Gezerre um Projekt an Loisach: Wasserwirtschaftsamt bekommt scharfte Kritik zu hören

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Die Loisach bei Hechendorf: Es gibt den Vorschlag, bei Achrain und in Richtung Großweil Schleifen anzulegen. Bund Naturschutz und Bauernverband sind nicht begeistert. © Dominik Bartl

Die Loisach soll aufgrund von EU-Vorgaben renaturiert werden. Das Wasserwirtschaftsamt hat bereits mehrere Rückmeldungen von Gemeinden, Verbänden und anderen Stellen bekommen. Die Interessen prallen aufeinander.

Landkreis – Kontrovers muss es am 19. Dezember bei einem Treffen im Landratsamt Garmisch-Partenkirchen zugegangen sein. Vertreter von Verbänden und Gemeinden sowie Grundeigentümer saßen an einem Tisch, das Wasserwirtschaftsamt (WWA) hatte eingeladen. Es ging um die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU und deren Umsetzung. Teile der Loisach sollen renaturiert werden. Denn der Zustand ist von Garmisch-Partenkirchen bis zum Kochelsee „mäßig“, vom Kreisort bis zur Landesgrenze gar „unbefriedigend“. Bis 2027 soll der Fluss in einen guten ökologischen Zustand gebracht werden. Manche Gemeinden und Grundeigentümer begehren gegen das WWA-Projekt auf. Sie befürchten, dass sich die Dinge zum Schlechteren verändern.

In Eschenlohe ist man zum Beispiel nicht glücklich über die Pläne des WWA. Bürgermeister Anton Kölbl (CSU) kritisiert die Behörde scharf. „Die ganze Planung ist miserabel gemacht. Der Aufruhr lässt sich vermeiden, wenn man zuerst nachdenkt.“ Er hätte sich gewünscht, dass das WWA zunächst auf ihn zukommt, bevor Konzepte veröffentlicht werden. „Es wäre einfach gewesen: vorher reden.“ Es sei „null Vertrauen“ da, betont der Rathauschef. Er wartet derzeit auf ein Schreiben des Wasserwirtschaftsamts mit Antworten zu offenen Fragen. Markus Brandtner, beim WWA für Wasserbau und Gewässerentwicklung zuständig, kann nicht sagen, wann der Brief verschickt wird. „Wir sind da auch auf Zuarbeit von anderen Stellen angewiesen.“ Brandtner betont jedoch: „Wir sind dran.“

Einwand des Bund Naturschutz

Der Bund Naturschutz (BN) sieht das Vorhaben grundsätzlich positiv: „Wir sind dran interessiert, dass Inhalte der Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden“, sagt Martin Kleiner, Vorstandsmitglied der BN-Kreisgruppe. Nicht so begeistert sei man jedoch von der Idee, drei alte Flussschleifen wieder herzustellen. Vorgesehen ist dies bei Achrain und ein Stück flussabwärts Richtung Großweil. „Das sind Lebensräume entstanden, die naturschutzfachlich und -rechtlich interessant sind“, sagt Kleiner. Diese sollte man „nicht wegbaggern“.

Der Bayerische Bauernverband (BBV) hat auch Einwände: „Durch die Bildung von Schleifen zwischen der Loisach und der Ramsach südwestlich des Klärwerkes Murnau (ab Flurnummer 610 in der Gemarkung Hechendorf) werden die Streuwiesen zerschnitten“, heißt es in einer Stellungnahme von Thomas Müller, Leiter der BBV-Geschäftsstelle Weilheim. Das Bewirtschaften der Flächen werde dadurch nahezu unmöglich oder erfordere den Bau von Brücken. „Zudem würde die Hochwassergefahr für diese Flächen steigen, was entsprechende Auswirkungen auf die Pflanzen- und Tierwelt hätte.“

Grundeigentümer haben Bedenken, dass ihre Flächen künftig öfters überflutet werden, denn Uferverbauung soll teilweise beseitigt werden. Kleiner kann diese Einwände absolut verstehen. Der BN-Vertreter sagt aber auch: „Der Klimawandel ändert die Art der Abflüsse. Wir werden irgendwann Retentionsräume nützen müssen.“ Mit dem alten Rezept, die Deiche zu erhöhen, „werden wir irgendwann nicht mehr weiterkommen“.

Situation für Fische soll verbessert werden

Das Projekt des WWA zielt vor allem darauf ab, die Situation für die Fische zu verbessern. Der Fischereiverband Oberbayern steht dem Vorhaben sehr positiv gegenüber. „Sicherlich könnten die geplanten Maßnahmen weitreichender ausfallen“, sagt Udo Steinhörster, der beim Verband für den Fachbereich Arten- und Gewässerschutz zuständig ist. Er verweist aber auf die aus seiner Sicht weitreichenden Einschränkungen, mit denen sich die Planer des WWA auseinanderzusetzen hätten. Dies sei anlässlich des Termins am 19. Dezember im Landratsamt „sehr deutlich“ geworden. Die Maßnahmen, die aus gewässerökologischer Sicht wünschenswert wären, seien „so weit eingedampft“ worden, bis das nunmehr vorgestellte Umsetzungskonzept übrigblieb. „Auch dagegen gibt es noch Widerstand seitens Landwirtschaft, Anliegergemeinden und auch des amtlichen Naturschutzes“, beklagt Steinhörster. „Die Einwender verkennen, dass voralpine Fließgewässer seit jeher von dynamischen Umlagerungsprozessen geprägt werden und ihr herausragender ökologischer Wert von dieser Dynamik unmittelbar abhängt.“ Während die Bedenken der Landwirtschaft und der Kommunen zumindest vom Grundsatz her nachvollziehbar seien und im Wesentlichen auf den Hochwasserschutz abzielten, seien die Einwendungen des amtlichen sowie des nicht-amtlichen Naturschutzes „sehr fragwürdig“.

Steinhörster nennt Beispiele: „Konkret soll die Redynamisierung der Loisach an verschiedenen Stellen aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig sein, weil zum Beispiel Orchideenwiesen bei Hochwasser überflutet werden und damit ein unkontrollierter Nährstoffeintrag in diese geschützten Lebensräume erfolgen könnte.“ An anderer Stelle sind dem Verbandsvertreter zufolge Uferaufweitungen nicht möglich, weil geschützter Auwald in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.

An der Unteren Naturschutzbehörde kritisiert Steinhörster, „dass die Bemühungen um die Wiederherstellung einer naturnahen Flusslandschaft im Sinne der WRRL nicht durch eine statische Betrachtung seitens des amtlichen Naturschutzes verhindert werden darf“.

Das Landratsamt, wo die untere Naturschutzbehörde angesiedelt ist, will das so nicht stehen lassen. Sprecher Stephan Scharf: „Die Naturschutzverwaltung muss bei der Prüfung derartiger Vorhaben immer eine gesamtökologische Betrachtung anstellen, im Gegensatz zum Beispiel zur Wasserwirtschaft oder zur Fischerei, wo das Gewässer und die Unterwasserwelt oft alleine im Vordergrund stehen.“ Gerade entlang der Loisach hätten sich für Bayern, Mitteleuropa und den ganzen Alpenraum unvergleichliche Moore und Auen erhalten, die strengsten gesetzlichen Schutz genießen und keine einseitige Behandlung erlaubten.

Die vorliegenden Papiere weisen aus Sicht des Landratsamts „erhebliche Mängel“ auf. „Während man hofft, in der Loisach einen mangelhaften Zustand etwas zu verbessern, nimmt die Planung weitreichende Schäden an wertvollsten Flächen links und rechts der Loisach billigend in Kauf“, sagt Scharf. „So wird auch noch übersehen, dass neben den natürlichen Erscheinungen auch die gewachsenen kulturlandschaftlichen Werte berücksichtigt werden müssen.“

Neues EU-Gesetz

Mit der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie WRRL wird das Thema Naturschutz an der Loisach nicht erledigt sein. Stichwort: Nature restoration law. Das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur soll bedrohte Ökosysteme wie Moore, Wälder und Auen wieder in einen guten Zustand bringen. „Knapp 80 Prozent der geschützten natürlichen Lebensräume in Europa sind geschädigt“, ist auf der Homepage des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) zu lesen. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen nun nationale Wiederherstellungspläne erstellen, in denen sie Maßnahmen formulieren und finanzielle Mittel definieren, um die Ziele des EU-Gesetzes zu erreichen. Diese Pläne müssen innerhalb von zwei Jahren der EU-Kommission vorgelegt werden und sind dann fortlaufend zu verbessern und weiterzuentwickeln. Es kommt also noch einiges, mit dem sich Eigentümer, Gemeinden und Verwaltungen beschäftigen müssen.

Als man im Landratsamt die Unterlagen der Wasserwirtschaft prüfte, zeigte sich, „dass einer manchmal sehr bruchstückhaften und fragwürdigen Renaturierung oftmals erhebliche Nachteile für andere Schutzgüter gegenüberstünden“. Während der Erfolg von Maßnahmen für das verfolgte wasserwirtschaftliche Ziel – insbesondere die Huchen-Reproduktion – keineswegs garantiert sei, „wären Zerstörungen und Beeinträchtigungen hochwertigster und nicht mehr wiederherstellbarer Auen- und Moorlebensräume sichere Folge“. Im Landratsamt ist man überzeugt: „Verschiedene Teile der Planung hätten keine Chance, eine Umwelt- oder FFH-Verträglichkeitsprüfung zu bestehen.“

Die Naturschutzverwaltung in der Kreisbehörde musste laut Scharf auch feststellen, dass das Entwicklungskonzept die indirekten Folgen der Planung völlig außer Acht gelassen habe. „Es gibt keine Ausführungen zu dem wichtigen Aspekt eines veränderten Überflutungsverhaltens nach Aufweitung oder Entfernen von Deichen und Ufersicherungen oder bezüglich der Verschlammung von Wiesen nach Hochwasser.“

WWA-Mitarbeiter Brandtner kennt die Bedenken und die Kritik. Er betont jedoch: „Das ist keine fertige Planung, das ist ein Konzept. Es wird so nicht gebaut.“ Das WWA müsse etwas machen. „Das kostet manchmal auch Platz.“ Was Brandtner nochmals deutlich macht: „Der Hochwasserschutz darf nicht angetastet werden, natürlich nicht.“ Grundstücke des Marktes Murnau sind bei dem Projekt nicht betroffen. „Daher wurde das Thema auch bislang in keiner Sitzung des Marktgemeinderats besprochen“, sagt Rathaussprecherin Annika Röttinger.

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