NDR-Frontfrau nannte Ruhs' Arbeit „ein bisschen rechtsradikal“ – die aber bleibt cool

Kurz vor der Veranstaltung im Münchener The-Charles-Hotel ist Julia Ruhs – auch Kolumnistin bei FOCUS online – angespannt: "Ich möchte heute Abend aufpassen, was ich sage, was sonst nicht meine Art ist.“ 

Julia Ruhs‘ Zurückhaltung hat einen menschlichen Grund

Der Satz macht neugierig, schließlich ist Julia Ruhs eine Autorin, die sonst für ihre dezidierte Meinung bezahlt wird und deren Buch "Links-Grüne Meinungsmacht“ seit 10 Wochen auf der Spiegel-Bestseller-Liste reüssiert. Ihre Zurückhaltung hat einen zutiefst menschlichen Grund.  

Sie möchte sich beim Publikum und bei neugierigen Journalisten zurückhalten – bloß nicht mit einem einzigen Satz nachtreten. So erklärt sie den Norddeutschen Rundfunk vorab zum No-Go-Thema.

„Ich bin nicht nachtragend“, sagt sie zu FOCUS online, „außer bei Menschen, die ich schon von früher kannte.“ Schluss der Aussage. Einer Reporterin erzählt sie, dass sie mit ihrem ARD-Projekt KLAR vor allem vorhatte, bei enttäuschten Zuschauern wieder Vertrauen zu gewinnen.

Über zwei Stunden lang sagt sie kein böses Wort über den NDR, obwohl sie nach den Intrigen, heimlichen Unterschriftenlisten in der NDR-Belegschaft und einer öffentlichen Hass-Attacke der NDR-Frontfrau Anja Reschke allen Grund dazu hätte. Die hatte Inhalte von Ruhs‘ Sendung „Klar“ als „ein bisschen rechtsextrem“ bezeichnet.

Der geschmacklose und unkollegiale Ausfall von Reschke ist allerdings ein Paradebeispiel für das Thema, das Julia Ruhs an diesem Abend mit dem ehemaligen Chefredakteur des Bayerischen Fernsehens, Siegmund Gottlieb diskutiert: den "eingeschränkten Meinungskorridor".

„Man ist vorsichtig, um keine Auftraggeber zu verprellen“

Julia Ruhs berichtet aus ihrem eigenen Journalistenleben: „Da weiß man schon, bei welchen Aussagen man vorsichtig sein sollte, weil man weiß, dass man den einen oder anderen Auftraggeber oder ein Medium verprellen könnte, weil die sagen, ‚oh die ist vielleicht zu rechts.‘“

Gottlieb berichtet von einem 29-jährigen Jungpolitiker, der sich seit Jahren sehr redegewandt, pointiert und gut argumentiert durch politische Thesen hervorgetan habe. Seit er zum Abgeordneten gewählt sei, höre und sehe man nichts mehr von dem Mann.

"Er sagte, dass er die ständigen Shitstorms fürchtet“, erzählt Siegmund. Der Jung-Abgeordnete halte sich mit starken Thesen mittlerweile lieber zurück, weil er seine politische Karriere nicht gefährden wolle. 

Auf die Frage des Moderators, was sie auf dieses Thema gebracht habe, erzählt Julia Ruhs von ihrem Studium in Regensburg. Schon dort habe sie gespürt, wie wenig Meinungsvielfalt es an ihrer Fakultät gab, "da hat immer alle Wahlen die links-bunte Liste gewonnen.“

"‘Klimawandel‘ wird zur 'Klimakatastrophe' und die Leute werden verrückt gemacht“

Gottlieb fällt ihr ins Wort: "Da haben Sie völlig recht.“ Der Journalismus sei vielfach links, weil viele Journalisten den Beruf machten, um Dinge verändern zu wollen, ob beim Klimaschutz oder in der Sozialpolitik.

Die Frage, warum der Meinungskorridor eher links-grün ist, beantworten Ruhs und Gottlieb ähnlich. Das habe mit der Selbstverortung der Mehrheit der Journalisten im links-grünen Lager zu tun. "‘Klimawandel‘ wird zur 'Klimakatastrophe' und die Leute werden verrückt gemacht“, sagt Gottlieb. 

In der ARD hätten früher ausgeglichenere Verhältnisse geherrscht, erzählt Gottlieb nun: Mit BR, MDR und HR hätten drei starke Sender zur bürgerlichen Seite gehört und damals finanziell immerhin 37 Prozent der gesamten ARD-Finanzen erhalten.

„Journalisten wurden in der Coronazeit zu Öffentlichkeitsarbeitern“

Julia Ruhs glaubt, dass die Medien vor allem in der Corana-Pandemie falsch abgebogen sind. Ihr seien zum ersten Mal Zweifel gekommen, als in der Corona-Pandemie fast alle Journalisten eine Linie vertraten, anstatt zu zweifeln. 

Wer Ruhs und Gottlieb zuhört, kommt unweigerlich zu der Erkenntnis, dass in einigen deutschen Redaktionsstuben eine Art Schwarm-Unintelligenz herrschen muss. Gottlieb spricht von „elender Gefallsucht“ und Julia Ruhs pflichtet ihm bei.

 "Was mich bei Corana gestört hat, war dass die Journalisten eher eine Art Öffentlichkeitsarbeit für die Maßnahmen gemacht haben“. Damit seien viele Menschen verstoßen worden, die heute sogenannte "alternative“ Medien konsumieren und Influencer, die keinerlei journalistische Standards hätten. Futter für die AfD.

„Ich habe mit der AfD nix am Hut“

Beim Thema AfD wird Julia Ruhs persönlich. „Ich werde verteufelt. Dabei habe ich mit der AfD nix am Hut und möchte auch keine Rechtsextremisten in Regierungen. Und ich kann auch mit bestimmten erzkonservativen Positionen nichts anfangen. "Der Hass der Linken zeigt mir nur, dass sie ein Problem mit dem politischen Kompass haben.“

Ruhs lobt die Pascha- und Stadtbild-Aussagen von Friedrich Merz

Und plötzlich ist auch Bundeskanzler Merz präsent. Unter den vielen Zuhörern an diesem Debattenabend spielt die "Stadtbild“-Debatte noch immer eine große Rolle. Julia Ruhs lobt den Kanzler, dass er nicht umfalle. Nach den "Paschas" habe er jetzt mit dem "Stadtbild" nochmal nachgelegt und sich diesmal auch nicht revidiert.

Hier sitzen zwei Konservative, die sich auch offen freuen, wenn Dinge in ihrem Sinne gut laufen. Die das Grollen und Gröhlen der Rechtspopulisten ablehnen.

„Selbst die Kommentare sind nicht mehr so einseitig“

Bei der Frage nach einem Ausblick auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich Gottlieb überraschend optimistisch. Das Bewusstsein über das Problem der Unausgewogenheit sei längst in den Führungsetagen der Intendanten und leitender Redakteure angekommen, behauptet er: "Selbst die Kommentare sind nicht mehr so einseitig.“

Insofern sei für ihn auch Julia Ruhs Zukunft rosig: "Dann wird Frau Ruhs dort auch in den nächsten 40 Jahren vor Wonne jauchzend arbeiten“. Das Publikum nimmt den Satz amüsiert und etwas ungläubig zur Kenntnis.

Auch Julia Ruhs berichtet, dass es beim Bayerischen Rundfunk positive Änderungen gebe. So müsse man als Volontär nicht mehr vorher studiert haben. Ihr Kalkül: links-woke Meinungsbeschränkungen werden nicht mehr automatisch aus den Unis in die Sender schwappen.

Julia Ruhs hofft auch, dass die neuen Regionalstudios „in der bayerischen Pampa“ dafür sorgen, dass auch die ländliche Perspektive wieder mehr Gewicht bekommt. "Der Sender erdet sich“, lobt Gottlieb. 

Dann rührt sich der Elefant im Raum doch noch einmal

Beide versuchen den Blick nach vorn zu richten, anstatt nur bitter Bilanz zu ziehen. Und dann rührt sich der Elefant im Raum doch noch einmal. Ein Zuschauer fragt Julia Ruhs, ob ihr denn vom NDR Fehler vorgeworfen worden seien und wenn ja, welche.  

Julia Ruhs antwortet: "Uns wurde vorgeworfen, dass wir spalten, dass wir 45 Minuten lang nur die negativen Seiten der Migration zeigen. Aber alles, was wir gemacht haben, war ein Pilotprojekt, abgenommen von zwei Chefredakteuren, so abgenommen, dass jedes Wort angesehen wurde, es ist einfach lächerlich, mir das jetzt in die Schuhe zu schieben.“

Während des Büchersignierens fragt ein junger Mann zum Buchcover: „Ist die blaue Strickjacke und das schwarze Shirt vor rotem Grund Absicht?“ „Nein, aber es gab Leute, die haben darin ein Statement für Schwarz-Blau gesehen“, sagt Julia Ruhs. 

„Es gab auch Buchhändler, die haben sich wegen der Cover-Farbe geweigert, das Buch hinzulegen“, erzählt sie FOCUS online. „Aber das müssen wir mit dem Verlag besprechen, ob ich das sagen darf.“