie. Riskiert würden „nicht nur die ukrainische, sondern auch unsere eigene Bevölkerung und Prosperität“.

Die Bundesregierung hat im Ukraine-Krieg den Einsatz von Waffen gegen Ziele in Russland erlaubt. (Archivbild)
Die Bundesregierung hat im Ukraine-Krieg den Einsatz von Waffen gegen Ziele in Russland erlaubt. (Archivbild) © Mindaugas Kulbis/AP/dpa

Putin habe, um im Bild des Pokertisches zu bleiben, ein volles Blatt. „Wir haben ein leeres Blatt, und die Nato ebenso“, Deutschland habe kaum relevante militärische Fähigkeiten. Seit Ende des Kalten Krieges habe Berlin seine militärischen Fähigkeiten reduziert und seit Kriegsbeginn in der Ukraine versäumt, die Waffen- und Munitionskammern wieder zu füllen und gleichzeitig die Soldaten einsatztüchtig zu machen.

Deutsche Armee laut Militärexperten in schlechtem Zustand: „Wir haben nichts“

Deutschland verfüge laut Thiele im Prinzip über drei Divisionen, mit denen größere Aufgaben wahrgenommen werden könnten. „Die sollten bis 2028 einsatzbereit sein, sind es jetzt aber nicht mehr, weil wir die geplündert haben, damit wir eine voll ausgerüstete Brigade nach Litauen schicken können“, erklärte Thiele.

Insgesamt sollen knapp 5000 Soldaten der Bundeswehr in Litauen stationiert werden. „Für die Nato geht es um den Schutz der Ostflanke. Bis 2027 soll die Brigade stehen, um die östlichen Außengrenzen der Nato zu schützen.“ Unsicher sei aber, wer die Brigade im Fall einer Eskalation verstärken solle: „Wir haben nichts.“

Krieg in der Ukraine: USA- und Deutschland-OK ohne Konsequenzen für Russland

Zudem habe die Freigabe westlicher Waffen für Russland keine großen Konsequenzen, außer dass sich das Land darauf einstellen müsse, mehr Soldaten zu verlieren, sagte Thiele. Putin aber verfüge über reichlich Soldaten und genügend Munition. Moskau hätte „dreimal so viele Männer wie die Ukraine“ zur Verfügung und „wirbt zudem weitere Soldaten insbesondere aus anderen postsowjetischen Ländern ab“.

Das britische Verteidigungsministerium berichtete unlängst davon, Informationen zu haben darüber, dass Russland derzeit gezielt ausländische Soldaten mit finanziellen Anreizen anlocken würde. So konnte das Land inzwischen Arbeitsmigranten aus Indien und Nepal in die russische Armee integrieren. Zudem habe das Land seit Kriegsbeginn konsequent auf Kriegswirtschaft umgestellt, der Westen hingegen liege in dieser Hinsicht deutlich zurück.

Waffenlieferungen an Ukraine: Militärexperte fordert baldiges Ende des Krieges

Thiele forderte gegenüber Focus Online das baldige Ende des Ukraine-Kriegs, um das Land und den Westen vor noch größerem Schaden zu bewahren. Der Westen müsse zudem verstehen, dass er dringend an seiner eigenen Resilienz arbeiten müsse. Weiter Waffen an Kiew zu liefern, ohne eine politische Begleitstrategie zu entwickeln, die ein Ende des Krieges verfolgt, bringe laut Militärexperte Thiele düstere Zeiten mit sich.

Die schwache militärische Leistungsfähigkeit des Westens und die mangelnde strategische Ausrichtung könnten sich als fatal erweisen, warnt Thiele. Er fordert ein Umdenken: Die westliche Politik müsse dringen überprüft und angepasst werden. Nur dann könnte diese komplexe und gefährliche Situation gemeistert werden. (fmü)

Auch interessant

Kommentare