FOCUS-online-Serie zur Bundestagswahl - Bis zu 1730 Euro weniger - Wahl-Check zeigt, was Parteien für Ihre Stromrechnung planen

Es gibt wenige Themen, bei denen sich die Bundestagsparteien dieser Tage so einig sind wie beim Strompreis. „Wir sorgen für günstigen Strom“, wirbt die SPD in ihrem Wahlprogramm. „Der Strom muss für alle in Deutschland günstiger werden“, schreiben CDU und CSU. „Wir machen Strom billiger“, heißt es bei den Grünen. Die AfD sagt, sie werde „ermöglichen, dass Strom wieder jederzeit in ausreichender Menge zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung steht“. Doch so einig sich die Parteien bei ihrem Ziel sind, so unterschiedlich sind die Wege dahin. Wir zeigen, wer für welche Maßnahmen steht – und wie stark Sie davon jeweils profitieren würden.

Die Ausgangslage: Strom ist teurer geworden

Der Börsenstrompreis lag im Januar im Durchschnitt bei 115 Euro pro Megawattstunde, also etwa 11,5 Cent pro Kilowattstunde. Gegenüber dem April 2024 ist das fast eine Verdopplung, damals kostete die Megawattstunde im Monatsdurchschnitt nur rund 60 Euro.

Zur Einordnung: 

  • Strom ist derzeit deutlich günstiger als in den Jahren 2021 und 2022. Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine schossen die Strompreise nach oben, die Spitze waren 455 Euro im August 2022.
  • Der langjährige Mittelwert von 2006 bis 2020 liegt bei 40 Euro pro Megawattstunde.

Die Börsenstrompreise machen allerdings nur einen Teil des Strompreises aus, den Sie für den Verbrauch daheim bezahlen. Die Verbraucherpreise zeigen aber eine ähnliche Entwicklung. Für Neukunden mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden – was einer Familie entspricht – beziffert das Vergleichsportal Verivox den Durchschnittspreis aktuell mit 28,8 Cent pro Kilowattstunde.

  • Im vergangenen Jahr lag der Strompreis ebenfalls niedriger mit einem Tiefpunkt im Oktober mit 23,9 Cent pro Kilowattstunde.
  • 2022 war Strom mit bis zu 65,3 Cent pro Kilowattstunde deutlich teurer.
  • Vor dem Ukraine-Krieg lagen die Preise mit durchschnittlich 24 Cent pro Kilowattstunde etwas niedriger als heute.

Das sind allerdings nur die Preise nur Neukunden, die in der Regel niedriger liegen als für Bestandskunden. Für Bestandskunden errechnete die Statistikbehörde Eurostat vor einem Jahr einen Durchschnittspreis von 41 Cent pro Kilowattstunde, Verivox kommt heute auf rund 36 Cent. Im EU-Vergleich sind das die teuersten Preise.

Die Möglichkeiten: Steuern, Netzentgelte, Klimageld

Die neue Bundesregierung kann den Strompreis kurzfristig auf drei Wegen senken:

  1. Stromsteuer senken,
  2. Netzentgelte senken,
  3. Klimageld auszahlen.

Wie immer gilt die Einschränkung: Geld, das die nächste Bundesregierung den Kunden bei der Steuer nachlässt oder beim Klimageld auszahlt, muss sie an anderer Stelle wieder einnehmen oder kürzen. Denn Schulden darf sie dafür nicht machen: Einige Parteien wollen die Schuldenbremse unverändert beibehalten, andere wollen sie für Investitionen aufweichen. Steuerermäßigungen erlaubt keine der beiden Optionen. Der Staat muss sie aus den laufenden Einnahmen bezahlen; also entweder mehr einnehmen oder an anderer Stelle kürzen.

1. Stromsteuer senken

Die Stromsteuer wurde unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführt, um Menschen zum Energiesparen zu motivieren. Sie beträgt seit 2003 exakt 2,05 Cent pro Kilowattstunde, wobei es zum Beispiel für Bahn und Industrie reduzierte Sätze gibt. Deutschland war nicht das erste EU-Land mit einer solchen Steuer. Ebenfalls 2003 setzte die EU sogar eine Mindest-Stromsteuer von 0,1 Cent pro Kilowattstunde fest.

Mehrere Parteien wollen den höheren deutschen Satz nach der Wahl senken. SPD, Grüne, AfD, Linke und FDP wollen sie auf das EU-Minimum reduzieren. Die CDU/CSU kündigt eine Senkung in unbekannter Höhe an, nur das BSW äußert sich in seinem Wahlprogramm nicht zu der Steuer. Eine Senkung auf das Minimum nach der Wahl dürfte also sehr sicher sein.

Das würde Sie um 1,95 Cent pro Kilowattstunde entlasten. Wenn wir davon ausgehen, dass Energieversorger nicht dadurch ihre Marge um den gleichen Betrag erhöhen werden, bringt das einem Single mit einem Durchschnittsverbrauch von 1750 Kilowattstunden eine Ersparnis von 34,13 Euro pro Jahr. Paare mit 3000 Kilowattstunden Verbrauch sparen 58,50 Euro und Familien mit 5000 Kilowattstunden 97,50 Euro.

2. Netzentgelte senken

Die Netzentgelte sind keine Steuer, sondern eine Gebühr, die Sie den Netzbetreibern dafür zahlen, dass diese das Stromnetz aufbauen und unterhalten. Diese Gebühr ist dabei nicht einheitlich, sondern richtet sich nach den tatsächlichen Kosten je Region. Im Durchschnitt steigen sie aber seit Jahren an. Lag das durchschnittliche Netzentgelt 2011 noch auf seinem Tiefststand von 5,75 Cent pro Kilowattstunde für Verbraucher, waren es 2024 schon 11,62 Cent. 

Das liegt daran, dass durch die Energiewende hohe Kosten für den Ausbau des Stromnetzes entstehen, die die Netzbetreiber auf die Verbraucher umlegen. Dieses Jahr dürfte es noch weiter nach oben gehen, wobei die Bundesnetzagentur aber ihre Regeln so geändert hat, dass besonders teure Regionen ihre Kosten auf andere Regionen aufteilen dürfen, so dass die Kosten fairer im Land verteilt werden. Umgekehrt bedeutet das aber, dass Regionen jetzt hohe Anstiege verzeichnen, in denen die Netzentgelte vorher unter dem Durchschnitt lagen.

Bei Netzentgelten sind sich die Bundestagsparteien ähnlich einig wie bei der Stromsteuer. Sie sollen sinken. Die SPD will die Entgelte auf 3 Cent pro Kilowattstunde deckeln. Das brächten einem typischen Single eine jährliche Ersparnis von durchschnittlich 150,85 Euro pro Jahr. Ein Paar-Haushalt würde dadurch 258,60 Euro sparen und eine Familie 431 Euro. Allerdings würden die Kosten für den Netzausbau nicht sinken, die SPD müsste die Entlastung also an anderer Stelle gegenfinanzieren, würde das aber eben nicht über den Strompreis machen.

Die SPD ist dabei die einzige Partei, die eine genaue Summe nennt:

  • Die Linken geben an, Stromsteuer und Netzentgelte so senken zu wollen, dass die Kilowattstunde rund neun Cent günstiger wird. Das wäre etwas weniger als im SPD-Plan.
  • CDU/CSU geben wie bei der Stromsteuer nur an, die Netzentgelte senken zu wollen, verraten aber nicht wie.
  • Das BSW will die Gebühr „auf ein Minimum reduzieren“. Wo das liegt, ist unklar.

Die anderen Parteien wollen die Netzentgelte indirekt senken. 

  • Die Grünen schlagen vor, der Staat solle die Entgelte für überregionale Leitungen übernehmen. Deren Kosten müssten dann nicht mehr auf Verbraucher umgelegt werden. Wie viel diese dadurch sparen würden, bleibt aber unklar.
  • Die FDP möchte vor allem die Kosten des Netzausbaus drücken, indem etwa überregionale Trassen über- statt unterirdisch verlegt werden und die Bürokratie rund um den Ausbau abgebaut wird. Auch hier fehlt es an Zahlen, wie viel Verbraucher dadurch sparen würden.
  • Die AfD will die Netzentgelte senken, indem der Bau von Windrädern gestoppt wird. Hier ist auch nicht klar, wie weit das Verbraucher entlasten würde.

3. Klimageld auszahlen

Das Klimageld war eigentlich eines der Wahlversprechen der Ampel-Koalition, das lange verzögert und durch das vorzeitige Aus nun gar nicht umgesetzt wurde. Die Idee ist, die Einnahmen des CO2-Preises wieder an alle Bürger auszuzahlen. Damit würden die Mehrbelastungen durch die Emissionsabgabe ausgeglichen und Menschen hätten einen Anreiz, mehr (fossile) Energie zu sparen. 

2024 nahm der Bund mit dem CO2-Preis geschätzte 10,9 Milliarden Euro ein. Würden diese gleichmäßig auf alle Bürger verteilt, hätte jeder rund 129 Euro erhalten, eine vierköpfige Familie also 516 Euro. 

Die Linke ist derzeit die einzige Partei mit einem konkreten Plan für das Klimageld. Sie nennt einen Betrag von 320 Euro pro Jahr und Person, der rückwirkend ab Januar 2025 ausgezahlt werden soll. Künftig soll dieses Geld an die Steigerung des CO2-Preises gekoppelt werden. Dafür müsste der Staat dieses Jahr schon 26,5 Milliarden Euro ausgeben, was etwa dem Doppelten der geschätzten Einnahmen aus dem CO2-Preis entspricht. Die Linke müsste das also gegenfinanzieren - durch Steuererhöhungen oder Kürzungen an anderer Stelle.

Die Pläne der anderen Parteien sind weniger konkret. 

  • Die Grünen wollen ein Klimageld so schnell wie möglich einführen und über den oben genannten Mechanismus jedem aufs Konto überweisen. Sie wollen damit „einen Großteil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung“ zurückgeben. Das würde weniger als eben jene 129 Euro pro Person bedeuten.
  • Die SPD will das Klimageld ab 2027 auszahlen, wenn die nationalen Regeln für den CO2-Preis durch das europäische Zertifikatssystem ersetzt werden, wodurch der Preis für jede Tonne CO2 sich auf einen Schlag vervierfachen könnte.
  • CDU/CSU, AfD, FDP und BSW erwähnen das Klimageld in ihren Wahlprogrammen nicht.

Fazit: Familien sparen bis zu 1730 Euro pro Jahr

  • Die höchsten Ersparnisse beim Strompreis verspricht aktuell die Linke. Niedrigere Stromsteuer und Netzentgelte sowie das extrem hohe Klimageld würden einem Single 477,50 Euro pro Jahr einbringen. Paare kämen auf 910 Euro und vierköpfige Familien sogar auf 1730 Euro. Wie die Partei diese Kosten gegenfinanzieren will, ist unsicher. Verbraucher müssen also damit rechnen, das Geld an anderer Stelle draufzuzahlen.
  • Dahinter reiht sich die SPD mit 185 Euro für Singles, 317 Euro für Paare und 529 Euro für Familien ein. Hinzu käme ab 2027 ein Klimageld in unbekannter Höhe.
  • Bei den Grünen sparen Sie auf jeden Fall die oben genannten Summen durch die Senkung der Stromsteuer (34/59/98 Euro) plus einen unbekannten Betrag durch niedrigere Netzentgelte und das Klimageld.
  • Bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP sparen Sie die Kosten der Stromsteuer plus eine unbekannte Summe durch niedrigere Netzentgelte.
  • Die nach jetzigem Stand geringste Ersparnis gibt es beim BSW, das nur die Netzentgelte in unbekannter Höhe senken möchte, sich jedoch weder zu Stromsteuer und Klimageld äußert.

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