FOCUS-online-Serie - 15 Euro Mindestlohn, Schluss mit Bürgergeld: Was die Parteien für Angestellte planen
Die Ausgangslage: Zu wenige Arbeitskräfte, Nachwirkungen der Inflation
Für Angestellte dürfte sich nach der Bundestagswahl einiges ändern, weil derzeit zwei Entwicklungen zusammentreffen: Deutschland fehlen Arbeitskräfte und die Wirtschaft schwächelt. Beide Probleme kann die Politik lösen, indem sie die Arbeitswelt verbessert.
Einerseits schwächt der Mangel an Fachkräften und Arbeitskräften generell die Wirtschaft: Oft fehlen Betrieben die Leute, um Projekte umzusetzen. Die Sozialsysteme leiden unter zu wenigen Beitragszahlern. Die neue Regierung muss also mehr Menschen in Arbeit bekommen: durch Anreize (etwa besseren Lohn), durch Hilfen (etwa bessere Kinderbetreuung) oder durch Zwang (weniger Geld für Arbeitslose).
Andererseits klagen Angestellte nach der hohen Inflation der vergangenen Jahre weiter über die gestiegene Kosten. Höhere Löhne könnten diese Beschwerden lindern. Sie verteuern die ohnehin teure Arbeit in Deutschland aber weiter. Schlimmstenfalls verdienen einige mehr, während andere ihre Jobs verlieren. Die neue Bundesregierung muss diesen Zielkonflikt lösen.
Für Angestellte in Deutschland könnte die Bundestagswahl daher vieles verändern. Womöglich bekommen die, die arbeiten, bald fast ein Viertel mehr Mindestlohn, während die, die nicht arbeiten, mit deutlich weniger auskommen müssen. Die Folgen dürfte jeder Arbeitnehmer im Geldbeutel spüren.
Die Optionen: 15 Euro Mindestlohn, Schluss mit Bürgergeld, Mütter in den Job
Für Angestellte geht es bei der Wahl vor allem um Absicherung (Bürgergeld) und Gehalt (Mindestlohn):
- Mindestlohn erhöhen: Einige Parteien wollen den Mindestlohn von derzeit 12,41 Euro auf 15 Euro anheben. Bislang darf die Politik das aber nicht: Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern legen den Mindestlohn in der Mindestlohnkommission fest. Ein politisch diktierter Mindestlohn von 15 Euro würde dieses System beenden, das einige Parteien aber beibehalten wollen. Sie meinen, politisch angehobene Mindestlöhne könnten Unternehmen aus Deutschland vergraulen. Die Mindestlohnkommission fände bessere Lösungen.
- Bürgergeld senken/abschaffen: Einige Parteien wollen das Bürgergeld senken oder abschaffen. Dies ermutige mehr Menschen zur Arbeit, argumentieren sie.
- Tarifbindung stärken: Derzeit werden einige Angestellte nach Tarifvertrag bezahlt, andere nicht. Wechseln Angestellte in den Tarifvertrag, bekommen sie mehr Geld. Der genaue Zugewinn schwankt, liegt aber laut Experten bei fünf bis sieben Prozent des Bruttogehalts.
- Überstunden steuerfrei machen: Deutschland fehlen Fachkräfte. Weil sich die Zahl der Angestellten kurzfristig kaum deutlich vermehrt, wollen einige Parteien bestehenden Angestellten, die durchaus mehr arbeiten würden, stärkere Anreize bieten. Steuerfreie Überstunden sollen helfen, die Gesamtarbeitszeit in Deutschland zu steigern.
- Steuern senken: Alle Parteien unserer Analyse wollen die Steuern senken. Sie unterscheiden sich aber sehr darin, für wen sie diese senken wollen: Gutverdiener oder Geringverdiener? Die genauen Punkte erklärt unser Artikel zum Thema.
- Mütter in Vollzeit in Jobs bringen: Frauen bleiben nach der Geburt eines Kindes häufig in Teilzeit, obwohl sie gerne mehr arbeiten wollen.
Über die Serie: FOCUS-online-Wahlcheck
Die Stimmung im Wahlkampf ist aufgeladen. Vor lauter persönlichen Angriffen und Grundsatzdebatten drohen die Inhalte in den Hintergrund zu treten. In einer Serie nimmt FOCUS online fünf Wirtschaftsthemen mit direkten Auswirkungen auf die Wählerschaft genauer unter die Lupe und zeigt, was sich im jeweiligen Feld unter welcher Partei ändern würde.
Die bisherigen Teile:
CDU/CSU: Schluss mit Bürgergeld, kein politisch festgelegter Mindestlohn
- Mindestlohn: Keine politische Erhöhung. Mindestlohnkommission entscheidet Höhe.
- Tarifbindung: Keine Aussage.
- Überstunden: Bei Vollzeitbeschäftigung von der Steuer befreien.
- Bürgergeld: Abschaffen und durch neue Grundsicherung ersetzen. Faktisch entspräche dies einer Senkung.
- Sonstiges: Renteneintrittsalter beibehalten. Unternehmensgründungen durch „Gründerschutzzone“ fördern.
AfD: Bürgergeld und Arbeitslosengeld kürzen
- Mindestlohn: Keine Aussage.
- Tarifbindung: Keine Aussage.
- Überstunden: Keine Aussage.
- Bürgergeld: Durch niedrigere Grundsicherung ersetzen.
- Sonstiges: Arbeitslosengeld erst nach drei vollen Beitragsjahren und nur für sechs Monate. Für je zwei Beitragsjahre einen Monat mehr Bezugszeit.
SPD: 15 Euro Mindestlohn, Bürgergeld beibehalten
- Mindestlohn: Bis 2026 auf 15 Euro pro Stunde erhöhen.
- Überstunden: Keine Aussage zur Steuerfreiheit.
- Tarifbindung: Stärken. Beispielsweise öffentliche Aufträge nur an nach Tarif zahlende Unternehmen vergeben.
- Bürgergeld: Beibehalten. Mehr Weiterbildungen für Bezieher um diese schneller weiter zu vermitteln.
- Sonstiges: Qualifizierungszeiten (Weiterbildungen) sollen nicht auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes angerechnet werden.
Grüne: 15 Euro Mindestlohn, Bürgergeld beibehalten
- Mindestlohn: Bis 2026 auf 15 Euro pro Stunde erhöhen.
- Überstunden: Keine Aussage zur Steuerfreiheit.
- Tarifbindung: Stärken. Beispielsweise öffentliche Aufträge in der Regel an nach Tarif zahlende Unternehmen vergeben.
- Bürgergeld: Beibehalten. Arbeitsagenturen und Jobcenter stärken.
- Sonstiges: Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung auf Klima- und Umweltschutz, Qualifizierung und Gleichstellung. Betreuungsangebote für Kinder ausbauen und steuerlich stärker absetzbar machen.
FDP: Bürgergeld senken, mehr Sanktionen
- Mindestlohn: Keine politische Erhöhung. Mindestlohnkommission entscheidet Höhe.
- Überstunden: Bei Vollzeitbeschäftigung von der Steuer befreien.
- Tarifbindung: Keine Aussage.
- Bürgergeld: Grundlegend reformieren. Bezüge senken. Mehr Sanktionen. „Eigeninitiative inklusive Beweislast.“
- Sonstiges: Sozialabgaben sollen nicht über 40 Prozent steigen. Wöchentliche Höchstarbeitszeit statt täglicher Vorgaben.
BSW: 15 Euro Mindestlohn, Bürgergeld erhöhen
- Mindestlohn: Unverzüglich auf 15 Euro pro Stunde erhöhen.
- Überstunden: Keine Aussage zur Steuerfreiheit.
- Tarifbindung: Stärken. Beispielsweise öffentliche Aufträge und Fördergelder nur an nach Tarif zahlende Unternehmen vergeben.
- Bürgergeld: Durch Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung ersetzen. Höhere Bezüge. Langjährige Versicherte sollen 60 Prozent ihres letzten Nettogehalts erhalten, bis ihnen zumutbarer Job angeboten werden kann.
- Sonstiges: Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung auf Klima- und Umweltschutz, Qualifizierung und Gleichstellung.