„Der Tod war ein Tabu“: BRK-Bereichsleiter Philippe Goller berichtet vom schwierigen Anfang des Herzenswunschmobil

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Ein Teddybär ist stets an Bord: Philippe Goller, Bereichsleiter zentrale Dienste beim BRK Bad Tölz-Wolfratshausen, zeigt das Innere des Herzenswunschmobil. Der Teddy soll Kindern, die einen kranken Angehörigen auf der Fahrt begleiten oder die selbst Fahrgast sind, eine kleine Freude bereiten. © Arndt Pröhl

Im Jahr 2022 nahm das BRK Bad Tölz-Wolfratshausen sein Herzenswunschmobil in Betrieb. Zu Beginn reagierten viele Menschen mit einer gewissen Scheu auf den Transporter, dessen Crew Sterbenden letzte Wünsche erfüllt. Der Projektverantwortliche Philippe Goller erinnert sich.

Der Geburtsort des Tölzer Herzenswunschmobils ist ungewöhnlich: „Die Idee ist ganz wild in einem Friseursalon entstanden“, erzählt Philippe Goller schmunzelnd. Beteiligt waren daran sein Vorgänger als Bereichsleiter Zentrale Dienste beim BRK-Kreisverband Bad Tölz-Wolfratshausen, Vitus Adlwarth – und eine Friseurin. Letztere arbeitete ehrenamtlich als Hospizbegleiterin, und so entspann sich beim Haareschneiden ein folgenreiches Gespräch zwischen Kunde und Saloninhaberin. „Die Friseurin kam mit der Idee zu einem Herzenswunschmobil auf das BRK zu, weil sie wusste, dass wir das nötige Knowhow dafür haben“, erinnert sich Goller. „Wir fanden die Idee großartig und haben das Projekt dann gleich aus dem Boden gestampft.“

Beim Herzenswunschmobil des BRK Bad Tölz Wolfratshausen handelt es sich um einen Krankentransporter, der Menschen in ihrer letzten Lebensphase an Sehnsuchtsorte fährt, begleitet von medizinischem Fachpersonal und Ehrenamtlichen. Nach diesem Vorbild will nun auch der BRK Kreisverband Miesbach ein Herzenswunschmobil etablieren – mithilfe von Spenden aus der Aktion „Leser helfen Lesern“.

Angst vor dem Thema Tod

Das BRK Bad Tölz-Wolfratshausen setzte das Vorhaben um, indem es einen Transporter aus dem Patientenfahrdienst herauslöste und umrüstete. 2022 war das. Doch trotz eines namhaften Schirmherrn, dem ehemaligen CSU-Landtagsabgeordneten Martin Bachhuber, und einer feierlichen Fahrzeugweihe, mit der das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, gestaltete sich der Anfang zäh. „Wir mussten feststellen, dass es in unserem Landstrich Probleme mit dem Thema Sterben gibt“, sagt Goller, „die Menschen wollten sich nicht damit auseinandersetzen.“

Die Aktion „Leser helfen Lesern“

Von der Aktion „Leser helfen Lesern“ der Heimatzeitung profitieren in diesem Jahr der BRK-Kreisverband, das Bunte Haus in Miesbach sowie der Förderverein Warmbad Miesbach. Spenden können auf das Konto 13 300 bei der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee (BLZ 711 525 70), IBAN: DE04 7115 2570 0000 0133 00, eingezahlt oder überwiesen werden. Das Finanzamt anerkennt den Durchschlag der Überweisung bis zu einem Betrag von 300 Euro. Für Spenden über 300 Euro stellt das Landratsamt Quittungen aus (bitte vollständige Adresse angeben).

Das BRK trat an Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime heran, um auf das Herzenswunschmobil aufmerksam zu machen, rannte aber nicht gerade offene Türen ein. „Der Tod war anscheinend ein Tabu“, sagt Philippe Goller. Auch die Gespräche mit Angehörigen von Schwerstkranken gestalteten sich zuweilen schwierig. Warum genau, darüber kann er nur spekulieren. „Vielleicht aus Sorge, die Fahrt könnte für den Schwerkranken eine Belastung sein, vielleicht, weil sie nicht wahrhaben wollten, dass er wirklich sterben muss.“ In anderen Regionen Deutschlands gehe man unbefangener mit dem Thema Tod um, hat Goller die Erfahrung gemacht.

BRK bereitet Fahrten sorgfältig vor

Inzwischen hat sich das Herzenswunschmobil des BRK Bad Tölz Wolfratshausen aber etabliert. Etwa 16 Fahrten absolvierte es bisher, darunter auch Wunschfahrten von Patienten aus anderen Landkreisen. Jede Fahrt wird vom BRK sorgfältig vorbereitet. Unter anderem erfragt es die palliative Grunddiagnose, den aktuellen Zustand des Fahrgastes, seine Mobilität und welche medizinischen Geräte erforderlich sind. Ein Verbandsarzt prüft, ob der Fahrgast die Tour schafft.

Das Herzenswunschmobil brachte schon einen schwerstkranken Weilheimer zurück in seine Heimat nahe Hamburg, wo er dann im Kreis seiner Familie sterben konnte. Es brachte einen Menschen in seiner letzten Lebensphase auf die Zugspitze, einen anderen zu einem Konzert von Hubert von Goisern. Es ermöglichte einem hochbetagten Mann, der an schwerer Osteoporose litt, an der Beerdigung seiner Frau teilzunehmen, und einer todkranken Seniorin, auf die Hochzeit ihres Sohnes zu gehen.

Schwerstkranke feiert auf Gartenparty – und strahlt vor Glück

„Die Angehörigen haben sich Sorgen gemacht, ob ihr das in ihrem Zustand nicht schadet“, erinnert sich Philippe Goller an die Bedenken im Vorfeld. „Aber sie hat selbst die Gartenparty im Anschluss an die Trauung noch durchgezogen.“ Das Lächeln im Gesicht der Frau, das Glück, das sie ausstrahlte, sei schwer zu beschreiben. „In solchen Momenten weiß man, dass man das Richtige tut“, sagt Goller, der sich bereits als junger Mensch beim Jugendrotkreuz engagierte und später als Zivildienstleistender für das BRK im Einsatz war.

Besonders in Erinnerung blieb ihm der Fall einer etwa 40 Jahre alten Mutter, die mit ihrem etwa neun Jahre alten Sohn ein letztes Mal Urlaub machen wollte. Mitarbeiter der Palliativstation, auf der die krebskranke Mutter versorgt wurde, hatten Kontakt zu einem barrierefreien Familienhotel am Gerlospass in Österreich aufgenommen, und das Hotel hatte sich aufgrund der besonderen Umstände bereit erklärt, der Mutter und ihrem Sohn einen einwöchigen Aufenthalt auf Kosten des Hauses zu ermöglichen. Das Herzenswunschmobil übernahm den Hin- und Rücktransport von Mutter und Kind.

Hilfe von Menschen für Menschen

Philippe Goller führte das Vorgespräch mit der Frau. „Sie sagte: Jetzt fahre ich noch einmal mit meinem Sohn in den Urlaub, und dann sterbe ich“, erinnert sich Goller. „So war es dann auch.“ Er sei froh, der Frau diese Möglichkeit zum Abschied von ihrem Sohn gegeben zu haben. „Das entspricht genau den Grundsätzen des Roten Kreuzes: Hilfe von Menschen für Menschen.“

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