Angst vor Chinas E-Auto-Flut: Scholz stellt in Shanghai Forderungen – auch an die deutsche Industrie

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Die EU will mit Strafen gegen die E-Auto-Schwemme aus China vorgehen. Olaf Scholz Peking zum Handeln auf, nimmt aber auch Deutschlands Industrie in die Pflicht.

Manche Probleme lassen sich in nur zwei Worten lösen. „Nicht rauchen!“, riet Olaf Scholz am Montag (15. April) in Shanghai bei einer Begegnung mit Studenten einem jungen Mann, der bald in Berlin studieren will, sich aber vor der deutschen Cannabis-Legalisierung fürchtet. Wenn es doch immer so einfach wäre!

Deutlich komplizierter wird es im deutsch-chinesischen Verhältnis, wenn es um Pekings Nähe zu Russland und dem Iran geht oder um die anhaltenden Drohgebärden Richtung Taiwan. Sorgen bereitet dem Kanzler zudem die chinesische Wirtschaftspolitik. Konkret das, was Scholz in Shanghai „die Frage des ‚level playing field‘“ nannte. Vor Hochhauskulisse forderte Scholz in der ostchinesischen Metropole, „dass Rechte für Unternehmen gewährleistet werden, dass man faire Wettbewerbsbedingungen hat, auch mit lokalen Unternehmen, die hier tätig sind, und dass es auch den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen gibt“.

Der Hintergrund: China, so beklagen es westliche Ökonomen und Politiker seit langem, produziere viel mehr, als es selbst benötige. So würden E-Autos oder Solarzellen, gefertigt von staatlich subventionieren Unternehmen, europäische Märkte fluten. Am Dienstag in Peking, dem letzten Stopp seiner dreitägigen China-Reise, wolle er darüber mit Staatschef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Qiang sprechen, sagte Scholz.

China subventioniert seine E-Auto-Industrie – mit vielen Milliarden

Es sind Themen, die unangenehm sind für Peking – aber weniger lästig als die geopolitischen Fragen, die der Kanzler ebenfalls zur Sprache bringen dürfte. Denn die Wirtschaft ist für China traditionell das wichtigste Thema, wenn Besuch aus Deutschland an die Tür klopft.

Wie drängend das Problem der Überkapazitäten ist, machte unlängst eine Studie des Kiel Institut für Weltwirtschaft deutlich. Dieser zufolge erhielten im Jahr 2022 mehr als 99 Prozent der börsennotierten chinesischen Unternehmen direkte staatliche Subventionen. Auch gebe es für viele Unternehmen bevorzugten Zugang zu kritischen Rohstoffen oder Vorzugsbehandlung bei öffentlichen Vergabeverfahren. So sei es ihnen möglich, zunehmend auf den europäischen Markt zu drängen.

Besonders deutlich, so die Kieler Ökonomen, sehe man das beim E-Auto-Primus BYD, der im letzten Quartal 2023 erstmals mehr Elektrofahrzeuge als Tesla verkaufen konnte. Die staatlichen Subventionen für das Unternehmen aus dem südchinesischen Shenzhen seien von umgerechnet rund 220 Millionen Euro im Jahr 2020 auf 2,1 Milliarden Euro zwei Jahre später gestiegen.

Scholz fordert in China: Deutsche Unternehmen müssen „wettbewerbsfähig sein“

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Chinas E-Autos nicht nur billig sind, sondern auch gut. Modelle von Herstellern wie BYD fahren in Vergleichstests längst sehr ordentliche Noten ein. China hat schon vor Jahren erkannt, dass der Verbrenner keine Zukunft hat, und gezielt auf die Elektromobilität gesetzt. Und weil E-Autos Batterien benötigen, hat Peking auch hier strategisch eine Industrie aufgebaut, inklusive Lieferketten für die benötigten Rohstoffe. Laut einer Analyse von SNE Research stammen die zehn größten Hersteller von Lithium-Ionen-Akkus aus Asien, ganz vorne liegen die chinesischen Unternehmen CATL und BYD, mit einem weltweiten Marktanteil von zusammen rund 50 Prozent. In Shanghai nahm Scholz denn auch die deutschen Unternehmen in die Pflicht: Diese müssten „so wettbewerbsfähig sein“, so der Kanzler, „dass wir in diesem Wettbewerb überall bestehen können“.

Die EU will dem Problem der Überkapazitäten aber auch mit für China schmerzhaften Gegenmaßnahmen begegnen, etwa mit Strafzöllen. Für E-Autos drohte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das bereits vor Monaten an, aktuell ermittelt die EU auch gegen Windkraftunternehmen, die unfair subventioniert würden, wie es aus Brüssel hieß.

Berlin ist erklärtermaßen kein Freund von Strafzöllen, wohl auch aus Sorge vor chinesischen Vergeltungsmaßnahmen. Ein paar Zugeständnisse dürfte Pekings Führung dem deutschen Kanzler in Peking deswegen wohl machen, sie weiß schließlich um den deutschen Einfluss in Brüssel. Auch fürchtet man, die Deutschen endgültig an die Amerikaner zu verlieren, die – so sieht das zumindest Staatschef Xi Jinping – China „eindämmen und unterdrücken“ wollen. Die Niederlande etwa haben sich bereits Amerikas Chip-Sanktionen gegen China angeschlossen. Zudem ist die Volksrepublik weiterhin mindestens so abhängig von Deutschland wie umgekehrt, etwa von Vorprodukten deutscher Hersteller oder von deutscher Technologie. Ein Hebel, den der Kanzler nutzen kann.

Überkapazitäten bei E-Autos: China spricht von „Politisierung“

US-Finanzministerin Janet Yellen biss unlängst allerdings auf Granit, als sie bei ihrem China-Besuch vor wenigen Tagen einen Abbau der Überkapazitäten forderte. Prompt warf ihr das Außenministerium in Peking vor, das Thema zu „politisieren“ – ein beliebter Schachzug, um unliebsame Themen wegzukegeln. Handelsungleichgewichte seien ganz natürlich, die Märkte würden das schon regeln, erklärte eine Außenamtssprecherin des sozialistischen Landes in neoliberaler Bilderbuchrhetorik.

Am Montag, als Scholz in Shanghai war, widmete die Parteizeitung People‘s Daily dem Aufstieg von Chinas E-Auto-Industrie einen ganzseitigen Jubeltext. Von den 20 erfolgreichsten Elektrobauern stammten im vergangenen Jahr 16 aus der Volksrepublik. Der Text endete mit einem Satz, den manch einer hierzulande als Drohung begreifen dürfte: „Der Traum vom Auto, der Traum vom starken Land, der Traum vom Wiederaufstieg Chinas: Wir schreiten voran.“

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