Ende eines Kulturkampfes: Merz zwingt SPD in die Sozialdemokratie zurück

Bis drei Uhr nachts wurde getagt - teilweise sehr emotional. Bilder einer ZDF-Kamera zeigen einen wild gestikulierenden bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Anders als bei früheren Koalitionsausschüssen ist inhaltlich nichts  aus den Verhandlungen nach außen gedrungen, es waren zehn Stunden offenbar harter Auseinandersetzungen. Von einer "nie dagewesenen Marathonsitzung“ spricht Markus Söder. 

Merz hat die "Bullshit-Kritikerin“ Bas eingefangen

Am Morgen danach darf sich die Union als Sieger präsentieren: denn arbeitsverweigernden Empfängern von Bürgergeld beziehungswiese der künftigen Grundsicherung werden maximale Sanktionen angedroht:  Wer mehrmals nicht im Jobcenter zu Terminen erscheint, dem wird die Stütze zu 100 Prozent gestrichen. Seit Monaten tobte zwischen den Koalitionspartnern eine Art "Kulturkampf“, wie Lars Klingbeil (SPD) einräumt. Unvergessen, wie die Bundesarbeitsministerin und SPD-Vorsitzende Bärbel Bas Einsparziele ihres Bundeskanzlers als "Bullshit“ bezeichnete. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) darf sich nun freuen, seine ärgste Kritikerin eingefangen zu haben.

Jetzt bringt dieselbe Politikerin die Ergebnisse der langen Nacht, offenbar selbst erleichtert, auf den Punkt. Die Menschen seien sehr verunsichert worden, damit sei nun Schluss. Einsparungen würden schon dadurch erreicht, dass mehr Menschen in Arbeit kommen. 

Union zwingt die SPD an die Seite ihrer Stammwählerschaft

Für die SPD ist das eine echte Kehrtwende: lange behauptete sie, es sei verfassungsfeindlich, Menschen das Bürgergeld komplett zu streichen. Sie nahm damit in Kauf, dass Menschen in Gelsenkirchen und anderswo auf dem Weg zur Arbeit zusehen mussten, wie Menschen in „Bürgergeld-Ghettos“ sich einen schönen Tag machen. Die jetzige Entscheidung geht weit über das Bürgergeld hinaus. Die SPD, in deren Parteigliederungen die Rund-Um-Sorglos-Ideologie eines "Grundeinkommens für alle“ herumspukt, stellt sich jetzt entschieden an die Seite ihrer einstigen Stammwählerschaft – der arbeitenden Menschen. Es ist nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet die Union ihren Koalitionspartner damit wieder in die Sozialdemokratie gezwungen hat. 

Wert der Arbeit wieder im Mittelpunkt

Zugleich wird der Wert der Arbeit auch in den anderen beiden Feldern der Marathonsitzung gehoben: Rentner können künftig bis zu 2.000 Euro steuerfrei dazu verdienen. Die Aktiv-Rente belohnt Menschen, die bereits auf ein langes Arbeitsleben zurückblicken. Und wenn die Rente eben nicht reicht, oder Menschen sich noch immer zum Arbeiten berufen fühlen, können sie dazuverdienen. Die Idee hätte auch von der SPD stammen können und eigentlich müssen.

Das Wort Autobahn verliert seinen Schrecken in der SPD

Der dritte Aspekt dieser Nacht betrifft die 166 Milliarden Rekord-Investitionen im Verkehrsbereich. Finanzierungslücken sollen hier mit Hilfe Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP) gefüllt werden, sagt Bundeskanzler Merz. Auch hier zeigt sich eine neue Flexibilität der SPD, die solche Projekte über lange Zeit abgelehnt hat. Denn die Investitionen sind ein Booster für Beschäftigung. Damit verliert auch das Wort Autobahn seinen Schrecken in einer Partei, die sich nun aus der rot-grünen Ideologie-Gefangenschaft befreien könnte.