Scholz in China: Im Auftrag der deutschen Wirtschaft bei Xi Jinping
Drei ganze Tage lang reist Olaf Scholz durch China. Im Gepäck hat er Forderungen der deutschen Wirtschaft – aber auch der Ukraine-Krieg begleitet den Kanzler.
Eines ist jetzt schon gewiss: Fotos mit knuffigen Stoff-Pandabären wird es von dieser China-Reise nicht geben. Während sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Ende März in Chengdu zum Spott von Journalisten und Opposition demonstrativ mit schwarz-weißen Kuscheltieren ablichten ließ, dürfte der nüchterne Olaf Scholz auf seiner am Samstag beginnenden China-Reise eher auf traditionelle Bilder setzen, mit Wirtschaftslenkern und Politikern an seiner Seite.
Eine China-Reise ist so etwas wie die Königsdisziplin der deutschen Außenpolitik. Angela Merkel war als Bundeskanzlerin 13-mal in der Volksrepublik; Scholz, immerhin seit gut zweieinhalb Jahren im Amt, bislang nur elf Stunden. Im November 2022 war das, China stand damals noch immer unter dem knallharten Corona-Regime, das Staats- und Parteichef Xi Jinping dem Land verordnet hatte. Immerhin hatte der Kanzler eine Erfolgsmeldung mit im Gepäck, als er die Heimreise antrat: Es gelang ihm, Xi erstmals nach Beginn des Ukraine-Krieges ein öffentliches Statement gegen den Einsatz von Atomwaffen abzuringen. Es war ein starkes Signal in Richtung Russland.
Dieses Mal nimmt sich Scholz drei Tage für seine China-Reise, offenbar gilt es, einiges nachzuholen. Und so mutet Scholz‘ Programm fast so an wie frühere Kanzler-Reisen: Er besucht drei Städte und wird von einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation begleitet, darunter die Vorstandschefs von Mercedes und Siemens. Am Sonntag landet Scholz zunächst im westchinesischen Chongqing, wo mehrere große deutsche Konzerne investiert haben. Dort wird Scholz eine Produktionsstätte von Bosch für Wasserstoffantriebe besichtigen. Anschließend geht es weiter nach Shanghai, dort stehen neben einem Treffen mit Studenten weitere Unternehmensbesuche auf dem Programm.
Scholz-Besuch in China: Deutsche Unternehmen klagen über unfaire Bedingungen
Überhaupt wird die Wirtschaft im Mittelpunkt der Reise stehen. Denn die Unternehmen haben Scholz einen langen Katalog an Klagen mitgegeben, und sie erwarten Rückhalt. „Olaf Scholz sollte die Verhandlungsbereitschaft nutzen, muss aber die richtigen Prioritäten setzen: Ein Abbau der Überkapazitäten und ein Eindämmen der Exportschwemme nutzen der deutschen Volkswirtschaft insgesamt“, empfiehlt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Das Thema Überkapazitäten in China gehöre „zu den dringlichsten Themen, die angegangen und von der Politik als eine der größten Belastungen anerkannt werden müssen“, betonte auch Thomas König, Referatsleiter China beim Asien Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft, am Mittwoch in einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundestags.
Zudem stehen ausländische Firmen in China noch immer vor Hürden, die sie teilweise seit Jahrzehnten anprangern. Da sind der Zwang, in manchen Sektoren wie dem Autobau Gemeinschaftsunternehmen bilden zu müssen, die Benachteiligung bei öffentlichen Ausschreibungen oder Investitionsverbote in bestimmten strategischen Sektoren. In einer am Mittwoch bekannt gegebenen Blitzumfrage der Außenhandelskammer in China gaben 65 Prozent der befragten Unternehmen an, unfairen Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt zu sein.
Für China steht nationale Sicherheit über Wirtschaftswachstum
„Das sind Themen, die wir natürlich auch gerne dem Bundeskanzler mitgeben wollen für seine Reise nach China“, sagte König. Er glaube daran, dass Dialog und die Unterstützung deutscher Firmen durch die Bundesregierung wichtig seien. Druck seitens der Bundesregierung bei chinesischen Entscheidungsträgern habe „tatsächlich Effekt“. Die Voraussetzungen dafür stehen derzeit gar nicht mal so schlecht. China versuche aktuell verstärkt, „ausländische Unternehmen zu umgarnen“, sagt Max Zenglein, Chefökonom bei der Berliner China-Denkfabrik Merics.
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Dennoch: Trotz einiger konkreter Verbesserungen, etwa beim Export von Daten aus China, gebe es noch keinen wirklichen Kurswechsel in Peking, sagt Zenglein. Für Xi steht die nationale Sicherheit seit Jahren vor der Wirtschaft. Deutschland jedoch „hat für China eine außergewöhnliche Sonderrolle“, so Zenglein, vor allem im Vergleich zu den großen Volkswirtschaften USA und Japan, die sich „weitaus schärfer“ gegenüber Peking positioniert hätten als Berlin. China ist weiterhin wichtigster Handelspartner der Bundesrepublik, wenn auch nur noch mit hauchdünnem Abstand zu den USA. Die von der EU-Kommission angesichts der Importflut chinesischer E-Autos und Solarzellen derzeit ins Spiel gebrachten Strafzölle sieht die Bundesregierung skeptisch: „Schutzzölle sind etwas, das die Weltwirtschaft hemmt“, heißt es aus Berlin.
Ukraine-Krieg und Taiwan auch Themen beim China-Besuch von Scholz
Scholz wird in Peking, wo er am Dienstag mit Xi Jinping zusammentreffen wird, auch über Geopolitik reden müssen. Beim Ukraine-Krieg müsse Scholz „noch aggressiver kommunizieren“, dass dieser Konflikt im Herzen Europas „für Deutschland zentral ist“, sagt Merics-Politikanalyst Nis Grünberg – der allerdings selbst von wenig Hebelkraft des Kanzlers ausgeht. China positioniert sich in einer Art pro-russischer Neutralität, von der es bislang keinen Zentimeter abweicht. Auch beim Thema Taiwan dürfte sich Scholz in Peking die Zähne ausbeißen. China lasse sich bei seinem Anspruch auf Taiwan „nicht reinreden“, so Grünberg.
Dasselbe gilt für das Thema Menschenrechte. Dennoch müsse der Kanzler „insbesondere die gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Tibet, in Hongkong und in Xinjiang“ ansprechen, fordert die FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte, Renata Alt. „Auch das rigorose Vorgehen der Kommunistischen Partei gegen politische Dissidenten, Anwälte und die freie Presse in China muss zur Sprache kommen“, sagte Alt zu IPPEN.MEDIA.
Auch drei deutsche Minister mit Scholz in Peking
Ungewöhnlich ist, dass Scholz drei Bundesminister mitnimmt nach China: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sowie Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) werden in Peking zum Kanzler stoßen. Ihre Teilnahme könnte ein Signal sein, dass die Bundesregierung in diesen Ressorts Chancen zur Zusammenarbeit sieht. Lemke hatte zum Beispiel bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen im Sommer 2023 mit ihrem chinesischen Gegenüber eine Absichtserklärung zur Kooperation bei Klima und Umwelt unterschrieben.
„China hat sich verändert – dies und die politischen Entscheidungen Chinas machen eine Veränderung unseres Umgangs mit China erforderlich“, heißt es in der China-Strategie, die sich Deutschland im vergangenen Sommer gegeben hat. Es ist ein Satz, an dem sich Scholz nun wird messen lassen müssen.