Neurasthenie Diagnose: Was Betroffene wissen müssen
Neurasthenie, auch bekannt als Nervenschwäche, ist eine psychische Störung, die durch anhaltende Erschöpfung und verminderte Leistungsfähigkeit gekennzeichnet ist. Im 19. Jahrhundert wurde sie als eigenständige Krankheit anerkannt und vor allem bei der wirtschaftlich erfolgreichen Mittelschicht diagnostiziert.
Ursachen der Neurasthenie
Die Ursachen der Neurasthenie sind vielfältig und können sowohl psychischer als auch physischer Natur sein. Häufig tritt die Erkrankung nach intensiver psychischer Belastung oder nach einer schweren körperlichen Erkrankung auf. Zu den häufigsten Auslösern gehören:
- Lang anhaltender Leistungsdruck und Überforderung: Besonders im beruflichen Kontext kann ein dauerhaft hoher Leistungsdruck zur Erschöpfung führen.
- Emotionale Probleme und zwischenmenschliche Konflikte: Diese können zu einer chronischen Überforderung und schließlich zu Neurasthenie führen.
- Monotonie oder Unterforderung: Auch ein Mangel an geistigen Herausforderungen kann zu einer ähnlichen Symptomatik führen.
Individuelle Persönlichkeitsmerkmale spielen ebenfalls eine Rolle. Menschen, die besonders ehrgeizig, perfektionistisch oder nicht in der Lage sind, "Nein" zu sagen, sind anfälliger für Neurasthenie. Diese Eigenschaften können zu einer erhöhten Stressanfälligkeit und damit zur Erschöpfung führen.
Symptome der Neurasthenie
Die Symptome der Neurasthenie sind vielfältig und beeinflussen sowohl die körperliche als auch die psychische Gesundheit. Typische Symptome umfassen:
- Chronische Müdigkeit und Schwäche: Betroffene fühlen sich auch nach ausreichendem Schlaf erschöpft.
- Konzentrationsstörungen: Schwierigkeiten, sich auf Aufgaben zu konzentrieren oder diese effizient zu erledigen.
- Reizbarkeit und Angstgefühle: Eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber stressigen Situationen.
- Körperliche Beschwerden: Diese reichen von Kopfschmerzen, Magen-Darm-Problemen bis hin zu Herzbeschwerden und Muskelverspannungen.
- Stimmungsschwankungen: Häufig treten depressive Verstimmungen und ein allgemeines Gefühl der Hoffnungslosigkeit auf.
- Schlafstörungen: Diese können sowohl in Form von Schlaflosigkeit als auch von einem übermäßigen Schlafbedürfnis auftreten.
Therapie der Neurasthenie
Psychotherapie und Verhaltenstherapie
Eine der effektivsten Behandlungsformen für Neurasthenie ist die Psychotherapie, insbesondere die Verhaltenstherapie. Diese Therapieform hilft den Betroffenen, eine Verbindung zwischen ihren psychischen Belastungen und den körperlichen Symptomen herzustellen. Sie lernen, ihre eigenen Stressfaktoren zu identifizieren und positive Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Entspannungstechniken und körperliche Aktivität
Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Meditation und Yoga können ebenfalls hilfreich sein. Regelmäßige körperliche Aktivität, wie mäßig betriebener Ausdauersport, trägt zur Verbesserung der Symptomatik bei und fördert die allgemeine Gesundheit.
Medikamentöse Behandlung
In einigen Fällen kann auch eine medikamentöse Behandlung notwendig sein. Antidepressiva und Beruhigungsmittel auf pflanzlicher Basis wie Johanniskraut, Baldrian oder Melisse können unterstützend wirken.
Lebensstiländerungen
Eine Umstellung des Lebensstils spielt eine entscheidende Rolle bei der Therapie von Neurasthenie. Dazu gehören:
- Ernährungsumstellung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Rohkost, Obst, Sauermilchprodukten und Vollkornprodukten.
- Reduktion von Genussmitteln: Verzicht auf Alkohol, Nikotin und Koffein.
- Regenerationszeiten: Sicherstellen ausreichender Erholungsphasen zwischen den Belastungen des Alltags.
Vorbeugung von Neurasthenie
Vorbeugung ist besser als Heilung. Um dieser Krankheit vorzubeugen, sollten Menschen auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit achten. Hier einige Tipps:
- Stresstoleranz und Resilienz: Durch spezifische Stressbewältigungsstrategien kann die eigene Stressresilienz erhöht werden.
- Regelmäßige Pausen und Freizeitaktivitäten: Diese helfen dabei, den Geist zu erfrischen und abzuschalten.
- Pflege sozialer Kontakte: Soziale Unterstützung kann eine wichtige Rolle bei der Stressbewältigung spielen.
- Gesunde Lebensweise: Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität sind essenziell.
Unterschied zwischen Neurasthenie und Burnout
Obwohl Neurasthenie und Burnout ähnliche Symptome aufweisen, gibt es Unterschiede. Burnout wird oft mit übermäßiger Arbeitsbelastung und mangelnder Anerkennung im beruflichen Umfeld in Verbindung gebracht. Neurasthenie kann hingegen durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden, darunter auch Unterforderung und emotionale Probleme. Ein weiterer Unterschied liegt in der gesellschaftlichen Wahrnehmung: Während Burnout zunehmend als ernsthafte Erkrankung anerkannt wird, wird Neurasthenie oft als veralteter Begriff betrachtet.
Verlauf und Folgen der Neurasthenie
Der Verlauf der Neurasthenie kann stark variieren. In der Regel entwickelt sich die Krankheit schleichend, mit einer langsamen Zunahme der Intensität der Symptome. Wenn die Krankheit nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird, kann sie zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen:
- Chronische Erschöpfung: Dies kann die berufliche und soziale Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen.
- Psychische Folgeerkrankungen: Dazu gehören depressive Störungen, Angststörungen und psychosomatische Beschwerden.
- Soziale Isolation: Durch die Einschränkungen und das Unverständnis der Umwelt können betroffene Personen in die soziale Isolation geraten.
Berufsunfähigkeit und Versicherungsoptionen
Neurasthenie kann die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. In schweren Fällen kann es sogar zur Berufsunfähigkeit führen. Hier sind einige wichtige Aspekte zu beachten:
- Berufsunfähigkeitsversicherung: Eine solche Versicherung kann im Ernstfall finanzielle Sicherheit bieten. Es ist jedoch wichtig, im Vorfeld zu klären, ob Neurasthenie als anerkannte Erkrankung in den Versicherungsvertrag aufgenommen wird.
- Ansprüche bei der Krankenkasse: Viele Krankenkassen bieten Unterstützung bei der Behandlung von Neurasthenie, einschließlich der Kostenübernahme für Psychotherapie und Rehabilitationsmaßnahmen.
Neurasthenie – Eine anerkannte Nervenkrankheit?
Neurasthenie wird in der ICD-10 als anerkannte Krankheit geführt. Trotz ihrer Anerkennung ist sie jedoch in der modernen medizinischen Praxis weniger gebräuchlich und wird oft durch Diagnosen wie Burnout oder depressive Störungen ersetzt. Es ist wichtig zu betonen, dass Neurasthenie keine klassische Nervenkrankheit wie Neuropathien ist, sondern eine psychosomatische Störung, bei der äußere Faktoren eine wichtige Rolle spielen.
Ansprechpartner und Unterstützungsmöglichkeiten
Für Betroffene von Neurasthenie gibt es verschiedene Anlaufstellen, die Unterstützung bieten können:
- Hausärzte und Fachärzte: Für eine erste Diagnose und Überweisung an Spezialisten.
- Psychotherapeuten: Für eine gezielte Verhaltenstherapie und Unterstützung bei der Bewältigung psychischer Belastungen.
- Selbsthilfegruppen: Diese bieten eine Plattform zum Austausch mit anderen Betroffenen und können wertvolle Unterstützung bieten.
- Krankenkassen: Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten für Therapie und Rehabilitationsmaßnahmen.
Fazit
Neurasthenie ist eine ernsthafte Erkrankung, die viele Facetten hat und sowohl körperliche als auch psychische Symptome hervorruft. Trotz ihrer historischen Bedeutung wird sie heute oft durch modernere Diagnosen ersetzt. Eine frühzeitige Diagnose und rechtzeitige Therapie sind entscheidend, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und schwere Folgeerkrankungen zu vermeiden. Ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit sowie die Pflege sozialer Kontakte sind zentrale Aspekte der Prävention.
Über Dr. med. univ. Matyas Galffy
Dr. med. univ. Matyas Galffy ist Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sowie Personzentrierter Psychotherapeut. Er studierte Humanmedizin und Klinische Neurowissenschaften an der Medizinischen Universität Innsbruck und absolvierte dort seine Facharztausbildung mit Schwerpunkt Psychosomatik. Neben einer Spezialisierung in fachspezifischer psychosomatischer Medizin hält der unter anderem Diplome in Palliativmedizin und spezieller Schmerztherapie. Zuletzt war er als ärztlicher Leiter der Spezialsprechstunde für Angst- und Zwangsstörungen an der Universitätsklinik Innsbruck tätig. Seither ist er als niedergelassener Arzt in Tirol und Niederösterreich tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Angststörungen, Schmerzstörungen und Psychotraumatologie.
Wichtiger Hinweis: Die hier bereitgestellten Informationen dienen nur zu allgemeinen Informationszwecken und ersetzen nicht die professionelle Beratung und Behandlung durch einen Arzt. Bei Verdacht auf ernsthafte gesundheitliche Probleme oder bei anhaltenden Beschwerden sollten Sie immer einen Arzt aufsuchen.